Post 17: Geschichte und Emanzipation der Deutschen Sprache im Mittelalter

Zum Beitragsbild, einem kolorierten Holzschnitt: Ansicht der Stadt Nürnberg (14. Jht.) Bayerische Staatsbibliothek. – Dieses Bild von der Stadt Nürnberg entstand, wie auch die Abbildung 79 unten, als ein in ein großes Brett geschnitztes (geschnittenes) und spiegelverkehrt dargestelltes Relief, das wie ein großer Stempel auf ein Blatt Papier gepresst wurde. Anschließend wurde es koloriert (mit einigen Farben ausgemalt). Vorher musste die „Ansicht“ natürlich in einer genauen Bleistift- oder Federzeichnung ‚vor Ort‘ angefertigt werden. – Mehr als 100 Jahre später ließ der Verleger Merian solche Stadtansichten in Serie drucken, – bis heute begehrte Sammler-Objekte.

Sprachgeschichte, Teil 3

Die mittelhochdeutsche Zeit

Mittelhochdeutsch wurde etwa von 1050 bis zum Jahr 1350 gesprochen.

Die Gliederung des deutschen Sprachraums in Mundarten (Dialekte) ist hauptsächlich das Ergebnis der 2. Lautverschiebung, die sich über 300 Jahre ausdehnte. Danach unterscheidet man drei große Gruppen:

Oberdeutsch  – ………. Alemannisch, Bayrisch, Österreichisch und Oberfränkisch

Mitteldeutsch unterteilt sich in

Westmitteldeutsch  –  Rhein- u. Mittelfränkisch; und

Ostmitteldeutsch  –  Thüringisch, Obersächsisch und Schlesisch

Niederdeutsch  –  Niederfränkisch, Westfälisch und Niedersächsisch

Zur Begriffsklärung dieser Fachtermini: Hochdeutsch ist ein (übergeordneter) Begriff, der die oben aufgezählten landschaftlichen Mundarten zusammenfasst, Während das Althochdeutsche (Post 16) sich allgemein (oder zusammenfassend) auf die gesamt-germanische Sprache bezog, wird für die folgende Sprach-Entwicklungsstufe, das  Mittelhochdeutsche, in vier große Mundarten-Bereiche unterschieden: Oberdeutsch für die Gebirgsländer, mitteldeutsch – nach Osten oder Westen getrennt – für die Mittelgebirge (oder dort gelegene Landschaften) und niederdeutsch in die flachen Landschaften Deutschlands (nördlich des Mains und vom Nordrhein bis zur Nordseeküste. Den Übergang vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen kennzeichnen dann wiederum allgemein zu beobachtende lautliche Veränderungen. Es gab zwar immer noch keine einheitliche hochdeutsche Sprache, aber sie entwickelte sich in diesen drei Jahrhunderten (s. o.!), gelenkt von bewusst gestaltenden Rednern und professionellen „Schreibern“.[1] [1]Amerikaner benutzen das Wort Writer, das klingt treffender als „unser“ Wort Autor

Abb. 83: Frauenkleidung im Mittelalter (Manessische Handschrift)

Insofern bekommt das Wort „Hochsprache“ einen neuen Sinn: Es bezeichnet im Neuhochdeutschen nicht mehr die Mundarten der hochliegenden deutschen Länder (mit ihren Gebirgen), sondern steht jetzt für eine ideelle Standardsprache mit ‚gehobenem, also: hohem Niveau‘. Die ist zwar bis heute im Mündlichen nach wie vor eher nur theoretisch vorhanden, denn die mundartlichen Färbungen und Dialekte existieren weiter, und das ist auch gut so!

Immerhin hatten sich aber für das Schriftdeutsch im 17. Jahrhundert einige Sprachgesellschaften „in deutschen Landen“ gefunden, und man war sich bis 1660 über einen  gut verständlichen, aber auch anspruchsvollen Sprachstil weitgehend einig geworden, und zwar auf der Grundlage ostmitteldeutscher Mundarten (Thüringisch, Obersächsisch, Böhmisch, Schlesisch), die gewissermaßen einen Kompromiss zwischen dem (alten)niederdeutschen und dem oberdeutschen Sprachraum darstellten. Aber da hatte sich schließlich längst auch das Lutherdeutsch als Leitbild für unsere Schriftsprache durchgesetzt. Dazu lesen Sie im Post 18 mehr. –

Sie können sich anhand dieser irritierenden Begrifflichkeit sicher gut vorstellen, dass  die sprachlichen Unterschiede zwischen „dem“ Deutschen und seinen „verwandten“ Nachbarsprachen (in Österreich und der Schweiz) bis zum 9. Jahrhundert noch viel deutlicher als heute hörbar gewesen sind.[2] [2]Allein aus dem Mittelhochdeutschen werden sich beizeiten abweichende österreichische und Schweizer ‚Klänge‘ eingestellt haben, die skandinavischen und überhaupt alle Muttersprachen zeichnen sich nicht nur durch ihr eigenes Vokabular (den Wortschatz) aus, sondern durch die spezielle Sprachmelodie, die Dynamik der Aussprache (Betonung bzw. Vernachlässigung von Silben und Buchstaben – vgl.Fonetik im Post 16) und viele andere Merkmale Inzwischen hatte sich schon  die nächste Welle der Sprach-Veränderung aufgestaut: denn während z. B. das Lateinische und das Griechische die „indogermanischen“ Konsonanten weitgehend beibehielten, erfuhr das Germanische im 11. und 12. Jahrhundert (allmählich) einen lautgesetzlichen Wandel. Das Englische und das Niederdeutsche (Friesich und Plattdeutsch) dagegen konservieren bis heute die „germanischen“ Konsonanten, während sich gerade diese klanglich  zum Hochdeutschen hin verändern: Betrachten Sie dazu den Kommentar unter der folgenden Tabelle.

Die zweite Lautverschiebung

Insgesamt ergeben sich folgende Lautgesetze: Der Vergleich von alten, indogermanisch[3] [3]Bei meiner Beschäftigung mit dem Jacob-Artikel (siehe Einleitung/Post 1) fiel mir der veraltete Begriff „indogermanisch“ anstelle von „indoeuropäisch“ wieder auf; ich nehme an, dass der Autor (Jacob) hier keine Verwirrung stiften wollte: In dem oben sinngemäß zitierten Absatz (Thema: Zweite Lautverschiebung) geht es genau um die Völkerwanderung, die ich zu Beginn des Posts angesprochen habe: Einige Volksgruppen hatten ihre angestammten Gebiete verlassen, andere waren geblieben ... herzuleitenden Wörtern aus germanischen Sprachen mit stammverwandten Wörtern aus nicht-germanischen Sprachen macht deutlich, dass sich spätestens in dem oben genannten Zeitraum eine Volksgruppe von der Gemeinschaft der Indogermanen abgesetzt haben muss – entweder, indem diese Gruppe abwanderte, oder indem sie an ihrem angestammten Wohnsitz blieb, während andere ihre indogermanische Heimat verließen[4] [4]und die Insel-englischen Sprachen haben wieder andere Klangwege beschritten. . . –

In dieser (letzten) Tabelle werden verschiedene Sprachen aus der indoeuropäischen Sprachfeld ‚Familie‘ verglichen:

*Indogerm. Latein Griech. *German. Englisch Deutsch
1 *pəter pater πατήρ patḗr *fađer father Vater
2 *bhratar frater phratér *brōþer brother Bruder
3 *kerd cord- kard- *χertōn heart Herz
4 *dheub . . *deup deep tief
5 *ed ed ed *itana eat essen
6 *sed sed . *sitana sit sitzen
7 *ego ego ego *ek I ich
8 *bher fer- pher- *bairana bear gebären
9 *udhar uber thar *udar udder Euter
10 *wegh veh . *wega- weigh wiegen
Kommentar – rechts als weitere Spalte zu lesen:
Zeile 1: aus p wird f / v
Zeile 2: aus t/th wird d
Zeile 3: aus k/x wird h
Zeile 4: aus b/p wird f
Zeile 5: aus d/t wird s/ss
Zeile 6: aus d/t wird tz/z
Zeile 7: aus g/k wird ch
Zeile 8: aus bh/f wird b
Zeile 9: aus dh/d wird t
Zeile 10: aus gh wird g

Die zweite Lautverschiebung bildete gewissermaßen einen Abschluss in der Entwicklung der (ersten) Deutschen Sprache. –

Aber die Weltgeschichte und die Geschichte der indoeuropäischen Sprachen zeigen uns, dass nichts einen Abschluss hat; denn die Zeit läuft weiter. Alle Sprachen dieser Welt entwickeln sich ständig und unaufhaltsam weiter, weil sie zu den jetzt (und irgendwo) lebenden Menschen gehören.

Während also in der hier beobachteten Zeit die slawischen Sprachen an der östlichen Ostsee  erst heimisch werden (1200 n.Chr.  … – vgl. Posts 4 und 13!), hat die Geschichte Europas längst den Blick zurück in die Vergangenheit gerichtet und festgestellt, dass wir (eigentlich) schon seit Jahrhunderten im Mittelalter leben[5] [5]Für die Geschichtswissenschaft beginnt das Mittelalter bereits um 300 n.Chr. mit den Ende der Antike (vgl. Post 3!), also mit dem Niedergang des Römischen Weltreiches. Und es endet mit den Entdeckungen der Neuen Welt, etwa um 1500. – Eine derart grobe Zeiteinteilung läuft nicht nur vielen anderen Fachwissenschaften, z. B. der Kunstwissenschaft, sondern auch unserem Thema – Geschichte der Muttersprachen Europas – zuwider. Die Völkerwanderung und die Verlagerung der ‚Großmacht-Verhältnisse‘ auf das Byzantinische Reich bis ins 8. Jahrhundert hinein erscheinen mir als zu bedeutend, beide Ereignisse nur als Vorstufe zum Mittelalter zu betrachten. – Ich halte es mit jenen Historikern, die diese Zeit – zwischen 800 und 1.100 n.Chr. als Frühmittelalter, 1.100 bis 1.500 als Hochmittelalter und 1.500 bis 1.700 als Spätmittelalter oder auch als Frühe Neuzeit bezeichnen. Immerhin habe ich im Post 12 (romanische Sprachen)  schon einmal auf das Mittelalter hingewiesen; dies waren meine Stichwörter: „Feudalismus (Herrschermacht von Kirchen- und Landesfürsten  – und Armut bei allen Untertanen) / viele Städtegründungen / Schisma[6] [6]Schon einmal – 1054 (im Frühmittelalter) – hatte es eine Glaubensspaltung gegeben, als nämlich das neue Oströmische Reich dem Papst in Rom (der Metropole des alten Weströmischen Reiches) die Oberherrschaft über alle Christen beanspruchte; es erhielt jedoch nur die Macht über „seine“ Gläubigen, in seinem Reich. Seit der Zeit – um 1050 – gibt es („in der Ostkirche“) die orthodoxen Christen. Diese Trennung ist als morgenländisches Schisma in die Geschichte eingegangen / unüberschaubar viele kleine Staaten in Europa (und Zitat:) dazwischen, in Mitteleuropa – zwischen Nord- und Ostsee und der Adriaküste lag das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, ein Bündnis von mehr als dreihundert Kleinstaaten, deren Entwicklung zu Deutschen Ländern und schließlich zu einem Deutschland sich noch über 450 Jahre hinziehen sollte (Posts 14 – 16).“

Wir sind nun „mitten“ im Post 17, bei der mittelhochdeutschen Sprache. Zur Erforschung der Sprache habe ich mich oben noch einmal geäußert, und nun möchte ich auf den kulturellen Beitrag der Sprache und auf ihr befreiendes Potential[7] [7]Potential (auch: Potenzial) ist eine verborgene Leistungsfähigkeit, die entdeckt und trainiert werden kann, die aber auch mitunter überraschend zutage tritt und sich entfaltet: in der physischen (körperlichen) oder in der geistigen Umwelt, in Menschen, ihren Ideen oder bei Tieren. – Größere Zusammenhänge zu dem Begriff Kultur: Post 25. für diese Zeit verweisen. 

Freie Städte verhandeln und handeln

Bis zum Jahr 1.000 hatten sich im deutschsprachigen Raum mehr als 3.000 Städte gegründet. Dazu gehörte in jedem einzelnen Fall immer mehr als eine Stadtmauer, nämlich: Rathaus, Kirche(n), Marktplatz, Bürgerhäuser, Ackerbauern, Gasthäuser und Herbergen für die reisenden Händler, Handwerker und eine Verwaltung, die den Bürgern und Inwohnern Schutz garantierte, die einen Nachtwächter, ein Siechenhaus, eine gerechte Handwerkerbestückung (in Zünften) organisierte, die das Stadtrecht beim Landesherren verhandelte und auch die Steuern eintrieb und verrechnete, die auch für

Abb. 84: Mittelalterliche Stadt, Illustration aus: Planet Schule

Ordnung auf dem Wochenmarkt und auf Stadtfesten sorgte und auf das Einhalten aller verordneten und beschlossenen Rechte achtete bzw. Rechts-verletzungen gerichtlich ahndete. Wahrscheinlich ist noch viel mehr zu bedenken und zu beachten gewesen. Aber immerhin hieß es im Mittelalter allerorten: „Stadtluft macht frei!“ Denn das Leben war allemal besser zu ertragen als die Frondienste in der Landwirtschaft oder beim Burgherrn. –

Zwischen den Städten entwickelten sich Handel und Gewerbe. Nicht nur die Kaufleute und die Gasthäuser profitierten davon, auch die Pferdehalter, die Wagenbauer und andere Handwerker. Alle kamen und gingen: Stadtleben.

Diese Aspekte von Stadt müssen (in mehr als 1.000 Deutschen Städten – Kleinstädte mit Marktrecht, Freie Städte, Hansestädte, Reichsstädte)  bedacht – – und besprochen werden, von 1000mal mehr Menschen als auf jedem der rund 250 Adelshöfe im Land. Da wuchs eine Generation von intelligenten Denkern, Planern und Verwaltern heran!

Machtkämpfe innerhalb und außerhalb der Kirche

In der Zeit von 1378 bis 1417 kam es zum sogenannten „abendländischen Schisma, zum 2. Trennungskampf unter den Christen:  Mehrere Bischöfe (Kirchenfürsten) erhoben Anspruch auf das Papsttum. Nicht nur in Rom, sondern auch in Avignon residierten Päpste und Gegenpäpste gleichzeitig. Dort konnte noch Einigung erzielt werden.

In dieses „Zeitalter der Glaubensspaltung“ fiel auch noch die Reformation. Sie nahm ihren Anfang im Jahr 1517 (im Post 18) und führte zu den Bauernkriegen von 1525 und schließlich zum 30jährigen Krieg, der zwischen 1618 und 1648 ganz Mitteleuropa bewegte und verwüstete.

Die Machtkämpfe hatten demnach auf die Landesfürsten und Könige übergegriffen, weil immer noch (seit dem Augsburger Religionsfrieden – 1555) die alte Regel galt: Cuius regio, eius religio (aus dem Lateinischen übersetzt: wessen Gebiet, dessen Religion); danach bestimmte jeder Landesherr den Glauben aller seiner Untertanen. Erst durch den Westfälischen Frieden von 1648 wurde dieses Unrecht gegen die Menschlichkeit ab- und die Glaubensfreiheit angeschafft.

Abb. 85: Kloster Seligenthal nach Wening-Wikipedia.jpg

Schulische Bildung

(Zitat vom Post 16🙂 Im 11. und 12. Jahrhundert waren christlicher Glaube und Bildung mit der Ausbreitung des Christentums untrennbar miteinander verbunden gewesen – bis zur Entwicklung der Städte. Demzufolge war die mittelalterliche Schule zunächst immer auch eine kirchliche Schule gewesen. Bereits im frühen Mittelalter entstanden ganze Schullandschaften mit Klosterschulen, Domschulen und Stiftschulen. 

Schon Karl der Große hatte dafür gesorgt, dass mehr Schulen an bischöflichen Kirchen und in Klöstern gegründet wurden, wo vor Allem die Heilige Schrift gelesen und abgeschrieben werden durfte, und auf die wichtigsten Wissenschaften.  In den berühmtesten Klosterschulen des Landes wurden junge Menschen ausgebildet, die in den Verwaltungen der Güter, der Städte, beim Schiffbau gefragt waren. Und die Mönche in den Klöstern besonders viel Wert auch auf Bildung der Bevölkerung. Die Landwirtschaft wurde durch neue Anbau-Methoden deutlich verbessert, die Ernteerträge wuchsen, die Bauern konnten auf den Märkten in den zahlreichen Städten ihre Produkte verkaufen – und in der Stadt einkaufen.

Ähnliche Verordnungen, wie Kaiser Karl der Große sie für sein Reich durchsetze, ließ auch der Papst für die gesamte Kirche umsetzen. Ein Beispiel: Papst Eugenius II. verfügte im Jahre 826 von Rom aus:

„Wir vernehmen, dass an einige Orten keine Lehrer sich befinden und der Unterricht vernachlässigt wird. Darum befehlen wir, dass an allen Bischofssitzen und den ihnen unterstellten Pfarrgemeinden, sowie an anderen Orten Lehrer angestellt werden, die in den freien Künsten und den Heilslehren fleißig Unterricht erteilen.[8] [8]Natürlich stehen die großen Nachbarstaaten nicht hinter diesem Entwicklungsstand zurück, aber für die vielen Deutschen (noch ohne Nation) war in dieser Zeit des Mittelalters eine entscheidende Bewegung entstanden: sie empfanden sich vielleicht zum ersten Mal  als ein Volk,  das sich ‚gefunden‘ hatte, – auch durch die gemeinsame Schriftsprache

Abb. 86: Wissenschaft in Schulen

Die Klosterschulen wurden in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts noch fast ausschließlich von den Benediktinern unterhalten. Es wurden sieben ‚klassische‘ Wissenschaften (Trivium und Quadrivium) als Inbegriff aller höheren Gelehrsamkeit gelehrt, die sieben freien Künste[9] [9]Inhalt des Unterrichts waren zwei Kurse: das Trivium und das Quadrivium. Diese Aufteilung hatte sich schon in den letzten Zügen des Römischen Reiches ausgebildet, sie folgte einem ursprünglich griechischen  Konzept (nach den sieben Wissenschaften lateinische Grammatik, Dialektik (Logik), Rhetorik (Redekunst) und Musik, dann: Arithmetik, Geometrie und Naturkunde, Astrologie und Astronomie, die aber nur von „frei Geborenen“ erlernt wurden. Außer solchen höheren Unterrichtsanstalten gab es auch schon damals Pfarrschulen, in denen die Kinder umsonst unterrichtet und erzogen wurden.[10] [10]Der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung betrug während des gesamten Mittelalters … etwa 90 Prozent. Die Bauern gehörten zum dritten Stand, der die Basis für den Reichtum des ersten und zweiten Standes, die Geistlichkeit (den Klerus) und ‚den‘  Adel, erarbeitete und für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sorgte. Obwohl die Bauern diese gesellschaftlich wichtige Aufgabe erfüllten, war ihr Ansehen niedrig. … Die Rechte der Bauern hingen weitgehend davon ab, welchen Status sie innerhalb ihres Standes innehatten. So gab es die freien, die halbfreien und die unfreien Bauern. Für Halbfreie und Unfreie bedeutete das Rechts- und Wirtschaftssystem … , dass sie sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich und sozial von ihren Grundherren abhängig waren. (Quelle: https://www.leben-im-mittelalter.net/alltag-im-mittelalter/arbeit-und-berufe/bauern.html)

Lesen Sie diese abstrakten Begriffe noch einmal nach, dann können Sie meine Formulierung von der Emanzipation der deutschen Sprache (vielleicht) akzeptieren.

Den kulturellen Wendepunkt in dieser immer noch beschaulichen Welt des Mittelalters brachte die

Erfindung des Buchdrucks.

Das Frühe Neuhochdeutsch

Die Anfänge der Geschichte des Buchdrucks sind in China, Babylon und Rom zu finden. Es waren zumeist einzelne Papiere, die als Ganzes aus einer dicken Holzplatte geschnitzt und dann „abgedruckt“ wurden. So wurden auch ganze Bücher hergestellt,  Blatt für Blatt . . .

Weiterentwickelt hat dieses Verfahren der Mainzer Johannes Gutenberg, der um 1450 die austauschbaren Lettern (Buchstaben für den späteren, spiegelverkehrten Abdruck ) einführte. So breitete sich die Kunst des Buchdrucks bald in ganz Europa und schließlich in der ganzen Welt aus. Eine der bekanntesten Buchdruckereien war die Frankfurter Werkstatt, die Gutenberg eingerichtet hatte.

In jener Zeit standen den „Holzdruckern“ verschiedene Kanzleisprachen zur Auswahl. Johannes Gutenberg revolutionierte mit seiner Erfindung, Texte halbmaschinell zu drucken, indem er lose Buchstabenklötze (Blei-Lettern) auf einem „Setzschiff“ (eine Winkelleiste) zu einer Textzeile aneinanderreihte – spiegelverkehrt natürlich – und diese, Zeile für Zeile zu einer Druckseite zusammensetzte. Jede Seite wurde dann „per Hand“ abgedruckt. Die Lettern mussten einzeln in Blei gegossen und nach Gebrauch für den nächsten Text wieder (in „ihre“ Kästen) einsortiert werden, der Handdruck erfolgte zunächst wie ein (großer) Stempeldruck, bald aber über massive Walzen, die mit Kurbeln und Muskelkraft über den Stempel und das darunter liegende weißen Papier gerollt wurden; – alles war schwere und schwierige Arbeit, Fehler waren – bei einem so großen Arbeitsaufwand – tunlichst zu vermeiden.  Aber das Buchdrucker-Handwerk boomte, gedruckte Texte aller Art eroberten rasend schnell die Welt, viele Menschen lernten lesen, unsere Gesellschaft erfuhr eine literarische Zivilisation ohnegleichen!

Die Druckerpresse hatte ermöglicht, innerhalb von nur Wochen Texte in hunderten von Exemplaren herzustellen, wofür früher, hätten Mönche sie mit der Hand geschrieben, Jahrzehnte nötig gewesen wären! Hatte es zuvor für die meisten Menschen keinen Sinn gehabt, überhaupt lesen zu lernen, da es kaum etwas zu lesen gab, so war mit einem Male die geschriebene Sprache breiten Bevölkerungsschichten zugänglich: Gedruckte Bücher, Flugschriften und Kirchenlieder wurden zu den ersten Massenmedien der Geschichte.

Und genau in diese aufregende Zeit hinein kam Luthers Kritik an den alten religiösen Ritualen der katholischen Kirche, kam die Bibel für alle – in deutscher Sprache! Wegen der enormen Horizonterweiterung, welche die europäische Gesellschaft dadurch erfuhr, darf die Erfindung des Druckens als epochales Ereignis gelten, als eines der Scheidemomente zwischen Mittelalter und Neuzeit, gleichrangig neben der Reformation und der Entdeckung Amerikas. [s.u.: 8. Zwischenbemerkung]

Abb. 87: Eine Seite aus der Gutenberg-Bibel

Martin Luther bediente sich der Meißner Kanzleisprache, die sich aus der ost-mitteldeutschen Mundart entwickelt hatte. Durch seine volksnahe Sprachneigung und seine Ausdruckskraft gestaltete er diesen Dialekt zu einer lebendigen Schriftsprache. – Die meisten Neuerungen, die hier notiert werden, entwickelten (und entwickeln) sich sehr ungleichmäßig, zeitlich stark versetzt und in manchen Dialekten auch nur eingeschränkt. Darum bezeichnet man  diese lange Phase des Übergangs weiterhin bis 1650 als Frühneuhochdeutsch, trotz der Turbulenzen in der Zeitgeschichte – siehe oben!

Gedruckte Texte (Blätter, Heftchen) eroberten nun auch die Schulen. Zum Beispiel gab es in evangelischen  Landesteilen Luthers kleinen Katechismus, der sich bis in meine Schulzeit gehalten hat. Im Konfirmanden-Unterricht lernten wir Luthers überarbeitetes „Lernbuch“ kennen.[13]

Die achte Zwischenbemerkung:

Wirtschaftliche Erfolge und die zahlrechen Entdecker-Abenteuer  verbinden sich mit dem wissenschaftlichem Fortschritt und verschieben die Machtmonopole Europas: Spanien und Portugal (und nach ihnen Holland und England) übernehmen die See- und Handelsmonopole der arabischen und norditalienischen (griechischen!) Großkaufleute der frühen Jahrhunderte n.Chr., zumal die Eroberung des weströmischen Reiches durch die Türken  und die folgende Vertreibung aller byzantinischen Kunst und Gelehrsamkeit diesen materiellen Niedergang noch verstärkt hatten. So traten die gesellschaftlichen Einstellungen und die Hinwendung zu den Menschen und zur Natur – statt ausschließlich zu Gott – noch stärker in den Vordergrund. Humanismus wird diese Gedankenwelt genannt[11] [11]Humanismus, eine Geistesbewegung, die im Italien des 14. Jahrhunderts ihrer Ausgang nahm. Sie richtete am Bildungsideal der „alten“ Griechen aus: der Mensch und seine Erziehung wird in den Mittelpunkt aller Werte gerückt (noch heute genießen  die Humanistischen Gymnasien mit den Fächern Griechisch, Latein und den Naturwissenschaften in Deutschland besonderes Ansehen. Berühmte Humanisten der damaligen Zeit waren auch Vorbilder und Freunde von Martin Luther , und mit der Weltanschauung der Renaissance (das bedeutet Wiedergeburt des griechischen Ideals der natürlichen Schönheit [und Ästhetik])  setzte allmählich die Loslösung des Lebens von der Kirche ein (Säkularisierung / Verweltlichung). Die Bild-Künste des 15. Und des 16. Jahrhunderts ließen bei den flämischen und den deutschen Künstlern das neue Weltbild förmlich erblühen, – zusammen mit einer Bereicherung der Geisteswelt, die nur in wechselseitiger Befruchtung zur Entwicklung der Sprachen möglich (und denkbar) war.

Albrecht Altdorfer, 1522: Landschaft – Albrecht Dürer, 1498: Selbstbildnis – 1503: Das große Rasenstück

Abbildungen 88, 89, 90: Hinwendung zu Natur und Mensch statt nur zur Biblischen Geschichte

 

 

Albrecht Altdorfer (1480 – 1538), Regensburg Landschafts-Maler und Kupferstecher  der Renaissance.

Das 16. Jahrhundert gilt in der Geschichtswissenschaft als Beginn der Neueren Geschichte. (nach Ploetz)

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Das späte Mittelhochdeutsch

Welche Veränderungen traten im Sprechen des Spätmittelhochdeutschen und dieser Zeit ein, was unterscheidet unser Gegenwartsdeutsch im Wesentlichen sprachlich vom ausklingenden Mittelalter? – Anders als bei den früheren Lautverschiebungen handelt es sich hauptsächlich um Wechsel im Vokalsystem. Die meisten ahd./mhd. Kurzvokale wurden zu Langvokalen gedehnt, aus „leben“ (gesprochen wie „lebben“) wird nhd. „lêben“ (mit langem e), „varen“ wird zu „fahren“, wobei hier das h die neue Länge anzeigt; in das Wort „Friede“ ist ein e als Längenzeichen für das i eingeführt, nachdem das mhd. „fride“ gedehnt worden war. Umgekehrt wurden an anderen Stelle alte Langvokale verkürzt. Auffälliger noch sind [12] [12]Monophthongierungen und Diphthongierungen Ein Monophtong ist ein (einfacher) Vokal: a – e – i – o – u, ein Diphtong wird aus zwei Vokallauten gebildet („Doppellaut“): a+e = ä; e+i = ei  usw. -: Im ersten Fall wird aus einem Zweifach-Laut (z.B. uo, üe) ein einzelner (u, ü), während im gegensätzlichen Fall sich z.B. ein langes einzelnes î in eine Verbindung aus zwei Vokalen verwandelt: ei oder ai, eu usw.

Doch auch im Konsonantismus sind einige Modifizierungen zu bemerken, die sich allerdings nur zum Teil auch schriftlich niedergeschlagen haben. Im Mhd. sagte man tatsächlich „spi(e)len“ und „stad“ (Stadt), deshalb wurden die Wörter so geschrieben. Diese Schreibung ist geblieben, obwohl wir heute „schpielen“ und „Schtadt“ sprechen:

Der lautliche Wechsel von s zu sch wurde frühmittelhochdeutsch auch ins Schriftliche eingeführt, so dass wir heute „schlafen“, „schmecken“, „Schnee“, „schwimmen“ sprechen und so auch schreiben (engl.: sleep, plattd. smecken, engl. snow, swim). Die Neuerungen in der Grammatik sind eher geringfügig:  Beim Verb ist  in der 3. Person Plural das t weggefallen („sie slafent“ > „sie schlafen“); die meisten anderen Formen waren schon beim Übergang vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen aufgeben. Im Kasussystem hat nur noch der Dativ sein altes e verloren („dem manne“ > „dem Mann“), und der Genitiv scheint als solcher allmählich in Vergessenheit zu geraten, aber das ist eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte, noch nicht des frühen Neuhochdeutschen.

Wie zu allen Zeiten, so drangen auch während der Periode des Neuhochdeutschen viele neue Wörter ein. Mit dem Niedergang der ritterlichen Gesellschaft ging der Einfluss des Französischen zunächst zurück.  Dafür wurde in der Renaissance das Lateinische wieder stärker (Der Dichter Andreas Greif nennt sich „Gryphius“, der Arzt Theophrast von Hohenheim „Paracelsus“). Indem zum ersten Mal auch ein Bewusstsein für „richtiges Schreiben“ aufkam, setzte sich allmählich die Interpunktion (Zeichensetzung) durch, und Substantive wurden inzwischen auch mit Großbuchstaben am Anfang geschrieben. Ein sehr weites Feld ist auch das Thema der Bedeutungsveränderung von Begriffen: Das Wort „hübsch„, abgeleitet vom hochmittelalterlichen „hövesch“ (höfisch, den Idealen der ritterlichen Kultur entsprechend), bedeutete bald nur noch „schön aussehend„. Umgekehrt weitete sich die „Ursache„, zunächst nur „Anlass für einen Streit“ meinend, zu dem heutigen allgemeinen „Beweggrund“ aus. Besonders zahlreich sind die Beispiele für Bedeutungsverschlechterung: So war die „dîerne“ (Dirne) noch im Mittelhochdeutschen einfach nur ein junges Mädchen. Diese Bedeutung hat sie übrigens bis heute im bayerischen und niederdeutschen Dialekt behalten, während das Wort im Hochdeutschen mit „Prostituierte“ gleichbedeutend ist.

Unsere Sprachgeschichte nähert sich im folgenden Post 18 dem Hochdeutschen, wie wir es heute (noch) kennen.

 

Anmerkungen

[1] Amerikaner benutzen das Wort Writer, das klingt treffender als „unser“ Wort Autor

[2]  Allein aus dem Mittelhochdeutschen werden sich beizeiten abweichende österreichische und Schweizer ‚Klänge‘ eingestellt haben, die skandinavischen und überhaupt alle Muttersprachen zeichnen sich nicht nur durch ihr eigenes Vokabular (den Wortschatz) aus, sondern durch die spezielle Sprachmelodie, die Dynamik der Aussprache (Betonung bzw. Vernachlässigung von Silben) und viele andere Merkmale

[3]  Bei meiner Beschäftigung mit dem Jacob-Artikel (siehe Einleitung/Post 1) fiel mir der veraltete Begriff „indogermanisch“ anstelle von „indoeuropäisch“ wieder auf; ich nehme an, dass der Autor (Jacob) hier keine Verwirrung stiften wollte: In dem oben sinngemäß zitierten Absatz (Thema: Zweite Lautverschiebung) geht es genau um die Völkerwanderung, die ich zu Beginn des Posts angesprochen habe: Einige Volksgruppen hatten ihre angestammten Gebiete verlassen, andere waren geblieben ..

[4]. . . und die Insel-englischen Sprachen haben wieder andere Klangwege beschritten

[5]  Für die Geschichtswissenschaft beginnt das Mittelalter bereits um 300 n.Chr. mit den Ende der Antike (vgl. Post 3!), also mit dem Niedergang des Römischen Weltreiches. Und es endet mit den Entdeckungen der Neuen Welt, etwa um 1500. – Eine derart grobe Zeiteinteilung läuft nicht nur vielen anderen Fachwissenschaften, z. B. der Kunstwissenschaft, sondern auch unserem Thema – Geschichte der Muttersprachen Europas – zuwider. Die Völkerwanderung und die Verlagerung der ‚Großmacht-Verhältnisse‘ auf das Byzantinische Reich bis ins 8. Jahrhundert hinein erscheinen mir als zu bedeutend, beide Ereignisse nur als Vorstufe zum Mittelalter zu betrachten. – Ich halte es mit jenen Historikern, die diese Zeit – zwischen 800 und 1.100 n.Chr. als Frühmittelalter, 1.100 bis 1.500 als Hochmittelalter und 1.500 bis 1.700 als Spätmittelalter oder auch als Frühe Neuzeit bezeichnen.

[6]  Schon einmal – 1054 (im Frühmittelalter) – hatte es eine Glaubensspaltung gegeben, als nämlich das dominante neue Oströmische Reich dem Papst in Rom (der Metropole des alten Weströmischen Reiches) die Oberherrschaft über alle Christen beanspruchte, er erhielt jedoch nur die Macht über „seine“ Gläubigen, in seinem Reich. Die Trennung ist als morgenländisches Schisma in die Geschichte eingegangen

[7] Potential (auch: Potenzial) ist eine verborgene Leistungsfähigkeit, die entdeckt und trainiert werden kann, die aber auch mitunter überraschend zutage tritt und sich entfaltet: in der physischen (körperlichen) oder in der geistigen Umwelt, in Menschen, ihren Ideen oder bei Tieren. – Größere Zusammenhänge zu dem Begriff Kultur: Post 25.

[8] Natürlich stehen die großen Nachbarstaaten nicht hinter diesem Entwicklungsstand zurück, aber für die vielen Deutschen (noch ohne Nation) war in dieser Zeit des Mittelalters eine entscheidende Bewegung entstanden: sie empfanden sich vielleicht zum ersten Mal  als ein Volk,  das sich ‚gefunden‘ hatte, – auch durch die gemeinsame Schriftsprache.

[9]  Inhalt des Unterrichts waren zwei Kurse: das Trivium und das Quadrivium. Diese Aufteilung hatte sich schon in den letzten Zügen des Römischen Reiches ausgebildet, sie folgte einem ursprünglich griechischen  Konzept (nach den sieben Wissenschaften lateinische Grammatik, Dialektik (Logik), Rhetorik (Redekunst) und Musik, dann: Arithmetik, Geometrie und Naturkunde, Astrologie und Astronomie

[10] Der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung betrug während des gesamten Mittelalters … etwa 90 Prozent. Die Bauern gehörten zum dritten Stand, der die Basis für den Reichtum des ersten und zweiten Standes, die Geistlichkeit (den Klerus) und ‚den‘  Adel, erarbeitete und für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sorgte. Obwohl die Bauern diese gesellschaftlich wichtige Aufgabe erfüllten, war ihr Ansehen niedrig. … Die Rechte der Bauern hingen weitgehend davon ab, welchen Status sie innerhalb ihres Standes innehatten. So gab es die freien, die halbfreien und die unfreien Bauern. Für Halbfreie und Unfreie bedeutete das Rechts- und Wirtschaftssystem … , dass sie sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich und sozial von ihren Grundherren abhängig waren. (Quelle: https://www.leben-im-mittelalter.net/alltag-im-mittelalter/arbeit-und-berufe/bauern.html)

[11] Humanismus, eine Geistesbewegung, die im Italien des 14. Jahrhunderts ihrer Ausgang nahm. Sie richtete am Bildungsideal der „alten“ Griechen aus: der Mensch und seine Erziehung wird in den Mittelpunkt aller Werte gerückt (noch heute genießen  die Humanistischen Gymnasien mit den Fächern Griechisch, Latein und den Naturwissenschaften in Deutschland besonderes Ansehen. Berühmte Humanisten der damaligen Zeit waren auch Vorbilder und Freunde von Martin Luther.

[12] Monophthongierungen und Diphthongierungen Ein Monophtong ist ein (einfacher) Vokal: a – e – i – o – u, ein Diphtong wird aus zwei Vokallauten gebildet („Doppellaut“): a+e = ä; e+i = ei  usw. – 

[13] Katechismus:

Die neunte Zwischenbemerkung

Katechismus ist ein altes griechisches Wort, frei ‚übersetzt‘ Unterrichtsbuch, das auch die ‚Lateiner‘ übernommen hatten und das dann im frühen Christentum als Anfangsunterricht für Taufe und Christenlehre galt. Im Wesentlichen standen darin die zehn Gebote, die bis heute die Ethik- und Moral-Regeln des ganzen Christentums und wahrscheinlich auch aller Gläubigen dieser Welt prägen oder gar bestimmen. Ich gebe hier die aktuelle Fassung der 10 Gebote (des Katechismus) wieder, wie die evangelischen und die katholischen Kirchen sie verbreiten (Wikipedia); das ist auch der Wortlaut der 10 Gebote von Luthers   „kleinem Katechismus„, der nicht etwa Luthers ‚Erfindung‘ war, sondern dem Tanach, dem ältesten Heiligen Buch der Juden, als Papyrus-Funde (etwa 750 Jahre v.Chr.) beigefügt wurden. [Wikipedia:] Die Zehn Gebote, auch Zehn Worte (hebräisch עשרת הדיברות aseret ha-dibberot) oder Dekalog (altgriechisch δεκάλογος dekálogos) genannt, sind eine Reihe von Geboten und Verboten (hebr. Mitzwot) des Gottes Israels, JHWH (Jaweh), aus dem Tanach. Sie fassen .. das Verhalten [des Gottes] den Mitmenschen gegenüber zusammen. Sie haben im Judentum und Christentum zentralen Rang für die theologische Ethik und haben die Kirchen- und Kulturgeschichte Europas sowie des außereuropäischen Westens mitgeprägt. [Zitatende]

Ich meine: Humanismus ist eine urchristliche Weltanschauung. Dazu gehören auch noch das Gebet „Vater unser“ und das „Glaubensbekenntnis“ der Christen in der Ökumene (der Gesamtheit aller Christen): Zitat:

Grundlage der christlichen Ethik

Einzelne Gebote kennen viele aus dem Religionsunterricht: Du sollst nicht töten. Oder: Du sollst Mutter und Vater ehren. Nach biblischer Überlieferung hat Gott die Zehn Gebote dem Propheten Mose auf dem Berg Sinai übergeben. Sie sind im Alten Testament überliefert. Die Gebote regeln die Haltung des Menschen zu Gott und zu den Mitmenschen.

Das erste Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

Das zweite Gebot
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.

Das dritte Gebot
Du sollst den Feiertag heiligen.

Das vierte Gebot
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.

Das fünfte Gebot
Du sollst nicht töten.

Das sechste Gebot
Du sollst nicht ehebrechen.

Das siebte Gebot
Du sollst nicht stehlen.

Das achte Gebot
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.

Das neunte Gebot
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.

Das zehnte Gebot
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.

Hinweis:
Bei der Zählung der Gebote gibt es im Judentum und in den christlichen Kirchen unterschiedliche Traditionen. Die hier wiedergegebene Fassung folgt der lutherischen und römisch-katholischen Tradition. Eine andere Zählung ergibt sich dort, wo das Bilderverbot – „Du sollst dir kein Bildnis machen“ – als zweites Gebot aufgeführt wird, so in der anglikanischen, reformierten und orthodoxen Tradition. Dort werden dann „neuntes“ und „zehntes“ Gebot als ein Gebot verstanden.

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Das erste Gebot, nur das erste Gebot betont die zentrale, alles bestimmende Macht unserer/der Welt: Gott. Alle monotheistischen Religionen richten ihren Glauben an (nur) einen Gott: das Christentum mit etwa 2,3 Mrd. Anhängern (aller Konfessionen), der Islam mit etwa 1,6 Mrd. Anhän-gern, der Hinduismus (etwa 940 Mio. Anhänger), der Buddhismus (etwa 460 Mio. Anhänger) und das Judentum mit seinen etwa 15 Mio. Anhängern. (Monotheismus bedeutet: es gibt nur einen Herrscher der Welt und nicht viele Götter (= Polytheismus). –

Bei Durchsicht dieser Gebote müssen Sie feststellen, dass die Erwähnung von Gott zu Beginn eher einer Quellenangabe ähnelt als einem nur religiösen Bekenntnis (wenn es das vielleicht auch wirklich ist!), denn alle anderen ‚Gebote‘ richten sich auf unser (humanes!) Verhalten zu „den anderen Menschen“. Und damit stellen sie genau die humanistischen Werte und Normen unserer Gesellschaft und des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland dar.

Diese Werte und Normen (= der christliche [und jüdische] Katechismus) führen direkt zur demokratischen Verfassung der freiheitlichen Staaten unserer Welt, die den religiösen Glauben von der Regierung der Staaten trennt, die sich aber gleichzeitig unter das Dach des Christentums und des Humanismus stellt.

Anmerkungen   [ + ]

1. Amerikaner benutzen das Wort Writer, das klingt treffender als „unser“ Wort Autor
2. Allein aus dem Mittelhochdeutschen werden sich beizeiten abweichende österreichische und Schweizer ‚Klänge‘ eingestellt haben, die skandinavischen und überhaupt alle Muttersprachen zeichnen sich nicht nur durch ihr eigenes Vokabular (den Wortschatz) aus, sondern durch die spezielle Sprachmelodie, die Dynamik der Aussprache (Betonung bzw. Vernachlässigung von Silben und Buchstaben – vgl.Fonetik im Post 16) und viele andere Merkmale
3. Bei meiner Beschäftigung mit dem Jacob-Artikel (siehe Einleitung/Post 1) fiel mir der veraltete Begriff „indogermanisch“ anstelle von „indoeuropäisch“ wieder auf; ich nehme an, dass der Autor (Jacob) hier keine Verwirrung stiften wollte: In dem oben sinngemäß zitierten Absatz (Thema: Zweite Lautverschiebung) geht es genau um die Völkerwanderung, die ich zu Beginn des Posts angesprochen habe: Einige Volksgruppen hatten ihre angestammten Gebiete verlassen, andere waren geblieben ...
4. und die Insel-englischen Sprachen haben wieder andere Klangwege beschritten
5. Für die Geschichtswissenschaft beginnt das Mittelalter bereits um 300 n.Chr. mit den Ende der Antike (vgl. Post 3!), also mit dem Niedergang des Römischen Weltreiches. Und es endet mit den Entdeckungen der Neuen Welt, etwa um 1500. – Eine derart grobe Zeiteinteilung läuft nicht nur vielen anderen Fachwissenschaften, z. B. der Kunstwissenschaft, sondern auch unserem Thema – Geschichte der Muttersprachen Europas – zuwider. Die Völkerwanderung und die Verlagerung der ‚Großmacht-Verhältnisse‘ auf das Byzantinische Reich bis ins 8. Jahrhundert hinein erscheinen mir als zu bedeutend, beide Ereignisse nur als Vorstufe zum Mittelalter zu betrachten. – Ich halte es mit jenen Historikern, die diese Zeit – zwischen 800 und 1.100 n.Chr. als Frühmittelalter, 1.100 bis 1.500 als Hochmittelalter und 1.500 bis 1.700 als Spätmittelalter oder auch als Frühe Neuzeit bezeichnen
6. Schon einmal – 1054 (im Frühmittelalter) – hatte es eine Glaubensspaltung gegeben, als nämlich das neue Oströmische Reich dem Papst in Rom (der Metropole des alten Weströmischen Reiches) die Oberherrschaft über alle Christen beanspruchte; es erhielt jedoch nur die Macht über „seine“ Gläubigen, in seinem Reich. Seit der Zeit – um 1050 – gibt es („in der Ostkirche“) die orthodoxen Christen. Diese Trennung ist als morgenländisches Schisma in die Geschichte eingegangen
7. Potential (auch: Potenzial) ist eine verborgene Leistungsfähigkeit, die entdeckt und trainiert werden kann, die aber auch mitunter überraschend zutage tritt und sich entfaltet: in der physischen (körperlichen) oder in der geistigen Umwelt, in Menschen, ihren Ideen oder bei Tieren. – Größere Zusammenhänge zu dem Begriff Kultur: Post 25.
8. Natürlich stehen die großen Nachbarstaaten nicht hinter diesem Entwicklungsstand zurück, aber für die vielen Deutschen (noch ohne Nation) war in dieser Zeit des Mittelalters eine entscheidende Bewegung entstanden: sie empfanden sich vielleicht zum ersten Mal  als ein Volk,  das sich ‚gefunden‘ hatte, – auch durch die gemeinsame Schriftsprache
9. Inhalt des Unterrichts waren zwei Kurse: das Trivium und das Quadrivium. Diese Aufteilung hatte sich schon in den letzten Zügen des Römischen Reiches ausgebildet, sie folgte einem ursprünglich griechischen  Konzept (nach den sieben Wissenschaften lateinische Grammatik, Dialektik (Logik), Rhetorik (Redekunst) und Musik, dann: Arithmetik, Geometrie und Naturkunde, Astrologie und Astronomie
10. Der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung betrug während des gesamten Mittelalters … etwa 90 Prozent. Die Bauern gehörten zum dritten Stand, der die Basis für den Reichtum des ersten und zweiten Standes, die Geistlichkeit (den Klerus) und ‚den‘  Adel, erarbeitete und für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sorgte. Obwohl die Bauern diese gesellschaftlich wichtige Aufgabe erfüllten, war ihr Ansehen niedrig. … Die Rechte der Bauern hingen weitgehend davon ab, welchen Status sie innerhalb ihres Standes innehatten. So gab es die freien, die halbfreien und die unfreien Bauern. Für Halbfreie und Unfreie bedeutete das Rechts- und Wirtschaftssystem … , dass sie sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich und sozial von ihren Grundherren abhängig waren. (Quelle: https://www.leben-im-mittelalter.net/alltag-im-mittelalter/arbeit-und-berufe/bauern.html)
11. Humanismus, eine Geistesbewegung, die im Italien des 14. Jahrhunderts ihrer Ausgang nahm. Sie richtete am Bildungsideal der „alten“ Griechen aus: der Mensch und seine Erziehung wird in den Mittelpunkt aller Werte gerückt (noch heute genießen  die Humanistischen Gymnasien mit den Fächern Griechisch, Latein und den Naturwissenschaften in Deutschland besonderes Ansehen. Berühmte Humanisten der damaligen Zeit waren auch Vorbilder und Freunde von Martin Luther
12. Monophthongierungen und Diphthongierungen Ein Monophtong ist ein (einfacher) Vokal: a – e – i – o – u, ein Diphtong wird aus zwei Vokallauten gebildet („Doppellaut“): a+e = ä; e+i = ei  usw. -
besonders feine footnotes