Post 5: Sprechen

Post 5: Vermutungen über das unterschiedliche Sprechen

Zum Beitragsbild: In der Sprachwissenschaft ist die Morphologie die Lehre von den Formen der Wörter. Es geht um die Regeln, nach denen Wörter geformt werden oder – zu weiteren Wörtern – umgeformt werden. Das Wort Unmorphologie ist so gar nicht bildbar, es ist unsinnig (wie alle Wörter dieses Beitragsbildes). Schmunzeln beim Lesen ist erlaubt.

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Im vorigen Post habe ich die Frage gestellt: woher kommen so viele Sprachen wie es (wahrscheinlich) Völker gegeben hat? Wie kommt es zu einer so breit gestreuten Sprachvielfalt? Es wäre doch viel hilfreicher für unsere Ururahnen gewesen, wenn der Fortschritt (was auch immer er bedeutet) einsprachig den indoeuropäischen Raum erobert hätte!

Zur Beantwortung haben uns die Sprachhistoriker bisher kaum weiterhelfen können. Sie haben „nur“ gemacht, was alle Historiker tun: sie forschten (und forschen), von ihrer Gegenwart ausgehend, zurück in die Vergangenheit. Schriften gab es nicht, aber Höhlenmalereien, deren ‚Malgründe‘, die Felswände dieser Höhlen, ziemlich sicher (von Geologen[1]) datiert werden können. [1]Ein Geologe ist ein Gesteinsforscher, er hat die Gesteine und Erden unserer Erdkruste – und deren Alter – studiert Um die menschliche Fähigkeit zur Kommunikation zu untersuchen, benötigt man sämtliche anthropologischen Wissenschaftsbereiche[2] [2]Anthropologische Wissenschaften berühren alles, was mit Menschen zu tun hat: Humanwissenschaften wie Anatomie, Sozialgeschichte, Psychologie, Soziologie, Etymologie, die ganze Gruppe der Geistes- und der Kulturwissenschaften einschl. der klassischen Geschichtswissenschaft, der Kunstwissenschaft und der Philosophie. Aber es gibt auch unsere Zoologen, die im Altertum forschen (Paläontologen)[3]: [3]Zoologen sind Tierwissenschaftler und Paläontologen kennen sich mit „Urzeit-Tierfunden“ aus, die vor ca. 300- bis 500Millionen Jahren gelebt haben; laaange Zeit vor den Menschen Wir kennen alle die Tierwelt der damaligen Zeit mit den Mammuts, Höhlenlöwen usw. aus den Animationsfilmen und entsprechende, spannende Geschichten‘ aus der Urzeit[4] [4]Urzeit ist ein schwammiger Begriff unserer Umgangssprache, in unserer Fantasie (genährt durch eben diese Bilder und Filme), in denen mitunter die ersten Menschen auftauchten, obwohl die erst 200 Millionen Jahre später auf der Erde leben konnten – vgl. Post 1, Anm. 4!. Wir wissen inzwischen – vgl. Kapitel IEntwicklungsgeschichte der Menschheit, dass Europa, vor 60- oder 50.000 Jahren nur spärlich besiedelt war, aber immerhin besiedelt[5]. [5]Zur damaligen Bevölkerungsdichte im heute deutschsprachigen Raum habe ich keine haltbaren Angaben gefunden, auch keine Schätzwerte. Das lässt mich vermuten, dass die Besiedlung maximal bei 10 bis 20 Menschen pro km2 lag Es fällt mir schwer zu glauben, dass jemand sich über diese riesigen Zeiträume konkrete Vorstellungen machen kann. Darum versuche ich noch einmal, aus der Sicht eines Erzählers die Vergangenheit zu erfassen:

Abb. 11: de.wickipedia.org.jgg

Rund 10.000 Jahre nach der letzten Kaltzeit war die einstmals karge Heide- und Moos-Vegetation der Tundra allmählich zurückgedrängt worden. Doch „schon“ 4.000 Jahre später (!) war der ganze Norden Europas – von Nordspaniens Atlantikküste bis zum Ural, – ausschließlich des Mittelmeerraumes und der Länder südlich der Alpen, der Karpaten und des Kaukasus, – „begrünt“ und mit artenreichen Wald- und Steppenlandschaften ausgestattet. 

Abb. 12: Urwald – aus einer Bilderserie über Polens Urwälder
Abb. 13: Germanische Gefäße – Museum Koeln

Allerdings traf man Menschen nur selten an, so dass suchenden Siedlern die Gegenden unbewohnt erschienen. Jäger und Sammler und ihre Familien (‚Steinzeitmenschen‘) hatten gerade begonnen, aus Feldsteinen und Reisig Lagerhütten für ihre Vorräte zu bauen.  Und natürlich hatten sie „ihre“ eigene Sprache. Und die nächsten ‚Großgruppen‘, vielleicht hunderte von Kilometern entfernt, hatten auch ihre eigenen. Sie alle zogen mit Tongefäßen, einigen Hausgeräten und primitiven Waffen durch ihre „Ernte- und Jagdgebiete“. Manche in „den Bergen“ – mit Höhlen, andere in Sumpfgebieten, an Flüssen oder Seen. Die brauchten Häuser auf Pfählen, hatten Boote und Fischfanggeräte, die anderen mussten Steine behauen und hatten Fallen, Felle und Stein-Geschosse. Wieder andere Menschen kamen vorbei, die für sich und ihre Familien eine feste Bleibe suchten, in einem geeigneten Gelände, wo sie Lager errichten wollten und sich ein möglichst friedliches und auskömmliches Leben erhofften, viele hatten sogar schon einige Tiere an ihre Gemeinschaft gewöhnt. Aber diese „Besetzungen“ geschahen zumeist nicht durch riesige Heere von Kriegern, sondern eher durch überschaubar große Volksgruppen, die sich allenfalls aus einigen befreundeten Großfamilien zusammengefunden hatten – drei oder vier Generationen umfassend. – Die Menschen lebten dann einige Zeit, vielleicht sogar mehrere Jahre lang „unter sich“ und oft auch ungestört. Vielleicht war die Gruppe nach 50 oder 100 Jahren auf 300 Köpfe angewachsen und verstand sich inzwischen als ‚Stamm‘ oder zumindest als Teil eines größeren ‚Volksstamms‘, sie hatte in dieser Zeit des engen Zusammenlebens und ihrer existentiell bedingten sozialen Geschlossenheit ganz eigene Lebenserfahrungen gemacht, eigene Regeln zum Leben in ihrer Gemeinschaft aufgestellt – und sich dafür auch eigene sprachliche (Rede-)Wendungen und Begriffe angeeignet, teils innovativ, teils nur „anders klingend“ als vor der Siedlungszeit… 

Wir sollten uns hüten zu denken, die Kommunikation dieser Jungsteinzeit-Menschen sei auf einem Niveau von Kleinkindern (im Alter von etwa 2 bis zu 4 Jahren) oder so ähnlich erfolgt.  –  Das Gegenteil wird eher der Fall gewesen sein: Museen zeigen uns, wie hoch die Alltagskultur sich zwischen der Stein- und der Eisenzeit entwickelt hatte[6] [6]Darum erlaube ich mir, Ihnen noch einmal eine Anmerkung aus dem vorigen Post anzubieten: Die „Frühgeschichte“ unterteilt diese Jungsteinzeit in auffallend viele Zeitstufen oder Epochen ein, weil von 2.500 v.Chr. an auch die Menschen Mitteleuropas große kulturelle Fortschritte erzielten, – oft angeregt durch „Zugewanderte“, die Neues aus den Hochkulturen des Orients „mitbrachten“ oder vorführten: So kam die Metallgewinnung „in den Norden“: So kam die Bronzezeit (ab 1.800 v.Chr.) zu uns und knapp 1.000 Jahre später auch die Eisenzeit.  Aus den Nomadenvölkern der Jäger und Sammler waren längst Sesshafte geworden (Achtung: die später einsetzende Völkerwanderung ist nicht mit dem Nomadentum [Nomadismus der alten Steinzeit] zu verwechseln!), in der die Menschen große und kleine Wildtiere zu Haustieren domestiziert („an das Haus gewöhnt„) hatten, und in der zunehmend auch Handel mit benachbarten oder fernen Völkern getrieben wurde. Inzwischen hatten die Menschen sich zu Volksstämmen zusammengefunden, jeweils eigene Sitten und Gebräuche und damit Rechte und Pflichten, Ehre, Respekt und Gehorsam zu leben gelernt … und dafür auch sprachliche Formulierungen gefunden.

Die Frauen und Männer hatten über viele Generationen ihre Sinne und ihre körperlichen Fähigkeiten zu schärfen und einzusetzen gelernt, hatten gelernt, Natur und Fremdes schnell und genau zu beobachten und daraus Nutzen für das eigene Leben zu ziehen, hatten gelernt, auf die ständig sie umgebende „natürliche“ Gefahr, auf plötzliche Begegnungen mit wilden Tieren und auftauchenden Hindernissen schnell zu reagieren, weil das lebenswichtig sein konnte.[7] [7]Eine erhöhte Wachsamkeit – in Stress- oder Gefahr-Situationen entwickeln wir heute noch am häufigsten im Straßenverkehr, wobei dann gern vom „siebten Sinn“ gesprochen wird. Aber auch da sind wir zumeist untrainiert, weil die eigene Angst oder Panik oder Hektik uns zu unangemessenen Reaktionen verleitet. ‚Damals‘ war die Lebensgefahr viel realistischer; ich nehme an, die Instinkte und Reflexe unserer Vorfahren waren geschärfter und sicherer, so, wie die der (wilden) Tiere ihrer Umgegend; denn fast alle waren Jäger und Gejagte

… Wahrscheinlich waren auch ab und zu wandernde Händler oder ‚Handwerker‘ vorbeigekommen – und hatten ihrerseits „neue“ Wörter da gelassen. Ach ja, und kleine Verteidigungskämpfe des „eigenen“ Gebietes oder strategisch vorbereitete Eroberungskämpfe für ein besseres Landstück wird es auch gegeben haben. Aber Stammesgebiete entstanden erst später, und nach dem friedlichen oder siegreichen Abschluss solcher Begegnungen wurde man auch allmählich wieder „sprachlich“ einig.[8] [8]Um 200 n.Chr. erforschten römische Schreiber als ‚Protokollanten‘ der römisch-kaiserlichen Soldaten erste Stammesgebiete germanischer Volksstämme, „staatsähnliche“ Reiche entstanden danach erst um 500 n.Chr.

Übertragen Sie diese szenische Einblendung auf den europäischen oder/und auf den germanischen Sprachraum und seine mehrere tausend Jahre andauernde Entwicklung, und dieser Gedankengang wird zu einem ganz und gar „unhistorischen“, aber unverzichtbaren Denkmodell für das Verstehen des Auseinanderdriftens der indoeuropäischen Ursprache. Blenden Sie nun bitte um auf das Eindringen der Römer, der Menschen aus einer fortschrittlicheren Kultur:

Abb. 14 – Germanen und Römer, Handel am Rhein

Abb. 14: id5e0a17-78c4-4677-9577-9fb786f2091e.jpg

Und vergegenwärtigen Sie sich nur einmal, von wie vielen plattdeutschen Dialekten, von wie unterschiedlichen deutschen Mundarten Sie persönlich wissen oder gehört  haben[9] [9]1990 wurden über 80 Dialekte und Mundarten gezählt – ohne das „Deutsche“ in Österreich und der Schweiz.  Dass dabei auch völlig andere Begriffe für die gleichen Alltagsgegenstände oder für manche ähnlichen Gesten, Situationen, für das Aussehen oder die Beschreibung eines Ereignisses oder eines Geschehens auftauchen, weiß jeder, der sich mit Kreuzworträtseln befasst. –

Wenden wir uns nun der sicheren Seite der Sprachforschung zu,  Im nächsten Post lesen Sie von den Anfängen des Schreibens in Europa.

Anmerkungen:

[1] Ein Geologe ist ein Gesteinsforscher, er hat die Gesteine und Erden unserer Erdkruste – und deren Alter – studiert

[2] Anthropologische Wissenschaften berühren alles, was mit Menschen zu tun hat: Humanwissenschaften wie Anatomie, Sozialgeschichte, Psychologie, Soziologie, Etymologie, die ganze Gruppe der Geistes- und der Kulturwissenschaften einschl. der klassischen Geschichtswissenschaft, der Kunstwissenschaft und der Philosophie

[3] Zoologen sind Tierwissenschaftler und Paläontologen kennen sich mit „Urzeit-Tierfunden“ aus, die vor ca. 300- bis 500Millionen Jahren gelebt haben; laaange Zeit vor den Menschen

[4]  Urzeit ist ein schwammiger Begriff unserer Umgangssprache, in unserer Fantasie (genährt durch eben diese Bilder und Filme), in denen mitunter die ersten Menschen auftauchten, obwohl die erst 200 Millionen Jahre später auf der Erde leben konnten – vgl. Post 1, Anm. 4! –

[5] Zur damaligen Bevölkerungsdichte im heute deutschsprachigen Raum habe ich keine haltbaren Angaben gefunden, auch keine Schätzwerte. Das lässt mich vermuten, dass die Besiedlung maximal bei 10 bis 20 Menschen pro km2 lag

[6] Darum erlaube ich mir, Ihnen noch einmal eine Anmerkung aus dem vorigen Post anzubieten: Die „Frühgeschichte“ unterteilt diese Jungsteinzeit in auffallend viele Zeitstufen oder Epochen ein, weil von 2.500 v.Chr. an auch die Menschen Mitteleuropas große kulturelle Fortschritte erzielten, – oft angeregt durch „Zugewanderte“, die Neues aus den Hochkulturen des Orients „mitbrachten“ oder vorführten: So kam die Metallgewinnung „in den Norden“: So kam die Bronzezeit (ab 1.800 v.Chr.) zu uns und knapp 1.000 Jahre später auch die Eisenzeit.  Aus den Nomadenvölkern der Jäger und Sammler waren längst Sesshafte geworden (Achtung: die später einsetzende Völkerwanderung ist nicht mit dem Nomadentum [Nomadismus der alten Steinzeit] zu verwechseln!), in der die Menschen große und kleine Wildtiere zu Haustieren domestiziert („an das Haus gewöhnt„) hatten, und in der zunehmend auch Handel mit benachbarten oder fernen Völkern getrieben wurde. Inzwischen hatten die Menschen sich zu Volksstämmen zusammengefunden, jeweils eigene Sitten und Gebräuche und damit Rechte und Pflichten, Ehre, Respekt und Gehorsam zu leben gelernt … und dafür auch sprachliche Formulierungen gefunden.

[7]  Eine erhöhte Wachsamkeit – in Stress- oder Gefahr-Situationen entwickeln wir heute noch am häufigsten im Straßenverkehr, wobei dann gern vom „siebten Sinn“ gesprochen wird. Aber auch da sind wir zumeist untrainiert, weil die eigene Angst oder Panik oder Hektik uns zu unangemessenen Reaktionen verleitet. ‚Damals‘ war die Lebensgefahr viel realistischer; ich nehme an, die Instinkte und Reflexe unserer Vorfahren waren geschärfter und sicherer, wie die der (wilden) Tiere ihrer Umgegend; denn fast alle waren Jäger und Gejagte

[8]  Um 200 n.Chr. erforschten römische Schreiber als ‚Protokollanten‘ der Soldaten erste Stammesgebiete germanischer Volksstämme, „staatsähnliche“ Reiche entstanden danach erst um 500 n.Chr.

[9] 1990 wurden über 80 Dialekte und Mundarten gezählt – ohne das „Deutsche“ in Österreich und der Schweiz.

Anmerkungen   [ + ]

1. Ein Geologe ist ein Gesteinsforscher, er hat die Gesteine und Erden unserer Erdkruste – und deren Alter – studiert
2. Anthropologische Wissenschaften berühren alles, was mit Menschen zu tun hat: Humanwissenschaften wie Anatomie, Sozialgeschichte, Psychologie, Soziologie, Etymologie, die ganze Gruppe der Geistes- und der Kulturwissenschaften einschl. der klassischen Geschichtswissenschaft, der Kunstwissenschaft und der Philosophie
3. Zoologen sind Tierwissenschaftler und Paläontologen kennen sich mit „Urzeit-Tierfunden“ aus, die vor ca. 300- bis 500Millionen Jahren gelebt haben; laaange Zeit vor den Menschen
4. Urzeit ist ein schwammiger Begriff unserer Umgangssprache, in unserer Fantasie (genährt durch eben diese Bilder und Filme), in denen mitunter die ersten Menschen auftauchten, obwohl die erst 200 Millionen Jahre später auf der Erde leben konnten – vgl. Post 1, Anm. 4!
5. Zur damaligen Bevölkerungsdichte im heute deutschsprachigen Raum habe ich keine haltbaren Angaben gefunden, auch keine Schätzwerte. Das lässt mich vermuten, dass die Besiedlung maximal bei 10 bis 20 Menschen pro km2 lag
6. Darum erlaube ich mir, Ihnen noch einmal eine Anmerkung aus dem vorigen Post anzubieten: Die „Frühgeschichte“ unterteilt diese Jungsteinzeit in auffallend viele Zeitstufen oder Epochen ein, weil von 2.500 v.Chr. an auch die Menschen Mitteleuropas große kulturelle Fortschritte erzielten, – oft angeregt durch „Zugewanderte“, die Neues aus den Hochkulturen des Orients „mitbrachten“ oder vorführten: So kam die Metallgewinnung „in den Norden“: So kam die Bronzezeit (ab 1.800 v.Chr.) zu uns und knapp 1.000 Jahre später auch die Eisenzeit.  Aus den Nomadenvölkern der Jäger und Sammler waren längst Sesshafte geworden (Achtung: die später einsetzende Völkerwanderung ist nicht mit dem Nomadentum [Nomadismus der alten Steinzeit] zu verwechseln!), in der die Menschen große und kleine Wildtiere zu Haustieren domestiziert („an das Haus gewöhnt„) hatten, und in der zunehmend auch Handel mit benachbarten oder fernen Völkern getrieben wurde. Inzwischen hatten die Menschen sich zu Volksstämmen zusammengefunden, jeweils eigene Sitten und Gebräuche und damit Rechte und Pflichten, Ehre, Respekt und Gehorsam zu leben gelernt … und dafür auch sprachliche Formulierungen gefunden
7. Eine erhöhte Wachsamkeit – in Stress- oder Gefahr-Situationen entwickeln wir heute noch am häufigsten im Straßenverkehr, wobei dann gern vom „siebten Sinn“ gesprochen wird. Aber auch da sind wir zumeist untrainiert, weil die eigene Angst oder Panik oder Hektik uns zu unangemessenen Reaktionen verleitet. ‚Damals‘ war die Lebensgefahr viel realistischer; ich nehme an, die Instinkte und Reflexe unserer Vorfahren waren geschärfter und sicherer, so, wie die der (wilden) Tiere ihrer Umgegend; denn fast alle waren Jäger und Gejagte
8. Um 200 n.Chr. erforschten römische Schreiber als ‚Protokollanten‘ der römisch-kaiserlichen Soldaten erste Stammesgebiete germanischer Volksstämme, „staatsähnliche“ Reiche entstanden danach erst um 500 n.Chr.
9. 1990 wurden über 80 Dialekte und Mundarten gezählt – ohne das „Deutsche“ in Österreich und der Schweiz

Post 10: Sprachen ugrischen Ursprungs

In der Abbildung 9 (Post 4) sind mehrere Gebiete in graugrünen Farbtönen zu sehen. So habe ich die Länder mit urgrischen Muttersprachen gekennzeichnet.

Das Beitragsbild hier bezieht sich allerdings nur auf die in Nordeuropa angesiedelten ugrisch sprechenden Völker; Sie sehen ein Ren oder Rentier, das als Herden- und „Haustier“ in den Taiga-und Tundra-Gebieten in den Nordpolarzonen Amerikas und Eurasiens lebt, die Samen betreiben bis heute Ren-Wirtschaft (s.u.). Die Tiere sind eine Hirschart, maximal 1,50 m hoch und der westlichen Welt auch als Zugtiere für den Schlitten des Weihnachtsmannes bekannt. Bitte nicht mit dem großen Nachbarn im Norden, dem Elch, verwechseln!

Post 10: Die ugrischen Sprachen

Ugrische Sprachen  kommen aus asiatischen Regionen, – aus nordwestlichen Gebieten von Sibirien, „hinter“ dem Ural.

Der Ural ist ein schmaler, aber 2.400 km langer Gebirgszug von maximal 2.000 m Höhe. Er zieht sich von der Küste der Karasee (Arktisches Meer) im Norden fast bis zum Kaspischen Meer im Süden und bildet so die natürliche Grenze zwischen Europa und Asien.

„Hinter dem Ural“ – auf der asiatischen Seite also, fließen die Gebirgsbäche und -flüsse in zwei Strömen ab: im fast 4.000 km langen Ob  nach Norden in den Arktischen Ozean – und im Ural(-Strom), fast 2.000 km lang, nach Süden in das Kaspische Meer. Dieser Ural-Fluss bildet gleichzeitig die Verlängerung der eurasischen Grenzlinie bis zum Kaspischen Meer.

‚Jenseits‘ dieser natürlichen Grenzen liegen die Ursprungsgebiete der seit 3.000 Jahren ugrisch sprechenden Volksstämme. Diese Stämme wurden wahrscheinlich schon vor zehntausend Jahren von innerasiatischen Völkern (u. a. von „Reiternomaden“) aus der noch kälteren Tundra, einer Steppe mit wenig Waldbewuchs, bedrängt. -Einige ugrische Volksstämme zogen darum fort, – über das Gebirge in nordwestliche Richtung an die Ostseeküsten oder in südwestliche Richtung in die fruchtbaren Puszta-Landschaften des heutigen Ungarns. Paläontologen [1]Paläontologen sind Forscher, die alles Leben der Alten Geschichte untersuchen („Urzeit-Forscher“, denen wir die Bilder unserer Steinzeit verdanken schätzen diese Zuwanderungen auf Zeiten zwischen vier und dreitausend Jahre v. u. Z. [1,2] [2]v. u. Z.:  eine Abkürzung für vor unserer Zeitrechnung„, die ich bei Wiktionary gefunden habe – mit folgender Begründung: „diese Abkürzung wurde als Synonym zu v.Chr. geschaffen, da die Bezeichnung vor Christus religiös nicht neutral sei“. – Ich habe die Abkürzung noch nicht benutzt, und ich werde sie auch nicht benutzen, seit heute aus vier Gründen: 1., weil das bisher allgemein übliche Kürzel v.Chr. bzw. n.Chr. mir sachlich mehr Informationen liefert; 2., weil ich nicht weiß, wer oder was hinter Wiktionary steckt – im Gegensatz zu dem allgemein üblichen Kürzel (vgl. Post 1, Anmerkung 1!). – Der wichtigste Grund aber ist, dass die Kultur unserer Welt dem Christentum so unglaublich viel zu verdanken hat: Dafür bezeuge ich uns allen der Christenheit und dem christliche Glauben den Respekt, der auch jedem anderen Autor gezollt wird. – Außerhalb dieser unnützen Argumentation und außerhalb meines Bekenntnisses zum Christlichen Glauben fühle ich mich in meiner Ablehnung bestärkt angesichts der Akzeptanz des üblichen Kürzels durch alle mir bekannten, internationalen, wissenschaftlichen und theologischen Institutionen. „Religiös“ wäre m.E. die allgemein übliche Abkürzung, wenn sie für „vor Christi Geburt“ stehen würde. Mit „unsere Zeitrechnung“ verbinden die meisten Lesenden wahrscheinlich genau so viel (oder wenig) wie mit „vor Christus“

10: Finnland

Abb. 34: Der Dom in Helsinki (Fuhrmann)

Helsinki Cathedral in Finland. Summer season.

http.//www.nationalflaggen.fahne-finnland.de

Einer dieser ugrischsprachigen Stämme kam etwa um 2.000 v.Chr. aus Sibirien nach Ost-Skandinavien, zunächst am  nördlichen Eismeer entlang, um dann im heutigen Finnland zu siedeln. Die fenno-ugrische Sprache hatte sich wohl schon auf der jahrhundertelangen Wanderung der Menschen von der Stammsprache entfernt, wie wir das von den frühen indoeuropäischen Sprachen auch erfahren haben. Ab 1.500 n.Chr. kann sich die fenno-ugrische Sprache aber auch als Schriftsprache präsentieren: Ihr König Wasa hatte die Bibel übersetzen lassen und 30 Jahre später seinem Volk den protestantischen Glauben ‚verordnet‘.

11: Lappland und die Samen

Samische Fahne. http://www.nationalflaggen.de/flagge- samen.html
  1.  Um 1.000 v.Chr. hatte sich in Skandinavien das Nomadenvolk der Samen einen eigenständigen Status ertrotzt, mit eigener Kultur und seiner sämischen Sprache, dem Sami, einer fenno-urgischen Abart mit großen Anteilen einer weiteren nordischen Ursprache. Bis zum 17. Jahrhundert waren die Lappen, wie sie auch genannt werden, ein wanderndes Jägervolk gewesen, vielleicht den Indianern Nordamerikas  vergleichbar; fortan lebten sie teilweise innerhalb der nationalen Gesellschaften Schwedens, Norwegens und besonders Finnlands, bis heute noch mehrheitlich von der Rentier-Wirtschaft. Samen sind auch im Nordosten Russlands und sogar bis zu den Küsten des Weißen Meeres und der Barentssee anzutreffen.

12:   Estland

ww.Nationalflagge. flagge-estland.de
Abb, 35: die Baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauem C Fuhrmann

– in der Landessprache: EESTI – liegt auch am Finnischen Meerbusen, der dort die europäischen Festlandstaaten von Finnland und Skandinavien trennt, im Osten nur von

12:   Estland

ww.Nationalflagge. flagge-estland.de
Abb, 35: die Baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauem C Fuhrmann

– in der Landessprache: EESTI – liegt auch am Finnischen Meerbusen, der dort die europäischen Festlandstaaten von Finnland und Skandinavien trennt, im

Russland benachbart. In diesem östlichen ‚Winkel‘ der Ostsee hatten sich – wie „in eine Ecke getrieben“ – nach den Eiszeiten zwei weitere kleine Völker angesiedelt: Die Esten und die Letten. Man nennt Estland, Lettland und Litauen auch die Baltischen Staaten.[3] Aber nur die Esten sprechen eine ugrische Muttersprache.

Ihr Fenno-urgisch hat aber eine ganz eigene Entwicklung genommen hat, – ungefähr vergleichbar mit dem  Niederländischen  und dem Niederdeutschen.  Man spricht bei Estnisch auch  schmunzelnd vom „Ostsee-Finnisch“ der Esten. [3]Das Baltikum ist die politische Bezeichnung der Geografie der Baltischen Staaten. Die sind schon seit dem Mittelalter mit den Deutschen verbunden, denn ihre Hafenstädte liegen alle an der Ostsee und damit im Netz der Deutschen Hanse (vgl.: Post 11, nach der Alemannischen Sprache / NR. 31). Durch diese für alle Seiten gut nachbarliche Beziehung hatten die Baltischen Staaten sich nach der Oktoberrevolution von Russland gelöst, insbesondere Estland, das 1918 vom Völkerbund für unabhängig erklärt worden war. Aber 1930 waren alle baltischen Staaten wieder gewaltsam in das Sowjetrussische Reich einbezogen worden. Die Abneigungen gegen den Russischen Nachbarn im Osten entwickelten sich also nach dem 2. Weltkrieg zunehmend und führten schließlich 1989 zu deren endgültiger Unabhängigkeit.

Abb. 36: 97ffa4b89dd0802c969d68d3bb4b6737v1_max_755x566_b3535db83 . (picture-alliance/ dpa).

Als die Auflösung der Sowjetunion (UdSSR) begann, bildeten die drei baltischen Republiken Lettland, Litauen und Estland am 23. August 1989 – eine Menschenkette: Um genau 19:00 Uhr und für genau fünfzehn Minuten verband eine 600 Kilometer lange Menschenkette die Hauptstädte der drei baltischen Republiken Riga, Tallinn und Vilnius. Der deutsche Außenminister Genscher am 27. August 1991: Zwei Jahre nach der großen Menschenkette zwischen Vilnius, Riga und Tallinn haben Estland, Lettland und Litauen ihre staatliche Unabhängigkeit zurückgewonnen. [Zitate und Bild bei Wikipedia]

13. Lettland

 

14. Litauen

15: Ungarn / 

http://www.nationalflaggen.de/flagge-ungarn.html

Magyarország

 

Ungarn ist das vierte und letzte europäische Land mit ugrischen Sprachwurzeln.

Und wie das Fenno-Ugrische ist auch das Ungarisch-Ugrische „europäisch“ geworden, jedoch viel eher als im Norden zugewanderten Volksstämme, – wahrscheinlich schon vor fast 3.000 Jahren. Und entgegen dem alten fenno-ugrischen Wortschatz weist das Ungarische (Ungarisch-ugrische) auch zahlreiche Entlehnungen aus dem slawischen, lateinischen, deutschen und dem türkischen Sprachgut auf, – Zeichen intensiver  Kontakte zu potentiellen politischen Nachbarn. Ungarn und Türken hatten sogar stammesgeschichtlich ähnliche Wurzeln: sie waren aus dem asiatischen Raum gekommen (Hunne? – Hungar?). Die ersten schriftsprachlichen Belege für die ungarische Sprache stammen aus dem 9. Jahrhundert, der älteste zusammenhängende Text aus einer Leichenrede vom Ende des 12. Jahrhunderts. Um 1800 gehörten die Ungarn mit ihrem Land und anderen Randgebieten zum Österreich-ungarischen König- und Kaiserreich, sie durften aber ihre Muttersprache behalten und sogar auf die „neuen“ Gebiete ausdehnen (Slowakei, Siebenbürgen, Kroatien). Nach dem Frieden von Trianon (1918 – Deutschland verlor den 1. Weltkrieg, die Länder Europas wurden neu „geordnet“) wurde das Land wieder verkleinert und schließlich 1949 (nach dem 2. Weltkrieg) den Sowjetischen Ostblockstaaten (UdSSR) zugewiesen. Danach wanderten viele Ungarn spontan nach Nord- und Südamerika und nach Australien aus. 1956 befreite sich Ungarn von dem russischen Einfluss und war 1988 aktiv an der deutschen Wiedervereinigung (1989) beteiligt, 2004 trat Ungarn der EU bei.

 

Abb. 37:  – Ungarns Puszta   – –  Abb. 38:  Parlamentsgebäude in Budapest – 

 

 

 

Anmerkungen:

[1] Paläontologen sind Forscher, die alles Leben der Alten Geschichte untersuchen („Urzeit-Forscher“, denen wir die Bilder unserer Steinzeit verdanken

[2] v. u. Z.:  eine Abkürzung für vor unserer Zeitrechnung„, die ich bei Wiktionary gefunden habe -mit folgender Begründung: „diese Abkürzung wurde als Synonym zu v. Chr. geschaffen, da die Bezeichnung vor Christus religiös nicht neutral sei“. – Ich habe die Abkürzung noch nicht benutzt, und ich werden sie auch nicht benutzen, seit heute aus vier Gründen: 1., weil das bisher allgemein übliche Kürzel v.Chr. bzw. n.Chr. mir sachlich mehr Informationen liefert; 2., weil ich nicht weiß, wer oder was hinter Wiktionary steckt – im Gegensatz zu dem allgemein üblichen Kürzel (vgl. Post 1, Anmerkung 1!).

Der wichtigste Grund aber ist, dass die Kultur unserer Welt dem Christentum so unglaublich viel zu verdanken hat: Dafür bezeuge ich uns allen der Christenheit und dem christliche Glauben den Respekt, der auch jedem anderen Autor gezollt wird.

– Außerhalb dieser unnützen Argumentation und außerhalb meines Bekenntnisses zum Christlichen Glauben fühle ich in meiner Ablehnung bestärkt angesichts der Akzeptanz des üblichen Kürzels durch alle mir bekannten, internationalen, wissenschaftlichen und theologischen Institutionen. „Religiös“ wäre m. E. die allgemein übliche Abkürzung, wenn sie für „vor Christi Geburt“ stehen würde. Mit „unsere Zeitrechnung“ verbinden die meisten Lesenden wahrscheinlich genau so viel (oder wenig) wie mit „vor Christus“.

[3] Das Baltikum ist die politische Bezeichnung der Geografie der Baltischen Staaten. Die sind schon seit dem Mittelalter mit den Deutschen verbunden, denn ihre Hafenstädte liegen alle an der Ostsee und damit im „Netz“ der Deutschen Hanse (vgl.: Post 9, nach der Alemannischen Sprache / NR. 27). Durch diese für alle Seiten gut nachbarliche Beziehung hatten die Baltischen Staaten, insbesondere Estland, das sich nach der Oktoberrevolution von Russland unabhängig erklärt hatte, aber 1930 gewaltsam wieder in das Sowjetrussische Reich einbezogen worden war, gemeinsam mit seinem Nachbarland Litauen. Die Abneigungen gegen den Russischen Nachbarn im Osten entwickelten sich also  in der Nachkriegszeit weiter bis 1989.

Abb. 36: 97ffa4b89dd0802c969d68d3bb4b6737v1_max_755x566_b3535db83 . (picture-alliance/ dpa).

Als die Auflösung der Sowjetunion (UdSSR) begann, bildeten die drei baltischen Republiken Lettland, Litauen und Estland am 23. August 1989 – eine Menschenkette: Um genau 19:00 Uhr und für genau fünfzehn Minuten verband eine 600 Kilometer lange Menschenkette die Hauptstädte der drei baltischen Republiken Riga, Tallinn und Vilnius. Der deutsche Außenminister Genscher am 27. August 1991: Zwei Jahre nach der großen Menschenkette zwischen Vilnius, Riga und Tallinn haben Estland, Lettland und Litauen ihre staatliche Unabhängigkeit zurückgewonnen. (Zitate und Bild bei Wikipedia)

 

 

Anmerkungen   [ + ]

1. Paläontologen sind Forscher, die alles Leben der Alten Geschichte untersuchen („Urzeit-Forscher“, denen wir die Bilder unserer Steinzeit verdanken
2. v. u. Z.:  eine Abkürzung für vor unserer Zeitrechnung„, die ich bei Wiktionary gefunden habe – mit folgender Begründung: „diese Abkürzung wurde als Synonym zu v.Chr. geschaffen, da die Bezeichnung vor Christus religiös nicht neutral sei“. – Ich habe die Abkürzung noch nicht benutzt, und ich werde sie auch nicht benutzen, seit heute aus vier Gründen: 1., weil das bisher allgemein übliche Kürzel v.Chr. bzw. n.Chr. mir sachlich mehr Informationen liefert; 2., weil ich nicht weiß, wer oder was hinter Wiktionary steckt – im Gegensatz zu dem allgemein üblichen Kürzel (vgl. Post 1, Anmerkung 1!). – Der wichtigste Grund aber ist, dass die Kultur unserer Welt dem Christentum so unglaublich viel zu verdanken hat: Dafür bezeuge ich uns allen der Christenheit und dem christliche Glauben den Respekt, der auch jedem anderen Autor gezollt wird. – Außerhalb dieser unnützen Argumentation und außerhalb meines Bekenntnisses zum Christlichen Glauben fühle ich mich in meiner Ablehnung bestärkt angesichts der Akzeptanz des üblichen Kürzels durch alle mir bekannten, internationalen, wissenschaftlichen und theologischen Institutionen. „Religiös“ wäre m.E. die allgemein übliche Abkürzung, wenn sie für „vor Christi Geburt“ stehen würde. Mit „unsere Zeitrechnung“ verbinden die meisten Lesenden wahrscheinlich genau so viel (oder wenig) wie mit „vor Christus“
3. Das Baltikum ist die politische Bezeichnung der Geografie der Baltischen Staaten. Die sind schon seit dem Mittelalter mit den Deutschen verbunden, denn ihre Hafenstädte liegen alle an der Ostsee und damit im Netz der Deutschen Hanse (vgl.: Post 11, nach der Alemannischen Sprache / NR. 31). Durch diese für alle Seiten gut nachbarliche Beziehung hatten die Baltischen Staaten sich nach der Oktoberrevolution von Russland gelöst, insbesondere Estland, das 1918 vom Völkerbund für unabhängig erklärt worden war. Aber 1930 waren alle baltischen Staaten wieder gewaltsam in das Sowjetrussische Reich einbezogen worden. Die Abneigungen gegen den Russischen Nachbarn im Osten entwickelten sich also nach dem 2. Weltkrieg zunehmend und führten schließlich 1989 zu deren endgültiger Unabhängigkeit.

Abb. 36: 97ffa4b89dd0802c969d68d3bb4b6737v1_max_755x566_b3535db83 . (picture-alliance/ dpa).

Als die Auflösung der Sowjetunion (UdSSR) begann, bildeten die drei baltischen Republiken Lettland, Litauen und Estland am 23. August 1989 – eine Menschenkette: Um genau 19:00 Uhr und für genau fünfzehn Minuten verband eine 600 Kilometer lange Menschenkette die Hauptstädte der drei baltischen Republiken Riga, Tallinn und Vilnius. Der deutsche Außenminister Genscher am 27. August 1991: Zwei Jahre nach der großen Menschenkette zwischen Vilnius, Riga und Tallinn haben Estland, Lettland und Litauen ihre staatliche Unabhängigkeit zurückgewonnen. [Zitate und Bild bei Wikipedia]

Post 11: Die germanische Sprachgruppe

 

Das im Beitragsbild abgebildete Haus ist die Wehlburg aus dem Artland. Das Haus steht heute im Museumsdorf in Cloppenburg. –  Nach meiner Flucht aus Hinterpommern[1] [1][28.02. bis 06.03.1945] (ein Stadtkind aus einer großen Bezirkshauptstadt an der Ostsee) fand ich in einem solchen Riesenhaus mit 2 Heuböden, vielen Pferden, zig Kühen und Kälbern unter einem Dach [Schweine und Gänse im Stall rechts – Hühner im Stall links, und mit weiteren „Schauern“ für Wagen und Geräte] eine „zweite Heimat“; wir wohnten in einem Raum des etwas abseits stehenden Backhauses, das – neben Heuerhäusern, einer Schmiede und dem im Bild als „Rahmen“ erkennbaren Torhaus – zu allen großen Höfen in Niedersachsen gehörte. – (Artland heißt das weitere Umland um die Kleinstadt Quakenbrück, zu der auch mehrere Dörfer und Bauernschaften mit weit auseinanderliegenden großen Höfen gehören; und  die alte Lateinschule dort, meine Penne, die auf  eine 660jährige Geschichte zurückblickt, – wie auch einige der Artländer Bauernfamilien.) 

Post 11: Germanische Sprachen

 

Für die sprichwörtliche Erd- und Naturverbundenheit der Germanen wähle ich einen oliv-grauen Farbton. Die Entstehung der urgermanischen Sprache wird auf das 2. Jahrtausend v.Chr. zurückgeführt.  Älteste historische Berichte über germanische Kulturen stammen von Begegnungen mit den Griechen  und dem Römischen Reich; eigene Schriftzeugnisse wie z. B. die Runen  finden sich erst um die Zeitwende („um das Jahr 0 herum“). 

Abb. 39: Germanische Krieger – Römisches Relief

[Vgl. Post 3/Abbildung 6!]

Abb.40 : aus WikipediaaufEnglisch-Germanic_Groups_ca._OCE.jpg — von links: StammlandRhein-WeserGermanen ElbeGermanen  –  WeichselGermanen oben: NordGermanen

 

Leider habe ich keine gesicherte Quelle darüber gefunden. Darum widme ich mich dieser großen Sprachgruppe erst nach den Kelten und ihrer Sprache aber vor der romanischen Sprachgruppe.

Der rot eingetragene Kartenteil in der Abbildung 40 oben wird als das Stammland der Germanen bezeichnet – und das südlich angeschlossene Gebiet der Wesergermanen kann auch als Ursprungsgebiet der Fachwerk-Bauweise gelten, in der alle Bauernhäuser in Mitteleuropa seit dem Mittelalter errichtet wurden (Niederdeutsche Hallenhäuser). Diese Art, große, vor allem lange Häuser zu bauen, besteht unter den Germanen schon seit vielen tausend Jahren (Germanische Langhäuser).

Die germanischen Stämme dehnten sich nach dieser Karte (Abb. 40) und nach ‚meinem‘ Quellen-Autor Stefan Jacob: von ihrem Kernland  Dänemark und dem deutschen Nordsee-Küstenbereich schon im 1. vorchristlichen Jahrtausend  nach Westen und Südwesten und auch nach Osten über die Weichsel aus – auf das große Gebiet zwischen Polen , Belgien und dem Alpenvorland. Sie verdrängten so schon zwischen 375 und 500 v.Chr. die Kelten aus ganz Mittel- und Nordeuropa , noch bevor die Römer von Süden her nach Westeuropa dazukamen.

Abb. 41: Germanen auf der Wanderschaft

Deutsch hatte sich bis zum 4. Jahrhundert n.Chr. bereits im ganzen heute  deutsch-sprachigen Raum verbreitet. Trotz unsicherer Quellen-Lage gelten auch die seefahrenden Wikinger als friesische Germanen, die sich aber  von etwa 300 n.Chr. an wegen ihrer räuberischen Eroberungszüge auf alle europäischen Küstengebiete nach Nord-Norwegen zurückziehen mussten und nach 1.000 Jahren von der historischen Landkarte ‚verschwanden‘.

Abb. 42: Seefahrervolk: Germanen-vikingboat_480

 

16:

Zu den ‚deutsch‘ sprechenden Germanen gehörten (nach dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus) einige hundert Volksstämme (außer den uns ‚allen bekannten‘ Sachsen auch die Jüten, Angeln, Friesen, Goten, Vandalen, Cherusker, Kimbern, Teutonen, Ubier, Markomannen, Alemanen, Normannen, Franken, Sueben, Chatten und  viele andere Volksstämme, die sich im (heutigen) Gebiet von Österreich, dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweiz, aber auch auf böhmisch-tschechischen, schlesischen, polnisch-preußischen, niederländischen, belgischen, lothringischen und elsässischen Gebieten angesiedelt hatten. …

17:                                   18:                            19:

www.nationalflaggen.de/fahne_oesterreich

                                   Flagge Fürstentum Liechtenstein

Flagge Schweiz

und natürlich        20: Dänemark,

www.Nationalflaggen.de/fahne_daenemark

21:    Schweden,    

(Stammland der Gotischen Sprache)  und Menschen aus diesen beiden Ländern . . 

22:    Norwegen 

. .  haben auch

23: Island

www.internationale-fahnen\flagge_island

besiedelt. Bis nach Island  hatte sich die germanische Sprache „schnell“ ausgebreitet. Nach schriftlichen Quellen wurde Island schon um 900 durch Auswanderer aus Norwegen und anderen skandinavischen Ländern sowie durch keltische Siedler bevölkert. Sogar in die heute französischen Gebiete Burgund und Elsass war das Germanische vorgedrungen, wo auch – wie in Baden-Württemberg – alemannisch (und heute auch deutsch) gesprochen (und geschrieben) wird.[2] [2]Nach dem Germanenstamm der Alemannen, der aus dem (deutschen) Donautal schon zu Römerzeiten nach Südosten gezogen war Vgl. Sprach-Nr. 31!

Abb. 43: Germanische Runentafel

Zur germanischen Schrift: Ungefähr seit dem 2. Jahrhundert n.Chr. haben die germanischen Stämme eigene Schriftzeichen verwendet, die Runen

Runenstein
Abb. 44: Runenstein. Foto von Andreas Franzkowiak. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wedel_Pi_K%C3%BCsterstra%C3%9Fe_4_Runenstein.j

Es entstand das sogenannte ältere Futhark eine frühe Form der Runenreihe, die bis ca. 750 n.Chr. in Gebrauch war. – Die überlieferte Gotische Bibel  zeigt in einer Schrift aus dem 4. Jahrhundert das von dem Bischof  Wulfila entwickelte  Gotische Alphabet[3]. [3]Die Gotische Sprache hat ihren Ursprung in Schweden, das gotische Alphabet ist eine alphabetische Schrift, die im 4. Jahrhundert zur Übersetzung des Neuen Testaments in die gotische Sprache entwickelt wurde. Das Ergebnis war die Wulfila-Bibel. Diese gotische Übersetzung des Neuen Testaments war das erste Buch in einer germanischen Sprache. Es wurde in Nicopolis ad Istrum im heutigen Bulgarien geschaffen; der Ort wurde somit zum Geburtsstätte der germanischen Literaturtradition. (Nicopolis ad Istrum war eine alte römische und byzantinische Stadt in der römischen Provinz Trakien, die im Jahr 102 gegründet wurde und bis zum Einfall der Slawen im 7. Jahrhundert existierte.  – Die gotische Schrift beruht in ihrer ganzen Anlage auf dem griechischen Alphabet. Dieses brachte uns nicht nur die grundsätzliche Buchstabenreihenfolge und das Prinzip der Zahlenschreibung mit Buchstaben, sondern auch die meisten Zeichenformen. Einzelne Buchstaben jedoch für Laute, die das Griechische nicht kennt, stammen aus der lateinischen Schrift und aus der Runenschrift. Die Buchstaben tragen Namen – gewöhnlich ein Wort, das mit dem entsprechenden Laut beginnt. Dieses Prinzip ist aus den griechischen und lateinischen Schriftsystemen nicht bekannt.

die einzige erhalteneSeite der Wulfila-Bibel
Abb. 45: Wulfila-Bibel

 

Das einzig erhaltene Stück der Wulfila-Bibel vermittelt Sprachforschern einen geschlossen Text in Gotischer Sprache.

Später wurden die germanischen Texte in lateinischen Buchstaben geschrieben; Beispiele von modifizierten Buchstaben sind das Yogh (ȝ) und die latinisierten Runen Thorn (þ) und Wunjo (ƿ).

Zweite Zwischenbemerkung

Abb. 46: Kaiser Karl der Große   (Bronze-Plastik von ca. 900)

Der Übergang zum Frühmittelalter wurde von der Völkerwanderung geprägt. Die politische und kulturelle Einheit des durch die griechisch-römische Antike geprägten Mittelmeerraums war zerbrochen. Während das Oströmische, das byzantinische Kaiserreich die Macht über das Mittelmeer übernahm, ging das alte Römische Reich unter[4]. [4]Völkerwanderung: Klimatische und wirtschaftliche Veränderungen führten schon vor rund 2.000 Jahren zu erheblichen Wanderungen ganzer Volksstämme innerhalb des indoeuropäischen Großraums, ausgelöst durch das Eindringen asiatischer Völker etwa 300 n.Chr. in von Germanen besiedelte Gebiete. Die Völkerwanderung wird von etwa 350 bis 900 n. Chr. datiert; danach hatten sich Völker auf (neuen) Siedlungsgebieten eingerichtet, und es entstanden die ersten europäischen heutigen Nationalstaaten wie Polen, Frankreich, EnglandNeue Reiche entstanden: Das Frankenreich (Karl d. Gr. Abb. 46), das Königreich Burgund, das Kalifat Cordoba (in Südost-Spanien) und die Königreiche Ungarn und Polen, einzelne germanische Volksstämme hatten zwar zeitweise Italien, Spanien und sogar Gebiete in Nordafrika erobert, hinterließen dort aber nur geringe sprachliche Spuren und verschwanden schließlich wieder aus der Geschichte. Und nun schreibe oder spreche ich meine Leserinnen + Leser direkt an:

–  – Sie haben inzwischen mehrfach erfahren, dass etliche Volksstämme quer durch Europa ‚gewandert‘ sind und sich an anderen Stellen des Kontinents niedergelassen haben, bevor sie wieder weiterziehen mussten oder „von der historischen Landkarte“ verschwanden. Wie verschwindet ein ganzes Volks so einfach? – Sicher hat es beim Aufeinandertreffen neuer Siedler Aggressionen, Vertreibung und Kriegshandlungen gegeben, aber nicht über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte! Und vernichtet wurden ganze Volksstämme mit Sicherheit auch nicht. Vielmehr gab es nach „Einwanderungen“ offensichtlich schon ‚immer‘, was wir heute (mit gemischten Gefühlen) als Multi-Kulti bezeichnen. Meine Bitte an Sie:  Checken Sie  mal die Bewohnerschaft Ihres Heimatortes nach der vermuteten Herkunft der einzelnen Familien durch . . . . . . Und so geht es uns Europäern seit Jahrtausenden. –  –

–  –  –  –  –  –  –  –  –  –

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Setzen wir also unsere Sprachen-

Auflistung einfach wieder  fort:

 24:   England   

Bedeutsamer war die mehrmalige germanische Eroberung der britischen Inseln: im 5. Jh. durch die Angelsachsen, im 8. und 9. Jahrhundert durch die Wikinger und 1066 durch die (romanisierten) Normannen unter Leitung von William the Conqueror.

Abb. 47: Ausschnitt aus dem Wandteppisch von Bayeux. normannen-fussvolk.jp
Abb.48: Die ersten Fahrten in die Neue Welt

Die englische Sprache, die sich schon im 5. Jh. n.Chr. aus dem Germanischen der frühen Landbesetzer (Volksstämme der Jüten, Angeln, Sachsen u. a.) entwickelt hatte, wurde in der Neuzeit[5] [5] Die Neuzeit der Weltgeschichte beginnt – leichter zu merken als eine exakte Jahreszahl um 1500, mit der Entdeckung der Neuen Welt, also etwa mit den großen Seefahrer-Erkundungen rund um unseren Erdball im 16. Jahrhundert. durch die Kolonialpolitik der Engländer über den ganzen Erdball verbreitet, während  das Schottische und das Färöische im Norden Britanniens ihre Eigenständigkeiten bewahrten. Das Germanische verdrängte nach und nach die Sprachen der nordwest-europäischen Volksstämme.

25:   Schottland                                              26:    Färöer Inseln

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27:    Luxembourg

Danach entwickelten die Luxemburger ihr Letzeburgisch …    

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28:  Israel

und vor über 1.000 Jahren auch die immer und besonders im mittelalterlichen Westeuropa verfolgten, in der Diaspora lebenden Juden ihre  „deutschstämmige“ Sprache  Jiddisch, die heute auch in den Balkanstaaten und (wieder) in der Bundesrepublik Deutschland eine anerkannte Minderheitensprache ist. Juden waren nach dem 30-jährigen Krieg und in Deutschlands ‚Kaiser-Zeiten‘ – im späteren Preußen geduldete, sogar gern gesehene Einwanderer, bis im 18. Jahrhundert (vom katholischen Süden Europas und auch Deutschlands ausgehend) sich wieder der Hass auf Juden verbreitete und schließlich unter den Nazis im Holocaust einen furchtbaren Höhepunkt erreichte.[6] [6]Judenfeindlichkeit, auch: Judenhass, Judenverfolgung bezeichnet (frei) nach einem Wikipedia-Artikel:  … eine pauschale Ablehnung der Juden (und des Judentums), die in allen Gesellschaften seit 2.500 Jahren immer wieder auftritt, besonders in der Geschichte Europas, und die ihren Höhepunkt in dem Holocaust der Deutschen zur Zeit des Nationalsozialismus fand (1933 bis 1945): Der (engl.‘) Begriff Holocaust kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet „vollständig verbrannt“/“das größte Unheil“, es war/ist der nationalsozialistische Völkermord an 5,6 bis 6,3 Millionen europäischen Juden. Dieses Menschheitsverbrechen gründete auf dem staatlich propagierten Antisemitismus und der rassistischen Gesetzgebung der Hitler-Diktatur in Deutschland. – Im Unterschied zu allgemeiner Fremdenfeindlichkeit (die zurzeit wieder sehr verbreitet ist) wird Judenfeindlichkeit mit angeblich stereotypen (unveränderlichen) Eigenschaften der (aller!) Juden begründet (Mörder unseres Gottes/ Brunnenvergifter/ Ritualmörder/’Feinde der Menschheit‘ (seit der Antike!)/Parasiten/Wucherer (seit dem Mittelalter)/heimliche Weltherrscher (seit dem 19. Jahrhundert, in dem – von Österreich ausgehend – der Judenhass der Deutschen seine Nahrung schöpfte. – Einblicke in diese grausige Chronologie, nachdem Juden im 1. Jahrtausend n.Chr. relativ friedlich und integriert in Europa lebten.

Abb. 49: HD Rights Managed Stock Footage # 624-645-777  – Aufschrift des Plakats über dem geschmierten Wort JUDE und dem Stern: Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!

Hier ist eine weitere Zwischenbemerkung erforderlich, weil die Judenverfolgung im Deutschland der 20er Jahre und unter der Herrschaft des Nationalsozialisten Adolf Hitler zum größten Menschheitsverbrechen unserer Zeit ausuferte, von dem wir Deutschen – alle Deutschen – uns nicht mehr distanzieren können.

Dritte Zwischenbemerkung

Chronik der Unmenschlichkeit

  • Das Judentum ist mehr als 5.000 Jahre alt.[von hier an: nur n.Chr.]  –
  • ca. 50: Die frühen Christen machten „den Juden“ – nach Deutungen des ‚Neuen‘ Testaments, das von den Juden abgelehnt wird?/wurde, den Vorwurf, sie hätten Jesus‘ Tod zu verantworten; daher rührt bis heute eines der beständigsten Vorurteile (..aus Wikipedia🙂 Die Anklage des „Gottesmords“, die den Juden eine Kollektivschuld am Tod Jesu Christi gibt. Daraus abgeleitet oder damit verwandt waren auch zahlreiche christliche Ritualmord-Legenden.
  • 1050: Bevor christliche Männer, Frauen und Kinder (!) in Kreuzzügen nach Jerusalem aufbrachen, um die Ungläubigen aus „dem Heiligen Land“ zu verjagen, wurden erste Judenverfolgungen im Rheinland eingeleitet
  • 1144: Erste Verurteilungen von Juden in England wegen deren angeblichen „rituellen Christen- und Kindermorden“  1215: Das Oberhaupt der Kirche, Papst Innozenz III., erließ antijüdische Gesetze, z. B. ein Verbot des Heiligen Buches der Juden (Talmud)  –  12. und
  • 13. Jahrhundert: Mit üblen Verschwörungstheorien wurden Pogrome (gewalttätige Aktionen) an Juden gerechtfertigt, besonders bei den Kreuzzügen und bei der Pestpandemie, der Ausbreitung der Pest über Landesgrenzen hinaus
  • im 14. Jh.: In England und Frankreich kam es zu ersten Vertreibungen und zu Massenmorden an Teilen der jüdischen Bevölkerung, in Portugal wurden Juden (zu Christen) zwangsgetauft oder (bei Weigerung) ermordet, auch in den deutschen Kleinstaaten, was dort jedoch nach 1650 nachließ  –
  • Um 1450, führte die spanische Inquisition (Kirchlich angeordnete Judenvertreibung) den Begriff der „Reinheit des Blutes“ ein.  –  Im Hochmittelalter nahm die antijüdische Kirchenpolitik Züge einer systematischen Verfolgung an. Juden wurden zwangsgetauft, ghettoisiert, kriminalisiert und dämonisiert. – Auch Martin Luther riet in seiner Schrift Von den Juden und ihren Lügen
  • 1543 den Fürsten zur Zerstörung der Synagogen und jüdischen Wohnungen, Internierung, Zwangsarbeit und schließlich zu ihrer Vertreibung  –
  • 19. Jahrhundert: Die christliche Judenfeindschaft ging in einen allgemeinen rassistischen Judenhass über;
  • seit 1900 waren nationalistische Christen oft auch Antisemiten, so in der NS-Zeit die evangelische Kirchenpartei „Deutsche Christen“
  • 1933 begann bereits die Hitlers staatliche Boykottaktion jüdischer Geschäfte
  • Reichspogromnacht am 8. Nov. 1938 – Abb. 49/Foto: Der offizielle Vernichtungskampf der Nationalsozialisten gegen die Juden in Europa begann. Wikipedia: Der Holocaust [ˈhoːlokaʊ̯st] (engl., aus altgriech. ὁλόκαυστος holókaustos „vollständig verbrannt“; auch Schoah für „die Katastrophe“, „das große Unglück/Unheil“) war die Bezeichnung für den nationalsozialistischen Völkermord an 5,6 bis 6,3 Millionen europäischen Juden. Deutsche und ihre Helfer führten ihn von 1941 bis 1945 systematisch, ab 1942 auch mit industriellen Methoden durch, mit dem Ziel, alle Juden im deutschen Machtbereich zu vernichten.  –  Dieses Menschheitsverbrechen gründete auf dem staatlich propagierten Antisemitismus und der entsprechenden rassistischen Gesetzgebung des NS-Regimes.   –  Heute werden in Deutschland antisemitische Reden und Handlungen als Volksverhetzungen im Zusammenhang mit entspr. Straftaten strafrechtlich verfolgt und geahndet.
  • Nach dem 2. Weltkrieg: England, das die Herrschaft über Palästina hatte, erlaubte den Juden die offizielle Rückkehr in ihre (‚biblische‘, angestammte) Heimat und zog sich 1948 aus dem Nahen Osten zurück, und die Juden konnten endlich „ihren“ Staat Israel gründen, mussten das Land allerdings mit den Palästinensern teilen. Seitdem hat es 8 Kriege zwischen den beiden Völkern gegeben, seitdem besteht ein ständiger Nahostkonflikt zwischen Juden und Arabern.
  • Der internationale Konflikt in der Region dauert bis heute an.
  • Fast ungebrochen sind Antisemitismus und Antizionismus nach 1945 im Nahen Osten, in den arabischen/ moslemischen (palästinensischen) und islamischen Gesellschaften verbreitet.

–  –   –  –  –  –  –  –  –  –  –  –  –  –  –  –  –  –  –  

Fahren wir fort mit der Aufstellung der europäischen Muttersprachen germanischen Ursprungs:

Belgische Flagge

Holländer, Belgier und Friesen entwickelten ihr Brabant und Niederländisch.                                      Flagge von (Belgien – ohne Nummerierung)

29:  Belgien

Das Herzogtum Brabant, im südlichen Rheinmündungsgebiet gelegen, hatte seit dem 13. Jahrhundert eine eigene Muttersprache. Sie entstand schon im 17.  Jahrhundert aus brabantischen  und holländischen Schriftdialekten des Altniederländischen, als sieben reiche holländische Provinzen sich zu einer europäischen Seemacht zusammenschlossen und einen unabhängigen niederländischen Staat mit einer eigenen, modernen Standardsprache gründeten.[7] [7]Holland ist ein Teil der Niederlande, der im Westen von der Nordsee, im Osten vom Ijsselmeer, den Provinzen Utrecht, Gelderland und Nordbrabant sowie im Süden von der Provinz Zeeland begrenzt wird.  Brabant ist ein historisches Gebiet, das in etwa aus den belgischen Provinzen Antwerpen und Brabant sowie der im Süden der Niederlande gelegenen Provinz Nordbrabant besteht. [Im Laufe der europäischen Geschichte (die zu diesem Thema die geopolitische Basis bildet) haben sich Gebietsteile und ihre Bezeichnungen in ganz Europa öfter verschoben oder sind geteilt bzw. – nach Kriegen – verloren worden. Z. B. bin ich im deutschen ‚Land Pommern‘ geboren; das aber ist seit 1945 polnisches Staatsgebiet, trotzdem gibt es heute aber noch ein deutsches Bundesland mit Namen „Mecklenburg-Vorpommern]

Wappen von Brabant

Vor allem die (heute belgische) Stadt Antwerpen hatte lange Zeit eine Vorbildfunktion für die entstehende Hochsprache. Viele Lehnwörter des Niederländischen stammen aus dem Französischen, dem Deutschen und in neuerer Zeit aus dem Englischen. – Bis heute leidet Belgien unter dieser historischen Sprachgrenze, die den nördlichen Landesteil, der belgisch-niederländisch (Brabant) spricht, vom südlichen, französisch sprechenden Belgien teilt.

30:     Niederlande

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Die Niederlande hatten schon im ausklingenden Mittelalter fast 100 Jahre gegen das spanische Königshaus und dann gegen England und Herrschaftsansprüche Frankreichs ankämpfen müssen. Im 17. Jahrhundert hatten die  reichen Städte das Land zur Seemacht in der Welt aufsteigen lassen, durch Niederländische Handelsgesellschaften in Ost- und in Westindien boomte Diamantenhandel und er Handel mit exotischen Blumen, die Universität von leiden war die bedeutendste in Europa, und die Kaufleute förderten die niederländische Malerei, deren große Meister (Rembrandt, Vermeer, Jan Stehen, Frans Hals) mit den Bildnissen, Stillleben und Blumengebinden bis heute als privater Wandschmuck ebenso beliebt waren die tolerante (obwohl streng protestantische) Grundhaltung der Bevölkerung.

1814 wurde das Königreich der Niederlande unter dem Haus Oranien gegründet. So hat sich eine Nation (ein Staatsvolk) stolz und selbstbewusst die Eigenständigkeit gegenüber den mächtigen Nachbarn England, Frankreich und Spanien bewahrt – gerade auch in der Muttersprache, während ‚Deutschland‘ in kleine und kleinste Landesteile zerstückelt und von großen Kriegen geschunden war und sich erst in dieser Zeit mühsam zu einen ersten (losen) Staatenbund durchgerungen hatte (Post 18/19).

31: Afrikaans, die Sprache in Südafrika

www.internationalefahnen.de\flagge-südafrika

Es waren  Niederländer, die am Ende des 17. Jahrhunderts Südafrika eroberten und dort ihre Kolonien gründeten. Leider haben die Buren, die frühen holländischen Siedler in Südafrika, die im 17. und 18. Jahrhundert einen großen Anteil am Sklavenhandel hatten, noch bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts (!) eine radikal assistische Innenpolitik praktiziert. Aber bis heute spricht wird dort heute Afrikaans, auch Kapholländisch genannt als erste Staatssprache gesprochen.

32: Friesisch

Abb. 50: 320px-Bilingual_signs_German-Frisian_Police_Station_Husum

Friesisch sprechen heute noch an der Nordseeküste 400.000 Menschen: Belgier, Holländer, Deutsche Friesen) und Dänen.  – Deutsche Auswanderer sorgten für eine Verbreitung des Deutschen auch in den USA (wo die deutsche Sprache fast die  Nationalsprache  geworden wäre),  und in  Landesteilen  von  Südost-Europa und von Ozeanien und Asien.[8] [8]Vor mehr als 300 Jahren erreichten die ersten deutschen Siedler die Neue Welt. Sie kamen in der Hoffnung auf Freiheit und Land. Ihnen folgten Tausende, Zehntausende, Millionen. Weit mehr als 50 Millionen Amerikaner geben heute an, deutsche Vorfahren zu haben. So hat in der Vergangenheit nicht nur Amerika uns beeinflusst – die deutschen Auswanderer haben auch Amerika geprägt. Von ihrer Geschichte erzählt das neue ZEIT Geschichte-Magazin, angefangen bei der Gründung Germantowns im 17. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart. – Die USA blieben während des gesamten 19. und beginnenden 20 Jh.‘ das Hauptziel deutscher Emigranten. In der Periode von 1850 bis 1890 stellten die Deutschen sogar die größte nationale Einwanderungsgruppe. Von den 5,9 Millionen Menschen, die in der Zeit von 1820 bis 1828 nach Übersee gingen, wanderten 5,5 Mio – fast 9/10 – in die USA. (Auszug aus einem Wikipedia-Artikel). – In den vergangenen drei Jahrhunderten sind die einstigen Neuankömmlinge so sehr zu Amerikanern geworden, dass man die deutschen Spuren erst wieder neu entdecken muss. Wer organisierte die Armee der Kolonien im amerikanischen Unabhängigkeitskampf gegen die Briten? Ein preußischer Offizier. Worin hatte die föderale Verfassung der USA ihr Vorbild? In der Struktur des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Wer erfand die Jeans? Ein Unternehmer aus dem fränkischen Buttenheim. Wer kämpfte …? Wer entwarf …? Wer baute …? Die Namen unzähliger Familien und unglaublich vieler Orte in den USA und „in Übersee“ sprechen für sich.  – Aber es war der amerikanische Geist der Freiheit, der alle diese „Einwanderer“ inspirierte, in Deutschland waren zu dieser Zeit individuelle Aktionen kaum denkbar, – die Obrigkeit der Herrschenden hätte das nicht zugelassen.

–  –  –  –  –  –  –  –  –  –

Abb. 51: Zwei alemannische Fastnachtsmasken, Fu.jpg

Nun muss – nach der südbelgischen und der Norddeutschen noch eine letzte Minderheiten-Sprache genannt werden: die alemannische Sprache im Südosten Deutschlands:

33:   Die Sprache Alemannisch ist mehr als ein Dialekt

oder eine deutsche Mundart:  Als Alemannisch bezeichnet mer dr Dialäkt / di Sproch wu im Südweschte vum ditsche Sprochrüüm gschwätzt wird. Alemannisch wird vo uugfähr zäe Millione Mänsche gredet. I de Schwyz kennt mers als Schwyzerdütsch, z Frankriich heissts Elsässerditsch. Regional gits verschiidini Eigebezeichnige, wiä z.B. Markgräflerisch, Kaiserstiählerisch,   Baseldytsch,  Züritüütsch,  Luschtenauerisch  usw.  D Sprochwisseschaft zellt au s Schwäbisch zum Alemannische. (Zitat, wie der ganze Absatz: Wikpedia)     

Zwischen dem 6. und dem 9. Jahrhundert ging die Alemannia politisch und kulturell im Ostfrankenreich auf und wurde zwischen dem 10. und zum 13. Jahrhundert politisch nochmals vom staufischen Herzogtum Schwaben zusammengefasst. (In Aachen, der Stadt, in der Karl d. Gr. im Jahr 800 zum Kaiser des Frankenreichs gekrönt wurde, wurde die Fußballmannschaft der höchsten Bundesliga „Alemannia  Aachen“ genannt, aber erst im Jahr 1900, als der Fußball bei uns zum Volkssport wurde.)

Die vierte  Zwischenbemerkung

Internationaler Handel hat nicht nur in den Niederlanden,

Abb. 52: Hanse-Koggen transportierten alle Handelsgüter über die Nord- und die Ostsee – hier der Nachbau einer Kogge, der den Fremdenverkehr in der Hansestadt Rostock (HRO) und in Warnemünde fördert. (Fuhrmann)

 

sondern auch in Deutschland eine Jahrhunderte alte Tradition. Dort waren es die Seehäfen, hier das dichte Netz der Handelsstädte auf den Landwegen quer durch Europa. Nicht nur die Landesherren der vielen kleinen Grafschaften, Herzog- und Fürstentümer profitierten von diesem Handel, auch die Städte wurden reich, erkauften sich ihr Stadtrecht, errichteten große Kirchen und repräsentative Rathäuser. Das Bauhandwerk boomte, ganze Kolonnen von Bauhütten-Mannschaften mit Statikern, Zimmerleuten, Maurern, Steinmetzen, Glasmachern und Dachdeckern zogen durchs Land und arbeiteten für den Unterhalt ihrer Familien in der Heimat, wie auch die zahlreichen Fuhrmänner …

Abb. 53: Hanse-Logistik im Mittelelter

Zeitgeschichtlich hatte zwischen 1170 und 1650 die deutsche Hanse größten wirtschaftlichen und politischen Einfluss auf alle Staaten an den Nordsee- und Ostseeküsten; sie war mit ihren Niederlassungen in allen Hafenstädten das größte Logistik-Unternehmen im spätmittelalterlichen Europa[9]((In den 70er Jahren konnte man in den USA Logistik  als eine Disziplin (ein wissenschaftlicher Bereich) der Wirtschaftswissenschaft studieren:  Heute   erfasst der Begriff  die Theorie aller Tätigkeitsformen, die mit Handel zu tun haben (ausgenommen das Produzieren von Waren): das Sortieren, Lagern, Verpacken, Verteilen, Transportieren und Zustellen von Waren aller Art.. Mit großen Pferde-Gespannen wurden landesspezifische Waren und Produkte in die Hafenstädte gebracht und von dort in den Hansekoggen kreuz und quer durch die Nord- und Ostsee international ausgetauscht:

Abb. 54: broyens_draeger-hanse-deutsch-50.jp

z. B. Getreide, Holz, Wachs, Felle, Pelze aus Nordrussland und aus den Ländern Westeuropas Fertigprodukte (z. B. Tuche, Wein).    Die Hanse war zwischen 1150 und 1550 ein Bund Deutscher Kaufleute in 187 Städten von 17 Ländern Europas an der Nord- und Ostsee. Diese Kaufmanns-Vereinigung begründete und festigte den Gebrauch der deutschen Sprache im gesamten Nord- und Ostseeraum und im Süden über die Grenzen von Deutschland, Österreich hinaus bis in die (heute französischen) Gebiete Elsass und Burgund. Aus der Zeit des Hanse-Verbundes ist bis heute eine Kaufmanns-Vereinigung erhalten geblieben, die mehrmals jährlich zu internationalen Treffen einlädt. zumeist in Danzig. –

Ihnen ist sicher schon aufgefallen dass mehr Sprachen in Europa ‚lebendig‘ sind, als Nationen auf diesem Kontinent entstanden waren: Auch in den noch folgenden Sprachgruppen wird das so sein. Wir werden häufiger Dialekte antreffen, die unter den Menschen kleinerer Regionen (kleiner als die Staaten, zu denen sie ‚gehören‘) alltäglich gesprochen, gepflegt werden und  beliebt sind. Dem Themen-Begriff dieses Textes MUTTERSPRACHE füge ich darum nun einen zweiten bedeutenden Begriff hinzu, der durch die Muttersprache maßgeblich geprägt wird: HEIMAT. –

Mit dem Begriff Heimat verbindet man mehr als mit dem eher statistisch nüchternen Begriff Umwelt: dieser gehört zur Gesellschaftswissenschaft (Soziologie), – jener zur menschlichen Gemeinschaft, zur Nachbarschaft, zum Zuhause. Eine Heimat hat bzw. hatte jeder, und sie besteht/bestand aus viel mehr als aus „der Gegend“, wo man aufgewachsen ist. Dazu gehören die Familien, die Kindheit, die Landschaft oder der Stadtteil,  die bebaute und die gewachsene Umgebung, die Sprechweise (!) und alle Sitten und Gebräuche im Arbeits-Alltag und bei den Feier- oder Festtagen … Wenn man seine Heimat „verloren“ hat, ist der Verlust-Schmerz von unterschiedlich langer Dauer, und er kommt früher oder später – wie ein erlebter Krankheits- oder Trauerfall in der Familie, manchmal bedrückt er uns lange; jüngere Menschen können ihn eher verwinden als ältere. –  Aber wir alle können Heimat denken und fühlen und, wenn wir jahrelang in einer ’neuen‘ Gegend leben, auch diese als eine Heimat empfinden. Nur: die Kindheit und das Aufwachsen bilden das ‚Hauptgewicht‘ bei HEIMAT, – und sie bleiben bei uns, wie die MUTTERSPRACHE.

Beide Wörter sind mit mehr Emotionen behaftet als alle anderen bisher benutzten Fachbegriffe; und beide Wörter sollen Sie anregen darüber nachzudenken, was die Entwicklung unserer Muttersprache für uns persönlich eigentlich bedeutet hat, – für alle Menschen, die nicht nur sprechen, sondern zu aller Erst auch  geboren werden und aufwachsen in ihrer Familie und in ihrer Umwelt.

Umwelt ist ein Wort mit emotionalem Beiklang, im Gegensatz zu dem nüchternen, sachlichen Begriff Umgebung; denn darunter versteht man (eine oder) die räumliche Ausdehnung. Ähnlich umfasst der Begriff Welt mehr (Geistiges, Ideelles) als Erde. Im obigen Zusammenhang (mit Heimat, auch mit Muttersprache) schließt der Begriff Umwelt sowohl die Landschaft als auch die darin lebenden Menschen ein. Dagegen sind Natur und Bewohner auf das Botanische bzw. auf Bevölkerung bezogen. Weil sowohl bei Natur allzu oft an Gegend oder Land gedacht wird, füge ich hier für Stadt noch die beiden (urbanen= auf „Stadt“ bezogenen) Alternativen ein: Kiez und Milieu. So sensibel kann unsere Sprache sein.

Aber wir haben erst die Hälfte aller europäischen Muttersprachen zusammengestellt. Wenden wir uns in den folgenden drei Posts der romanischen Sprachgruppe, danach der balto-slawischen Sprachgruppe zu und einigen besonderen Sprachsituationen in Europa. Erst dann betrachte ich mit Ihnen geschichtliche und einige ausgewählte Bereiche unserer Deutschen Muttersprache.

 

Anmerkungen

[1]  [28.02. bis 06.03.1945]

[2] Nach dem Germanenstamm der Alemannen, der aus dem (deutschen) Donautal schon zu Römerzeiten nach Südosten gezogen war

[3]  Die Gotische Sprache hat ihren Ursprung in Schweden, das gotische Alphabet ist eine alphabetische Schrift, die im 4. Jahrhundert zur Übersetzung des Neuen Testaments in die gotische Sprache entwickelt wurde. Das Ergebnis war die Wulfila-Bibel. Diese gotische Übersetzung des Neuen Testaments war das erste Buch in einer germanischen Sprache. Es wurde in Nicopolis ad Istrum im heutigen Bulgarien geschaffen; der Ort wurde somit zum Geburtsstätte der germanischen Literaturtradition. (Nicopolis ad Istrum war eine alte römische und byzantinische Stadt in der römischen Provinz Trakien, die im Jahr 102 gegründet wurde und bis zum Einfall der Slawen im 7. Jahrhundert existierte.  – Die gotische Schrift beruht in ihrer ganzen Anlage auf dem griechischen Alphabet. Dieses brachte uns nicht nur die grundsätzliche Buchstabenreihenfolge und das Prinzip der Zahlenschreibung mit Buchstaben, sondern auch die meisten Zeichenformen. Einzelne Buchstaben jedoch für Laute, die das Griechische nicht kennt, stammen aus der lateinischen Schrift und aus der Runenschrift. Die Buchstaben tragen Namen – gewöhnlich ein Wort, das mit dem entsprechenden Laut beginnt. Dieses Prinzip ist aus den griechischen und lateinischen Schriftsystemen nicht bekannt.

[4] Völkerwanderung: Klimatische und wirtschaftliche Veränderungen führten schon vor rund 2.000 Jahren zu erheblichen Wanderungen ganzer Volksstämme innerhalb des indoeuropäischen Großraums, ausgelöst durch das Eindringen asiatischer Völker etwa 300 n.Chr. in von Germanen besiedelte Gebiete. Die Völkerwanderung wird von etwa 350 bis 900 n. Chr. datiert; danach hatten sich Völker auf (neuen) Siedlungsgebieten eingerichtet, und es entstanden die ersten europäischen heutigen Nationalstaaten wie Polen, Frankreich, England.

Abb. 48: Die Neue Welt Entdeckungsfahrten zwischen 1492 (Violett) und 1504 (Rot)

[5] Die Neuzeit der Weltgeschichte beginnt – leichter zu merken als eine exakte Jahreszahl: 1500 – mit der Entdeckung der Neuen Welt, also etwa mit den großen Seefahrer-Erkundungen rund um unseren Erdball im 16. Jahrhundert.

[6] Judenfeindlichkeit, auch: Judenhass, Judenverfolgung bezeichnet (frei) nach einem Wikipedia-Artikel:  … eine pauschale Ablehnung der Juden (und des Judentums), die in allen Gesellschaften seit 2.500 Jahren immer wieder auftritt, besonders in der Geschichte Europas, und die ihren Höhepunkt in dem Holocaust der Deutschenzur Zeit des Nationalsozialismus fand (1933 bis 1945): Der (engl.‘) Begriff Holocaust kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet „vollständig verbrannt“/“das größte Unheil“, es war/ist der nationalsozialistische Völkermord an 5,6 bis 6,3 Millionen europäischen Juden. Dieses Menschheitsverbrechen gründete auf dem staatlich propagierten Antisemitismus und der rassistischen Gesetzgebung der Hitler-Diktatur in Deutschland. – Im Unterschied zu allgemeiner Fremdenfeindlichkeit (die zurzeit wieder sehr verbreitet ist) wird Judenfeindlichkeit mit angeblich stereotypen (unveränderlichen) Eigenschaften der (aller!) Juden begründet (Mörder unseres Gottes/ Brunnenvergifter/ Ritualmörder/’Feinde der Menschheit‘ (seit der Antike!)/Parasiten/Wucherer (seit dem Mittelalter)/heimliche Weltherrscher (seit dem 19. Jahrhundert, in dem – von Österreich ausgehend – der Judenhass der Deutschen seine Nahrung schöpfte. – Einblicke in diese grausige Chronologie, nachdem Juden im 1. Jahrtausend n.Chr. relativ friedlich und integriert in Europa lebten

[7]  Holland ist ein Teil der Niederlande, der im Westen von der Nordsee, im Osten vom Ijsselmeer, den Provinzen Utrecht, Gelderland und Nordbrabant sowie im Süden von der Provinz Zeeland begrenzt wird.  Brabant ist ein historisches Gebiet, das in etwa aus den belgischen Provinzen Antwerpen und Brabant sowie der im Süden der Niederlande gelegenen Provinz Nordbrabant besteht. [Im Laufe der europäischen Geschichte (die zu diesem Thema die geopolitische Basis bildet) haben sich Gebietsteile und ihre Bezeichnungen in ganz Europa öfter verschoben oder sind geteilt bzw. – nach Kriegen – verloren worden. Z. B. bin ich im deutschen ‚Land Pommern‘ geboren; das aber ist seit 1945 polnisches Staatsgebiet, trotzdem gibt es heute aber noch ein deutsches Bundesland mit Namen „Mecklenburg-Vorpommern]

[8] Vor mehr als 300 Jahren erreichten die ersten deutschen Siedler die Neue Welt. Sie kamen in der Hoffnung auf Freiheit und Land. Ihnen folgten Tausende, Zehntausende, Millionen. Weit mehr als 50 Millionen Amerikaner geben heute an, deutsche Vorfahren zu haben. So hat in der Vergangenheit nicht nur Amerika uns beeinflusst – die deutschen Auswanderer haben auch Amerika geprägt. Von ihrer Geschichte erzählt das neue ZEIT Geschichte-Magazin, angefangen bei der Gründung Germantowns im 17. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart. – Die USA blieben während des gesamten 19. und beginnenden 20 Jh.‘ das Hauptziel deutscher Emigranten. In der Periode von 1850 bis 1890 stellten die Deutschen sogar die größte nationale Einwanderungsgruppe. Von den 5,9 Millionen Menschen, die in der Zeit von 1820 bis 1828 nach Übersee gingen, wanderten 5,5 Mio – fast 9/10 – in die USA. (Auszug aus einem Wikipedia-Artikel).

In den vergangenen drei Jahrhunderten sind die einstigen Neuankömmlinge so sehr zu Amerikanern geworden, dass man die deutschen Spuren erst wieder neu entdecken muss. Wer organisierte die Armee der Kolonien im amerikanischen Unabhängigkeitskampf gegen die Briten? Ein preußischer Offizier. Worin hatte die föderale Verfassung der USA ihr Vorbild? In der Struktur des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Wer erfand die Jeans? Ein Unternehmer aus dem fränkischen Buttenheim. Wer kämpfte …? Wer entwarf …? Wer baute …? Die Namen unzähliger Familien und unglaublich vieler Orte in den USA und „in Übersee“ sprechen für sich. (Aber es war der amerikanische Geist der Freiheit, der alle diese „Einwanderer“ inspirierte, in Deutschland waren zu dieser Zeit individuelle Aktionen kaum denkbar, – die Obrigkeit der Herrschenden hätte das nicht zugelassen.)

[10] In den 70er Jahren konnte man in den USA Logistik  als eine Disziplin (ein wissenschaftlicher Bereich) der Wirtschaftswissenschaft studieren:  Heute   erfasst der Begriff  die Theorie aller Tätigkeitsformen, die mit Handel zu tun haben (ausgenommen das Produzieren von Waren): das Sortieren, Lagern, Verpacken, Verteilen, Transportieren und Zustellen von Waren aller Art.

 

 

Anmerkungen   [ + ]

1. [28.02. bis 06.03.1945]
2. Nach dem Germanenstamm der Alemannen, der aus dem (deutschen) Donautal schon zu Römerzeiten nach Südosten gezogen war
3. Die Gotische Sprache hat ihren Ursprung in Schweden, das gotische Alphabet ist eine alphabetische Schrift, die im 4. Jahrhundert zur Übersetzung des Neuen Testaments in die gotische Sprache entwickelt wurde. Das Ergebnis war die Wulfila-Bibel. Diese gotische Übersetzung des Neuen Testaments war das erste Buch in einer germanischen Sprache. Es wurde in Nicopolis ad Istrum im heutigen Bulgarien geschaffen; der Ort wurde somit zum Geburtsstätte der germanischen Literaturtradition. (Nicopolis ad Istrum war eine alte römische und byzantinische Stadt in der römischen Provinz Trakien, die im Jahr 102 gegründet wurde und bis zum Einfall der Slawen im 7. Jahrhundert existierte.  – Die gotische Schrift beruht in ihrer ganzen Anlage auf dem griechischen Alphabet. Dieses brachte uns nicht nur die grundsätzliche Buchstabenreihenfolge und das Prinzip der Zahlenschreibung mit Buchstaben, sondern auch die meisten Zeichenformen. Einzelne Buchstaben jedoch für Laute, die das Griechische nicht kennt, stammen aus der lateinischen Schrift und aus der Runenschrift. Die Buchstaben tragen Namen – gewöhnlich ein Wort, das mit dem entsprechenden Laut beginnt. Dieses Prinzip ist aus den griechischen und lateinischen Schriftsystemen nicht bekannt.
4. Völkerwanderung: Klimatische und wirtschaftliche Veränderungen führten schon vor rund 2.000 Jahren zu erheblichen Wanderungen ganzer Volksstämme innerhalb des indoeuropäischen Großraums, ausgelöst durch das Eindringen asiatischer Völker etwa 300 n.Chr. in von Germanen besiedelte Gebiete. Die Völkerwanderung wird von etwa 350 bis 900 n. Chr. datiert; danach hatten sich Völker auf (neuen) Siedlungsgebieten eingerichtet, und es entstanden die ersten europäischen heutigen Nationalstaaten wie Polen, Frankreich, England
5. Die Neuzeit der Weltgeschichte beginnt – leichter zu merken als eine exakte Jahreszahl um 1500, mit der Entdeckung der Neuen Welt, also etwa mit den großen Seefahrer-Erkundungen rund um unseren Erdball im 16. Jahrhundert.
6. Judenfeindlichkeit, auch: Judenhass, Judenverfolgung bezeichnet (frei) nach einem Wikipedia-Artikel:  … eine pauschale Ablehnung der Juden (und des Judentums), die in allen Gesellschaften seit 2.500 Jahren immer wieder auftritt, besonders in der Geschichte Europas, und die ihren Höhepunkt in dem Holocaust der Deutschen zur Zeit des Nationalsozialismus fand (1933 bis 1945): Der (engl.‘) Begriff Holocaust kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet „vollständig verbrannt“/“das größte Unheil“, es war/ist der nationalsozialistische Völkermord an 5,6 bis 6,3 Millionen europäischen Juden. Dieses Menschheitsverbrechen gründete auf dem staatlich propagierten Antisemitismus und der rassistischen Gesetzgebung der Hitler-Diktatur in Deutschland. – Im Unterschied zu allgemeiner Fremdenfeindlichkeit (die zurzeit wieder sehr verbreitet ist) wird Judenfeindlichkeit mit angeblich stereotypen (unveränderlichen) Eigenschaften der (aller!) Juden begründet (Mörder unseres Gottes/ Brunnenvergifter/ Ritualmörder/’Feinde der Menschheit‘ (seit der Antike!)/Parasiten/Wucherer (seit dem Mittelalter)/heimliche Weltherrscher (seit dem 19. Jahrhundert, in dem – von Österreich ausgehend – der Judenhass der Deutschen seine Nahrung schöpfte. – Einblicke in diese grausige Chronologie, nachdem Juden im 1. Jahrtausend n.Chr. relativ friedlich und integriert in Europa lebten.

Abb. 49: HD Rights Managed Stock Footage # 624-645-777  – Aufschrift des Plakats über dem geschmierten Wort JUDE und dem Stern: Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!

Hier ist eine weitere Zwischenbemerkung erforderlich, weil die Judenverfolgung im Deutschland der 20er Jahre und unter der Herrschaft des Nationalsozialisten Adolf Hitler zum größten Menschheitsverbrechen unserer Zeit ausuferte, von dem wir Deutschen – alle Deutschen – uns nicht mehr distanzieren können.

Dritte Zwischenbemerkung

Chronik der Unmenschlichkeit

  • Das Judentum ist mehr als 5.000 Jahre alt.[von hier an: nur n.Chr.]  –
  • ca. 50: Die frühen Christen machten „den Juden“ – nach Deutungen des ‚Neuen‘ Testaments, das von den Juden abgelehnt wird?/wurde, den Vorwurf, sie hätten Jesus‘ Tod zu verantworten; daher rührt bis heute eines der beständigsten Vorurteile (..aus Wikipedia🙂 Die Anklage des „Gottesmords“, die den Juden eine Kollektivschuld am Tod Jesu Christi gibt. Daraus abgeleitet oder damit verwandt waren auch zahlreiche christliche Ritualmord-Legenden.
  • 1050: Bevor christliche Männer, Frauen und Kinder (!) in Kreuzzügen nach Jerusalem aufbrachen, um die Ungläubigen aus „dem Heiligen Land“ zu verjagen, wurden erste Judenverfolgungen im Rheinland eingeleitet
  • 1144: Erste Verurteilungen von Juden in England wegen deren angeblichen „rituellen Christen- und Kindermorden“  1215: Das Oberhaupt der Kirche, Papst Innozenz III., erließ antijüdische Gesetze, z. B. ein Verbot des Heiligen Buches der Juden (Talmud)  –  12. und
  • 13. Jahrhundert: Mit üblen Verschwörungstheorien wurden Pogrome (gewalttätige Aktionen) an Juden gerechtfertigt, besonders bei den Kreuzzügen und bei der Pestpandemie, der Ausbreitung der Pest über Landesgrenzen hinaus
  • im 14. Jh.: In England und Frankreich kam es zu ersten Vertreibungen und zu Massenmorden an Teilen der jüdischen Bevölkerung, in Portugal wurden Juden (zu Christen) zwangsgetauft oder (bei Weigerung) ermordet, auch in den deutschen Kleinstaaten, was dort jedoch nach 1650 nachließ  –
  • Um 1450, führte die spanische Inquisition (Kirchlich angeordnete Judenvertreibung) den Begriff der „Reinheit des Blutes“ ein.  –  Im Hochmittelalter nahm die antijüdische Kirchenpolitik Züge einer systematischen Verfolgung an. Juden wurden zwangsgetauft, ghettoisiert, kriminalisiert und dämonisiert. – Auch Martin Luther riet in seiner Schrift Von den Juden und ihren Lügen
  • 1543 den Fürsten zur Zerstörung der Synagogen und jüdischen Wohnungen, Internierung, Zwangsarbeit und schließlich zu ihrer Vertreibung  –
  • 19. Jahrhundert: Die christliche Judenfeindschaft ging in einen allgemeinen rassistischen Judenhass über;
  • seit 1900 waren nationalistische Christen oft auch Antisemiten, so in der NS-Zeit die evangelische Kirchenpartei „Deutsche Christen“
  • 1933 begann bereits die Hitlers staatliche Boykottaktion jüdischer Geschäfte
  • Reichspogromnacht am 8. Nov. 1938 – Abb. 49/Foto: Der offizielle Vernichtungskampf der Nationalsozialisten gegen die Juden in Europa begann. Wikipedia: Der Holocaust [ˈhoːlokaʊ̯st] (engl., aus altgriech. ὁλόκαυστος holókaustos „vollständig verbrannt“; auch Schoah für „die Katastrophe“, „das große Unglück/Unheil“) war die Bezeichnung für den nationalsozialistischen Völkermord an 5,6 bis 6,3 Millionen europäischen Juden. Deutsche und ihre Helfer führten ihn von 1941 bis 1945 systematisch, ab 1942 auch mit industriellen Methoden durch, mit dem Ziel, alle Juden im deutschen Machtbereich zu vernichten.  –  Dieses Menschheitsverbrechen gründete auf dem staatlich propagierten Antisemitismus und der entsprechenden rassistischen Gesetzgebung des NS-Regimes.   –  Heute werden in Deutschland antisemitische Reden und Handlungen als Volksverhetzungen im Zusammenhang mit entspr. Straftaten strafrechtlich verfolgt und geahndet.
  • Nach dem 2. Weltkrieg: England, das die Herrschaft über Palästina hatte, erlaubte den Juden die offizielle Rückkehr in ihre (‚biblische‘, angestammte) Heimat und zog sich 1948 aus dem Nahen Osten zurück, und die Juden konnten endlich „ihren“ Staat Israel gründen, mussten das Land allerdings mit den Palästinensern teilen. Seitdem hat es 8 Kriege zwischen den beiden Völkern gegeben, seitdem besteht ein ständiger Nahostkonflikt zwischen Juden und Arabern.
  • Der internationale Konflikt in der Region dauert bis heute an.
  • Fast ungebrochen sind Antisemitismus und Antizionismus nach 1945 im Nahen Osten, in den arabischen/ moslemischen (palästinensischen) und islamischen Gesellschaften verbreitet.

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Fahren wir fort mit der Aufstellung der europäischen Muttersprachen germanischen Ursprungs:

Belgische Flagge

Holländer, Belgier und Friesen entwickelten ihr Brabant und Niederländisch.                                      Flagge von (Belgien – ohne Nummerierung)

29:  Belgien

Das Herzogtum Brabant, im südlichen Rheinmündungsgebiet gelegen, hatte seit dem 13. Jahrhundert eine eigene Muttersprache. Sie entstand schon im 17.  Jahrhundert aus brabantischen  und holländischen Schriftdialekten des Altniederländischen, als sieben reiche holländische Provinzen sich zu einer europäischen Seemacht zusammenschlossen und einen unabhängigen niederländischen Staat mit einer eigenen, modernen Standardsprache gründeten.[7]((Holland ist ein Teil der Niederlande, der im Westen von der Nordsee, im Osten vom Ijsselmeer, den Provinzen Utrecht, Gelderland und Nordbrabant sowie im Süden von der Provinz Zeeland begrenzt wird.  Brabant ist ein historisches Gebiet, das in etwa aus den belgischen Provinzen Antwerpen und Brabant sowie der im Süden der Niederlande gelegenen Provinz Nordbrabant besteht. [Im Laufe der europäischen Geschichte (die zu diesem Thema die geopolitische Basis bildet) haben sich Gebietsteile und ihre Bezeichnungen in ganz Europa öfter verschoben oder sind geteilt bzw. – nach Kriegen – verloren worden. Z. B. bin ich im deutschen ‚Land Pommern‘ geboren; das aber ist seit 1945 polnisches Staatsgebiet, trotzdem gibt es heute aber noch ein deutsches Bundesland mit Namen „Mecklenburg-Vorpommern]

7. Holland ist ein Teil der Niederlande, der im Westen von der Nordsee, im Osten vom Ijsselmeer, den Provinzen Utrecht, Gelderland und Nordbrabant sowie im Süden von der Provinz Zeeland begrenzt wird.  Brabant ist ein historisches Gebiet, das in etwa aus den belgischen Provinzen Antwerpen und Brabant sowie der im Süden der Niederlande gelegenen Provinz Nordbrabant besteht. [Im Laufe der europäischen Geschichte (die zu diesem Thema die geopolitische Basis bildet) haben sich Gebietsteile und ihre Bezeichnungen in ganz Europa öfter verschoben oder sind geteilt bzw. – nach Kriegen – verloren worden. Z. B. bin ich im deutschen ‚Land Pommern‘ geboren; das aber ist seit 1945 polnisches Staatsgebiet, trotzdem gibt es heute aber noch ein deutsches Bundesland mit Namen „Mecklenburg-Vorpommern]

Wappen von Brabant

Vor allem die (heute belgische) Stadt Antwerpen hatte lange Zeit eine Vorbildfunktion für die entstehende Hochsprache. Viele Lehnwörter des Niederländischen stammen aus dem Französischen, dem Deutschen und in neuerer Zeit aus dem Englischen. – Bis heute leidet Belgien unter dieser historischen Sprachgrenze, die den nördlichen Landesteil, der belgisch-niederländisch (Brabant) spricht, vom südlichen, französisch sprechenden Belgien teilt.

30:     Niederlande

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Die Niederlande hatten schon im ausklingenden Mittelalter fast 100 Jahre gegen das spanische Königshaus und dann gegen England und Herrschaftsansprüche Frankreichs ankämpfen müssen. Im 17. Jahrhundert hatten die  reichen Städte das Land zur Seemacht in der Welt aufsteigen lassen, durch Niederländische Handelsgesellschaften in Ost- und in Westindien boomte Diamantenhandel und er Handel mit exotischen Blumen, die Universität von leiden war die bedeutendste in Europa, und die Kaufleute förderten die niederländische Malerei, deren große Meister (Rembrandt, Vermeer, Jan Stehen, Frans Hals) mit den Bildnissen, Stillleben und Blumengebinden bis heute als privater Wandschmuck ebenso beliebt waren die tolerante (obwohl streng protestantische) Grundhaltung der Bevölkerung.

1814 wurde das Königreich der Niederlande unter dem Haus Oranien gegründet. So hat sich eine Nation (ein Staatsvolk) stolz und selbstbewusst die Eigenständigkeit gegenüber den mächtigen Nachbarn England, Frankreich und Spanien bewahrt – gerade auch in der Muttersprache, während ‚Deutschland‘ in kleine und kleinste Landesteile zerstückelt und von großen Kriegen geschunden war und sich erst in dieser Zeit mühsam zu einen ersten (losen) Staatenbund durchgerungen hatte (Post 18/19).

31: Afrikaans, die Sprache in Südafrika

www.internationalefahnen.de\flagge-südafrika

Es waren  Niederländer, die am Ende des 17. Jahrhunderts Südafrika eroberten und dort ihre Kolonien gründeten. Leider haben die Buren, die frühen holländischen Siedler in Südafrika, die im 17. und 18. Jahrhundert einen großen Anteil am Sklavenhandel hatten, noch bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts (!) eine radikal assistische Innenpolitik praktiziert. Aber bis heute spricht wird dort heute Afrikaans, auch Kapholländisch genannt als erste Staatssprache gesprochen.

32: Friesisch

Abb. 50: 320px-Bilingual_signs_German-Frisian_Police_Station_Husum

Friesisch sprechen heute noch an der Nordseeküste 400.000 Menschen: Belgier, Holländer, Deutsche Friesen) und Dänen.  – Deutsche Auswanderer sorgten für eine Verbreitung des Deutschen auch in den USA (wo die deutsche Sprache fast die  Nationalsprache  geworden wäre),  und in  Landesteilen  von  Südost-Europa und von Ozeanien und Asien.[8]((Vor mehr als 300 Jahren erreichten die ersten deutschen Siedler die Neue Welt. Sie kamen in der Hoffnung auf Freiheit und Land. Ihnen folgten Tausende, Zehntausende, Millionen. Weit mehr als 50 Millionen Amerikaner geben heute an, deutsche Vorfahren zu haben. So hat in der Vergangenheit nicht nur Amerika uns beeinflusst – die deutschen Auswanderer haben auch Amerika geprägt. Von ihrer Geschichte erzählt das neue ZEIT Geschichte-Magazin, angefangen bei der Gründung Germantowns im 17. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart. – Die USA blieben während des gesamten 19. und beginnenden 20 Jh.‘ das Hauptziel deutscher Emigranten. In der Periode von 1850 bis 1890 stellten die Deutschen sogar die größte nationale Einwanderungsgruppe. Von den 5,9 Millionen Menschen, die in der Zeit von 1820 bis 1828 nach Übersee gingen, wanderten 5,5 Mio – fast 9/10 – in die USA. (Auszug aus einem Wikipedia-Artikel). – In den vergangenen drei Jahrhunderten sind die einstigen Neuankömmlinge so sehr zu Amerikanern geworden, dass man die deutschen Spuren erst wieder neu entdecken muss. Wer organisierte die Armee der Kolonien im amerikanischen Unabhängigkeitskampf gegen die Briten? Ein preußischer Offizier. Worin hatte die föderale Verfassung der USA ihr Vorbild? In der Struktur des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Wer erfand die Jeans? Ein Unternehmer aus dem fränkischen Buttenheim. Wer kämpfte …? Wer entwarf …? Wer baute …? Die Namen unzähliger Familien und unglaublich vieler Orte in den USA und „in Übersee“ sprechen für sich.  – Aber es war der amerikanische Geist der Freiheit, der alle diese „Einwanderer“ inspirierte, in Deutschland waren zu dieser Zeit individuelle Aktionen kaum denkbar, – die Obrigkeit der Herrschenden hätte das nicht zugelassen.

8. Vor mehr als 300 Jahren erreichten die ersten deutschen Siedler die Neue Welt. Sie kamen in der Hoffnung auf Freiheit und Land. Ihnen folgten Tausende, Zehntausende, Millionen. Weit mehr als 50 Millionen Amerikaner geben heute an, deutsche Vorfahren zu haben. So hat in der Vergangenheit nicht nur Amerika uns beeinflusst – die deutschen Auswanderer haben auch Amerika geprägt. Von ihrer Geschichte erzählt das neue ZEIT Geschichte-Magazin, angefangen bei der Gründung Germantowns im 17. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart. – Die USA blieben während des gesamten 19. und beginnenden 20 Jh.‘ das Hauptziel deutscher Emigranten. In der Periode von 1850 bis 1890 stellten die Deutschen sogar die größte nationale Einwanderungsgruppe. Von den 5,9 Millionen Menschen, die in der Zeit von 1820 bis 1828 nach Übersee gingen, wanderten 5,5 Mio – fast 9/10 – in die USA. (Auszug aus einem Wikipedia-Artikel). – In den vergangenen drei Jahrhunderten sind die einstigen Neuankömmlinge so sehr zu Amerikanern geworden, dass man die deutschen Spuren erst wieder neu entdecken muss. Wer organisierte die Armee der Kolonien im amerikanischen Unabhängigkeitskampf gegen die Briten? Ein preußischer Offizier. Worin hatte die föderale Verfassung der USA ihr Vorbild? In der Struktur des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Wer erfand die Jeans? Ein Unternehmer aus dem fränkischen Buttenheim. Wer kämpfte …? Wer entwarf …? Wer baute …? Die Namen unzähliger Familien und unglaublich vieler Orte in den USA und „in Übersee“ sprechen für sich.  – Aber es war der amerikanische Geist der Freiheit, der alle diese „Einwanderer“ inspirierte, in Deutschland waren zu dieser Zeit individuelle Aktionen kaum denkbar, – die Obrigkeit der Herrschenden hätte das nicht zugelassen.

–  –  –  –  –  –  –  –  –  –

Abb. 51: Zwei alemannische Fastnachtsmasken, Fu.jpg

Nun muss – nach der südbelgischen und der Norddeutschen noch eine letzte Minderheiten-Sprache genannt werden: die alemannische Sprache im Südosten Deutschlands:

33:   Die Sprache Alemannisch ist mehr als ein Dialekt

oder eine deutsche Mundart:  Als Alemannisch bezeichnet mer dr Dialäkt / di Sproch wu im Südweschte vum ditsche Sprochrüüm gschwätzt wird. Alemannisch wird vo uugfähr zäe Millione Mänsche gredet. I de Schwyz kennt mers als Schwyzerdütsch, z Frankriich heissts Elsässerditsch. Regional gits verschiidini Eigebezeichnige, wiä z.B. Markgräflerisch, Kaiserstiählerisch,   Baseldytsch,  Züritüütsch,  Luschtenauerisch  usw.  D Sprochwisseschaft zellt au s Schwäbisch zum Alemannische. (Zitat, wie der ganze Absatz: Wikpedia)     

Zwischen dem 6. und dem 9. Jahrhundert ging die Alemannia politisch und kulturell im Ostfrankenreich auf und wurde zwischen dem 10. und zum 13. Jahrhundert politisch nochmals vom staufischen Herzogtum Schwaben zusammengefasst. (In Aachen, der Stadt, in der Karl d. Gr. im Jahr 800 zum Kaiser des Frankenreichs gekrönt wurde, wurde die Fußballmannschaft der höchsten Bundesliga „Alemannia  Aachen“ genannt, aber erst im Jahr 1900, als der Fußball bei uns zum Volkssport wurde.)

Die vierte  Zwischenbemerkung

Internationaler Handel hat nicht nur in den Niederlanden,

Abb. 52: Hanse-Koggen transportierten alle Handelsgüter über die Nord- und die Ostsee – hier der Nachbau einer Kogge, der den Fremdenverkehr in der Hansestadt Rostock (HRO) und in Warnemünde fördert. (Fuhrmann)

 

sondern auch in Deutschland eine Jahrhunderte alte Tradition. Dort waren es die Seehäfen, hier das dichte Netz der Handelsstädte auf den Landwegen quer durch Europa. Nicht nur die Landesherren der vielen kleinen Grafschaften, Herzog- und Fürstentümer profitierten von diesem Handel, auch die Städte wurden reich, erkauften sich ihr Stadtrecht, errichteten große Kirchen und repräsentative Rathäuser. Das Bauhandwerk boomte, ganze Kolonnen von Bauhütten-Mannschaften mit Statikern, Zimmerleuten, Maurern, Steinmetzen, Glasmachern und Dachdeckern zogen durchs Land und arbeiteten für den Unterhalt ihrer Familien in der Heimat, wie auch die zahlreichen Fuhrmänner …

Abb. 53: Hanse-Logistik im Mittelelter

Zeitgeschichtlich hatte zwischen 1170 und 1650 die deutsche Hanse größten wirtschaftlichen und politischen Einfluss auf alle Staaten an den Nordsee- und Ostseeküsten; sie war mit ihren Niederlassungen in allen Hafenstädten das größte Logistik-Unternehmen im spätmittelalterlichen Europa[9]((In den 70er Jahren konnte man in den USA Logistik  als eine Disziplin (ein wissenschaftlicher Bereich) der Wirtschaftswissenschaft studieren:  Heute   erfasst der Begriff  die Theorie aller Tätigkeitsformen, die mit Handel zu tun haben (ausgenommen das Produzieren von Waren): das Sortieren, Lagern, Verpacken, Verteilen, Transportieren und Zustellen von Waren aller Art.

Post 12: Die romanische Sprachgruppe

Das Beitragsbild zeigt eine Landschaftszeichnung aus der Toscana, mit Tusche gezeichnet von Leonardo da Vinci (1451 – 1519), italienischer Maler, Bildhauer, Architekt, Anatom, Mechaniker, Ingenieur und Naturphilosoph. Er gilt als einer der berühmtesten Universalgelehrten aller Zeiten.

Post 12:

Die romanische Sprachgruppe

Aus dem Latein der Römer und des späteren Italiens (vgl. Post 9: Erste Zwischenbemerkung), deren Hafenstädte nach der Völkerwanderung für Europas wirtschaftliche Entwicklung von großer Bedeutung waren, entstanden erst zu Beginn des Mittelalters, etwa vom 9. Jahrhundert an, die Sprachen jener Länder, die nach der Römer-Herrschaft eine eigene, ihnen gemäße Entwicklung nehmen konnten. Alle Länder, die mit der Kultur und der lateinischen Sprache der Römer über mehrere hundert  Jahre bekannt geworden waren, entwickelten ihre Landessprachen mehr oder weniger vulgär-lateinisch.[1] [1]vulgär ist ein abwertender Ausdruck, er bedeutet: gewöhnlich. Vulgär-lateinisch ist demnach nicht die korrekte Sprechweise des Lateinischen, sondern ein verstümmeltes Schriftsprachen-Latein; zum leichteren Verständnis: Das uns allen bekannte „Berlinern“ – gesprochen: Balienan – eine für typische Stadtberliner Sprechweise taucht im Schriftdeutsch nur auf, wenn diese spezielle Sprechweise der Urberliner Bevölkerung gemeint ist: Icke bünn ooch’n Baliena, wa?!

Dazu müssen wir uns wieder einen Überblick über die Geschichte Europas verschaffen, –  zunächst ohne „Sprachgeschichte“. Die  Entwicklung unserer Nationen auf dem ganzen mittleren und südlichen Kontinent ist geprägt von Gemeinsamkeiten, deren Hauptbegriff  Romanisch diese Sprachgruppe untrennbar an Römisch bindet.

Die fünfte Zwischenbemerkung: Europa im Mittelalter

Das Römische Reich war schon um 500 zerfallen,  aber die Regierungsformen waren – wie in „alten Zeiten“ – unverändert: Aus der Mitte eines Stammes, eines Volkes, einer Gemeinschaft zusammenlebender Menschen tauchten kluge ‚Führungskräfte‘ auf, die zum Herrscher oder Monarchen  gewählt und wiedergewählt oder bestimmt und in einer Erbfolge wieder bestimmt wurden. So hatten Herrschaftshäuser in ganz Europa das Land (nach vielen blutigen Kämpfen) in „Reiche“ aufgeteilt, und so hatte sich die sesshafte und angestammte Bevölkerung dauerhaft ansiedeln und ‚zugehörig fühlen‘ können. Aber auch in der romanischen Sprachgruppe blieben mehr Sprachen lebendig, als „Reiche“ entstanden waren, die viel später zu Nationen wurden: Wir werden häufiger Dialekte antreffen, die fest in den Teilgesellschaften eines Staates verankert sind.  Sind das frühere Volksstämme? Oder ‚integrierte‘ Bürger?

Abb. 55: https://www.google.de/.kleebachschule.de\ Fliteratur-im-mittelalter-bm.blogspot.

I

II

 

III

 

 

Sieben Einblicke in die politische und kulturelle Situation Europas im Mittelalter:

  1. Die vorherrschende Gesellschafts- und Wirtschaftsform des Mittelalters war der Feudalismus.[2] [2]Feudalismus ist ein Herrschaftssystem, in dem alle Rechte über das ‚Volk‘ (Grundbesitz, Handwerk und Wirtschaft, Religionszugehörigkeit, Erbschaft, Abgaben von Geld und Ernteerträgen, Rechtsprechung und Strafe) bei der obersten Gesellschaftsschicht liegen. Das Christentum hatte sich bis zum  10. Jahrhundert fast in ganz Europa verbreitet. Die zahlreichen Klöster in allen Ländern sorgten für einen starken Anstieg der Landwirtschaft, der Baukunst und der Kultur. Mönche lernten in den Klöstern die lateinische Schrift und die Bibel (in lateinischer Sprache) zu lesen, abzuschreiben und zu illustrieren.
  2. Die Zeichen der kirchlich-christlichen Pracht (tausende von Kirchen, Dome und Kathedralen) und die Zeichen der fürstlichen Macht (Burgen und Schlösser) beherrschten die Baukultur. – Die Merkmale dieser Zeit waren die Romanik (etwa zw. den Jahren 1000 und 1300) und die Gotik (von ca. 1200 bis 1550. Die Backstein-Gotik Norddeutschlands wurde sogar bis ins bis in das 19. Jh. gebaut). Anfangs war es eine christlich geprägte, Gott ergebene Gläubigkeit, die die Menschen ehrwürdige Bauwerke errichten ließen, später wurden die Stilmerkmale mehr und mehr auch auf die Repräsentationsbauten der Herrschenden übertragen: aus Burgen wurden Schlösser, und es entstanden Rathäuser, Paläste und schließlich (um 1800) auch Stadtvillen.                .
Abb. 56: https://www.google.de/search?q=dom+zu+speyer+bilder&tbm=HpM-RINSYQTDgM:

Abb. 56: der Dom zu Speyer; romanischer Baustil (800 bis 1.200) mit vielen Türmen, Anbauten vorn und hinten und entlang der Längsmauern (Seitenschiffe genannt); die relativ kleinen Fenster hatten oben runde Bögen

Abb. 57: Gotische Kathedrale in Amiens, Nordfrankreich

Abb. 57: Kathedrale von Amiens, gotischer Baustil mit den Spitzbögen bei allen sehr hohen Fenstern und dem gemauerten Tragwerk (1150 bis 1450, teilweise auch länger – z.B. wurde der Kölner Dom bis zum Endes 19. Jh‘. gebaut; in England entstanden – in spätgotischen  Varianten -Kirchen ind Schlösser bis heute).

3. Trotz der zahlreichen Städte-Gründungen trat im Laufe des Mittelalters keine wesentliche Änderung der Regierungsformen in Europa ein.[3] [3]Schon um das Jahr 1.000 gab es in Mitteleuropa ca. 3.000 Städte. Allerdings hatten sie durchschnittlich kaum mehr als 2.000 bis 3.000 Einwohner

4. Veränderungen traten aber bei der mächtigen christlichen Kirche ein, deren Oberhaupt, der Papst mit Sitz im Vatikan-Palast in Rom, für das Leben und den Glauben aller Christen im Reich verantwortlich war. Er bekam Gegner aus eigenen Kreisen, die ihrem geistigen Führer (ihrem ‚Heiligen Vater‘) nicht in allen Glaubensfragen gehorsam folgen wollten: Im Jahr 1054 spaltete sich die Kirche, die fast 700 Jahre das Erbe des Römischen Reiches über ganz Europa vergrößert hatte[4] [4]Die Bezeichnung dieser ersten Trennung der christlichen Kirchen ist das Schisma. Fortan gab es im „alten“ Römischen Reich römisch-katholische  Christen, deren Bibeltexte in lateinischer Schrift überliefert wurden, und im oströmischen, dem Byzantinischen Reich griechisch-orthodoxe Christen, die eine andere, die kyrillische Schrift verbreiteten. Die Oberhäupter beider Kirchen kämpften verbissen um die ihre Vormachtstellungen: katholische Christen im Weströmischen Reich – orthodoxe Christen im Oströmischen Reich (s. Abb. 58!).

Abb. 58: Nach dem Schisma: zwei Kirchenreiche – 800px-Great_Schism_1054_wirh_former_borders.png

5. Sprachgeschichtlich haben diese Glaubens-Umwälzungen erhebliche Auswirkungen gehabt: Die griechisch-orthodoxe Religion hat nicht nur andere Glaubensregeln, – sie schreibt auch anders: Seit über 1.000 Jahren gibt es in Europa neben der lateinischen auch die kyrillische Schrift  – vgl.:   Post 5!

6.  Die politische Entwicklung in Europa schritt gegen Ende des Mittelalters unaufhaltsam voran, es entstanden immer mehr neue Staaten: Im Nordwesten hatten sich die Niederlande, Flandern und Brabant gegründet, im Norden die Königreiche England, Norwegen, Schweden, Dänemark, im Osten wuchsen das Königreich Polen und die Großfürstentümer Litauen und Russland, das spätere Kaiser-/Zarenreich  heran, im Südwesten die Königreiche Portugal, Kastilien, Aragon (später vereinigt zu Spanien) und  Frankreich,  nach Südosten hin Ungarn, mehrere kleinere Staaten in Südost-Europa [die Donaufürstentümer Moldawien und die Walachei (Rumänien), Serbien, Montenegro und Bulgarien], dann griechische Fürstentümer und das riesige Osmanische Reich, dessen Hauptstadt zunächst Konstantinopel (Istanbul) und von 1534 Ankara an wurde, seit dem 19. Jahrhundert: die Türkei; dann teilten sich noch in Südeuropa  neun kleine Königreiche oder Herzogtümer das heutige Italien. – Und dazwischen, in Mitteleuropa – zwischen Nord- und Ostsee und der Adriaküste lag das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, ein Bündnis von mehr als dreihundert Kleinstaaten, deren Entwicklung zu Deutschen Ländern (Kleinstaaten) und schließlich zu einem Deutschland sich noch über fünf Jahrhunderte hinziehen sollte (vgl. Posts 16 bis 19).

7. Natürlich fanden nahezu ständig Machtkämpfe  zwischen den Staaten statt, und mit der Reformation auch der zweite Machtkampf zwischen den Religionen statt (der in Wahrheit nur zwei Konfessionen (= Bekenntnisse) des einen, christlichen Glaubens betraf: römisch-katholisch vs. evangelisch-lutherisch. Die Entscheidung über die Wahl des Glaubensbekenntnisses aber lag damals einzig bei jedem Herrscher (siehe oben!). Damit wurden die Verschiedenheiten wiederum zu Machtkämpfen umgeformt. –

In Europa glänzten die Palastbauten der Herrscher, das „Volk“ dagegen litt unter Hunger und Armut, unter Kriegsgräueln und zusätzlich unter Epidemien wie Pest und Cholera.

Heute herrscht Frieden innerhalb der Christlichen Gemeinschaft [5] [5].. im Gegensatz zum Islam, der – etwa um 600 n. Chr. entstanden –  immer noch für große Unruhe in der muslimischen Gesellschaft sorgt: weder die verschiedenen Glaubensrichtungen noch die unterschiedlichen Organisationsformen tolerieren einander, – bis auf die immer wieder  durchbrechende, europaweite Verfolgung der Juden, besonders im Hitler-Deutschland 1933 bis 1945 [vgl. Post 11: Chronik der Unmenschlichkeit].

Ende der fünften Zwischenbemerkung

Setzen wir die Nummerierung aller europäischen Muttersprachen mit romanischen Sprachwurzeln fort:      (für alle folgenden Jahresangaben gilt nur „n.Chr.“). 

34: In Italien

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Abb. 59: Michelangelo: Meister der italienische Renaissance – David.

haben einige Dialekte lange Zeit ganze Landesteile dominiert.  Ähnlich wie in „Deutschland“ bestanden dort bis in das 19. Jh. hinein viele Kleinstaaten. Und dennoch sorgten die reichen Handelsstädte Mailand, Genua, Turin, Rom, Venedig für internationalen Ruhm, besonders  im 16. Jahrhundert war Italien das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Renaissance, ein Kunststil, der von der frühmittelalterlichen Bilderwelt mit ihren religiösen, biblischen Motiven Abstand nahm und sich lieber der künstlerischen Darstellung  der Natur und des Menschen widmete [bei Frankreich – Sprach-Nr. 44 – wird der Begriff noch einmal erläutert]. – Die politische Entwicklung Italiens erscheint hier wichtiger: sie erfolgte erst im 20. Jahrhundert, mit der 

Abb. 60: Albrecht Dürer, 1471 – 1528, Nürnberg, Meister der Deutschen Renaissance

wirklichen Vereinheitlichung der gesprochenen Sprache erst aufgrund der nationalen Einigung. Als italienische Einheitssprache setzte sich im 19. Jahrhundert in dem (dann) vereinigten Königreich Italien der „florentinische“ Dialekt durch. –  Aber daneben gibt es in Italien noch weitere Muttersprachen. Einige Sprachwissenschaftler vertreten bis heute die Meinung, dass z. B. …

35: … Sizilien …

… aufgrund seiner besonderen Lage als Jahrhunderte altes Seefahrer- und Handelszentrum aus vorchristlichen Zeiten seine sizilianische Sprache  von Seefahrern aus Persien, Arabien, Griechenland und Nordafrika bereichert hat mit den vielen Begriffen (und Sprachregeln!) aus den fremden Kulturen.  Sizilianisch gilt, je nach Standpunkt, immer noch als ein Dialekt der italienischen Sprache oder eine eigenständige Einzelsprache. Es wird von etwa fünf Millionen Sprechern in Sizilien selbst und einigen weiteren in den Regionen Apulien, Kalabrien und Kampanien gesprochen. Auch

36: Sardinien

tendiert mit auffallend vielen katalanischen und gallischen  Sprachanteilen zu einer altfranzösischen Sprache. Sardisch hat sich andererseits aber deutlich mehr lateinische Elemente bewahrt als das offizielle Italienisch. Dagegen ist

37: das Korsische …

[7] Die schwarzen Köpfe auf den Flaggen sind Hinweise auf die maurische Bevölkerung dieser beiden Inseln

 … eher als eine eigene Sprache anzusehen, ihr Vokabular und ihre Diktion neigen teils zum (französischen)  Galloromanischen, teils zum Italoromanischen (Vokabular: Wort-Auswahl und -gebrauch; Diktion: Sprechweise). Im frühen Mittelalter gehörte Korsika zum Königreich Norditalien, vom 18. Jahrhundert an zu  Frankreich (die Insel war vom „Mutterland verkauft“ worden), auf der Insel wurde Napoleon geboren, die Korsen fühlen sich als Franzosen. (Aber sie sprechen außerdem korsisch.) –

Auch das Rätoromanische (entstanden im Sprachbereich der Dolomiten) tritt schon im Nordosten Italiens auf und reicht bis in den Süden Tirols hinein:

38: Friaul und Venetien      

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Das Friaul ist eine italienische Provinz im nordöstlichsten Zipfel Italiens, das aus Gebieten Südost-Tirols und Nordvenetien (einschl. Triest) besteht. Hier wird Friaulisch oder Furlanisch gesprochen . Ein Großteil der Bevölkerung spricht neben Italienisch auch Österreichisch Deutsch. Friaulisch ist eine anerkannte und geförderte Sprache ist, die an den Schulen des Friauls als ordentliches Fach in die Lehrpläne aufgenommen wurde.

Die Ibero-Romanische Sprachgruppe

Abb. 61: (auf einer alten Banknote) Dame de Elche. Iberische Steinbüste aus dem 5. Jh. v.Chr.

hat ihren Namen nach dem uralten Volksstamm der Iberer, die schon um 800 v.Chr. gemeinsam mit den Griechen und den Phöniziern Handelsstädte an ihrer Mittelmeerküste aufbauten. Dann kamen römische Kauf- und Seeleute dazu und so entwickelte sich zwischen dem 3. und dem 8. Jahrhundert die portugiesische Sprache (portugiesisch português)  mit  der kastilischen Sprache und  dem Galicischen in Nordwest-Spanien zu einer gemeinsamen Ursprungssprache. Nach der Herausbildung der Staaten Portugal und Kastilien entwickelten sich – neben dem Katalanischen – die beiden heutigen Sprachen Spanisch und Portugiesisch als Weltsprachen.

39: Portugal

Portugiesisch wird von über 240 Millionen Muttersprachlern gesprochen; die Sprache gehört zur iberoromanischen Abteilung dieser Sprachgruppe (benannt nach den Iberern, einem alten Volksstamm auf der südöstlichen Halbinsel Europas).

  Die Sprachgebiete bedeckten fast den ganzen Süden der iberischen Halbinsel, aber sie wurden  zwischen 700 und 1200 von nordafrikanischen Mauren (Mohammedanern) besetzt (Vgl. dazu unten: Spanisch). Schon in dieser Zeit entwickelte sich die portugiesische Sprache als erste eigenständige Sprache des im 12. Jh. gegründeten Königreichs Portugal.

40: Galicien

ist ein Gebiet in der nordwestlichen „Ecke“ Spaniens, fast so groß wie Belgien und mit seiner wilden

Atlantikküste ein beliebtes Urlaubsland, weltberühmt ist der Wallfahrtsort Santiago la Compostella. Mehr als 60 % der Bewohner sprechen Galicisch, das auch eine offizielle Staatssprache ist, sich aber inzwischen mehr zum Dialekt zurück bildet.[6] [6]Ob die Wirren des Frühmittelalters dafür verantwortlich zu machen sind, sei dahingestellt: Jedenfalls gab es „am anderen Ende“ von Europa – im westlichen Teil der heutigen Ukraine, südlich von Polen – zwischen 1770 und 1918 – ein Königreich Galizien, dass allerdings territorial schon in den 20er Jahren des 19. Jh.‘ als Königreich dem Kaiserreich Österreich-Ungarn zugesprochen worden war.

41: Spanisch

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Abb. 62: Sevilla – 330px-La_Giralda_e_il_lampione.jpg

ist die Stammsprache der iberoromanischen Sprachen, hatte sich durch alte Dialekte (kastilisch und katalanisch – s. u.!) schon während und auch nach der Herrschaft der Römer nur eingeschränkt dem Vulgärlateinischen zugewandt, und diese Muttersprachen waren auch weder von den nachfolgenden Westgoten noch von der fast 700 Jahre andauernden, Besetzung des gesamten  Süden Spaniens durch Araber (die Mauren) verdrängt worden, – Herrscher waren die Kalifen von Cordoba[7]. [7]Nach dem Rückzug der römischen Besatzung hatten zunächst westgotische Volksstämme das Land besiedelt, bis um 700 die Araber das Land eroberten und bis in das 15. Jh. friedlich regierten, – in guter Nachbarschaft mit den einheimischen Christen. Man spricht heute von der Blütezeit Spaniens.) Das arabische Erbe schlug sich sowohl in der Architektur als auch in der Sprache nieder

Das arabische Erbe dieser Zeit  schlug sich sowohl in der Architektur als auch in der Sprache der Spanier nieder. – Im 15. Jh. vereinigten sich die beiden Königreiche Kastilien und Aragon zum Spanischen Königreich, das daraufhin dem ‚kleinen‘ Nachbarn Portugal die See-Vormachtstellung streitig machte und die Entdeckungsreisen des gebürtigen Italieners Columbus nach Amerika finanzierte.

42: Andalusien

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In der großen südwestlichen Provinz an der mediterranen „Sonnenküste“, spricht heute weit über seine Grenzen hinaus einen schwer zu verstehenden spanischen Dialekt, weil viele Konsonanten an den Wortenden gern weggelassen werden: andalusisch

In Katalonien und Andorra

300px-Flag_of_Catalonia.svg.png

im Nordosten von Spanien, wie auch in dem kleinen Pyrenäen-Staat ANDORRA (Fürstentum Andorra , besteht seit dem 10. Jahrtausend, seit 1276 ein selbständiger Staat) wird katalanisch gesprochen,  eine Sprache, die dem

300px-Die katalanische Flagge-nur-in-Spaniens  Nationalfarben.svg.png

dem alten Südwest-französischen Galloromanischen

Andorra

ähnlich ist eine „Pyrenäen-Sprache“ – hier ohne Sprach-Nr., –  vgl. die „römische“ Karte Gallien unten und Sprach-Nr. 44!

43: Die kastilische Sprache

Kastilien

…  dagegen  zeichnet sich dadurch aus, dass er stärker von den vor-romanischen Sprachen geprägt war: im Mittelalter hatte sich das Königreich Aragon mit dem Königreich Kastilien und später verbunden, vor allem gegen die maurischen Nachbarn. Die aber wurden um 1492 besiegt (unter Führung des „spanischen Nationalhelden“ El Cid). So entstand der    iberische Staat (!). Und durch politische Umstände wurde kastilisch zur Nationalsprache Spaniens.

Die sechste Zwischenbemerkung

NEUZEIT  nennt sich die Epoche vom Jahr 1500 an, oder auch  das Zeitalter der Entdeckungen. Der nächste große Zeitabschnitt wäre dann das Jahrhundert der Revolutionen

Spanien und Portugal haben als Beherrscher der Weltmeere ihre Landessprachen an die von ihnen entdeckten Länder und späteren Kolonien über die ganze Erdkugel verteilt:

SPANISCH

… ist die Amtssprache in Argentinien, Chile, Kolumbien, Uruguay und Venezuela und eine der Amtssprachen von Bolivien, Ecuador, Paraguay, Peru. Das Land mit den meisten spanischen Muttersprachlern ist Mexiko. Auch in Kuba und der Dominikanischen Republik ist Spanisch die Amtssprache, – und damit für fast 400 Mio. Menschen auch die Muttersprache.

PORTUGISISCH 

… verbreitete sich weltweit im 15. und 16. Jahrhundert, als Portugal sein Kolonialreich aufbaute, das in Teilen bis in das Jahr 1975 überdauerte und Gebiete in Brasilien, Afrika und an den Küsten Asiens umfasste. Neben dem eigentlichen Portugiesischen gibt es etwa zwanzig Kreolsprachen auf überwiegend portugiesischer Basis. (Kreolen war früher eine der Bezeichnungen für die Nachkommen von südwesteuropäischen Siedlern und den eingeborenen Bewohnern in den außereuropäischen Kolonien Mittel- und Südamerikas, aber auch auf anderen Kontinenten.)

Abb. 63:          Hoheitszeichen des Königreichs Spanien

Abb. 64:  Hoheitszeichen des Königreichs Portugal

Mehr als 700.000 Menschen auf der Erde sprechen ibero-romanischen Sprachen: Portugiesisch oder Spanisch

–  –  –  –  –  –  –  –  –  –

Wir kommen zu den franko-romanischen Sprachen:

Gallien war, wie es die Römer in dieser Karte sahen, um 700 v.Chr. von Kelten

Abb. 65: Römische Karte von Gallien   

Gallier Römer Germanen

… erobert worden, die sich aber schon bald wieder zurückgezogen hatten. Um 125 n.Chr. hatten dann die Römer mit der flächendeckenden Besetzung des Landes begonnen. Es war ein Jahrhunderte langer, grausamer Eroberungskrieg, bis um das Jahr 750 (n.Chr.!) die letzte gallische Provinz (das gallische Dorf!) ‚römisch‘ wurde; bald darauf begann der Untergang des (west-)römischen Reiches, und die während der Völkerwanderung angesiedelten, zuvor von den Römern unterdrückten, ehemals westgermanischen Franken übernahmen die Herrschaft. Nach der Teilung des Reichs von Karl d. Gr. setzten sich (linksrheinisch) die romanische Kultur und Sprache der Franken von dem (rechtsrheinischen) fränkischen Osten des (alten) Reiches ab.[8] [8]Das Altfränkische ist also nicht mit dem Altfranzösischen zu verwechseln. Zwar gab es Berührungspunkte zwischen beiden Sprachen; während das Altfranzösische jedoch eine romanische Sprache ist, zählt das Fränkische zur germanischen Sprachfamilie.  Unter Karl d. Gr. erhielt das Altfränkische die amtliche Bezeichnung „theodisca lingua“, was so viel wie die „Sprache des Volkes“ bedeutet. Von diesem Begriff leitet sich übrigens das Wort „deutsch“ ab. [Ein Vorläufer des Begriffs findet sich allerdings schon im vierten Jahrhundert.] – Die mehrfache Reichsteilung dieses riesigen Gebietes begann um 850 n. Chr.    Sie eroberten nach dem endgültigen Sieg über eine letzte römische Provinz 486 n.Chr.  das ganze Gebiet  von Gallien, das heutige

44:    Frankreich;

und sie prägten entscheidend den französischen Wortschatz: Um die 700 Wortstämme wurden von den Franken übernommen (z. B. alise ‚Mehl- oder Elsbeere‘ [vgl. nl. els ‚Erle‘, entsprechend dt. Erle], blanc ‚weiß‘, danser ‚tanzen‘ [vgl. althochdeutsch dansōn ‚ziehen, dehnen‘], écran ‚Schirm‘ [vgl. engl. screen  und  dt. Schrank], gris  ‚grau‘, guerre  ‚Krieg‘ [vgl. niederländisch werre  ‚Ärgernis, Verwirrung’ jardin ‚Garten‘, lécher ‚lecken‘ u. v. a.. Noch Karl der Große (Krönung 800 n.Chr.) sprach als Muttersprache Fränkisch. Er sorgte auch für eine flächendeckende Missionierung seiner Untertanen und – ermöglicht durch die zahlreichen Klöster, die er in ganz Mitteleuropa errichten ließ – bestand auf der Verbreitung der lateinischen Schriftsprache. Sprachgeschichtlich spricht man im Zeitraum von 842 bis etwa 1340 von Altfranzösisch, und von 1340 bis etwa 1610 von Mittelfranzösisch. Am 15. August 1539 erließ der zweite französische König des Renaissancezeitalters. [9] [9]Renaissance: Die Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts; der Name ist französischen Ursprung: Wiedergeburt; und er verweist auf die „neue“ Hinwendung der Mensch, vor allem auch der Maler und Bildhauer, zu einer genauen Nachbildung der Natur (und natürlich auch des Menschen), – weg von der religiösen Verschlüsselung  der Bildmotive. Bestes Erkennungsmerkmal dieser Neuen Kunst: der Himmel auf den Gemälden ist nun blau und nicht – wie zuvor: golden oder symbolisch angedeutet.     

 

Abb. 66: Albrecht Altdorfer, 16. Jh. 390px-Altdorfer-Donau.jpg        

Abb. 67: Buchmalerei aus dem 11. Jh.

Mit dieser Naturnähe, diesem künstlerischen Drang, die Natur – und den Menschen – zu erforschen, beginnt – historisch gesehen – für uns die NEUZEIT Franz I., ein Edikt (ein Erlass vom Kaiser, vom König oder vom Papst) mit dem das Französische die Amtssprache in Frankreich wurde. Aber immer noch besteht eine Sprachgrenze im heutigen Belgien, die das Land in Wallonien und Flandern zerteilt (die Einen sprechen französisch, die Anderen brabant und niederländisch – s. o.: Nr. 27 und 28! Die Dominanz des Romanischen erklärt sich unter anderem aus dem nach wie vor hohen Prestige des Lateinischen, sowie aus der Übernahme franko-germanischer Sprachanteile. Im Laufe des Mittelalters entwickelte sich Paris zum Zentrum des (normannischen) Adels, König Wilhelm („Le Conquéreur“/William the Conqueror) wurde Englands Herrscher, 200 Jahre sprach der englische Hochadel nur französisch. Im 15 Jh. gewann Frankreich größte politische und diplomatische Macht. Und nun sprach der Adel ganz Europas französisch, die französische Literatur  gewann Weltruf, und der Philosoph Voltaire war einer der führenden Köpfe der aufklärenden  Kritik am Feudalismus – s.o.! – und an der katholischen Kirche. (Voltaire war ein guter Freund des Preußischen Königs Friedrich d. Gr., der am liebsten auch nur französisch sprach.)[10] [10]das Zeitalter der Aufklärung wird meist auf etwa 1650 bis 1800 datiert. Kennzeichen der Aufklärung sind die Berufung auf die menschliche Vernunft, der Kampf gegen Vorurteile, die Hinwendung zu den Naturwissenschaften, zur religiösen Toleranz. Die Aufklärung zielte auf mehr Emanzipation, Bildung, Bürgerrechte, Menschenrechte und das Gemeinwohl als Staatspflicht; Voltaire, erster Repräsentant der Aufklärung, hatte großen Einfluss auf das preußische Königshaus und bereitete die geistige Wende des politischen Denkens in Europa vor.

45: Provenzalisch,

Fahne der Provence

die Sprache der Provence, im Süden Frankreichs (südlich von Valence bis zum Mittelmeer und dort zwischen Arles und Nizza), blieb bis heute erhalten, obwohl sie von der französischen Republik lange Zeit unterdrückt worden war. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird sie wieder gesprochen. Die Bevölkerung mit provenzalischer Muttersprache wird Les Provençales genannt.

46: Okzitanisch (occitan Langue d’oc)

Tolosanerkreuz auf der Flagge der französischen Region Midi-Pyrénées – Hauptstadt Toulouse

Okzitanisch ist eine galloromanische Sprache, die hauptsächlich im südlichen Drittel Frankreichs gesprochen wird, am Mittelmeer zwischen Nîmes und Gerona in Nordwest-Spanien, dann im katalanischen Tourismusgebiet der Pyrenäen – mit der Hauptstadt Toulouse – bis nach Bordeaux auf dem Territorium Frankreichs (Val d’Aran); in Katalonien ist Okzitanisch auch Amtssprache. 

47: Rumänien und Moldawien

www.internationale-fahnen.de-flagge_rumänien

 

Rumänisch ist die östlichste der romanischen Sprachen aus dem italisch-romanischen Zweig des indoeuropäischen Sprachstamms. Die Nationalfahne hat die gleichen Farben wie Andorra (Sprach-Nr. 40), Das Staats-Wappen (links) ist – natürlich – ein ganz anderes.  Aber als offizielle Sprache wird das Rumänische in Rumänien und …

auch in der Republik Moldau[11] [11]Die Republik Moldau, umgangs-sprachlich Moldawien,  ist ein Binnenstaat in Südosteuropa. Er grenzt im Westen an Rumänien und wird im Norden, Osten und Süden vollständig von der Ukraine umschlossen, so dass kein direkter Zugang zum stellenweise nur zwei Kilometer entfernten Schwarzen Meer besteht. – Das Land gehörte einst zum russischen Zarenreich, später zur Sowjetunion, und erst seit der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts (1939) hatte es Zugang zur deutschen Sprache gefunden. Als eigenständiger Staat existiert die Republik Moldau erst seit 1991, als die Moldauische Sowjetrepublik sich während der Auflösung der Sowjetunion für unabhängig erklärte. Die politische Entwicklung des Landes wird seit dieser Zeit aber immer wieder behindert, etwa wie zur Zeit in der Ukraine [Krim-Konflikt]. gesprochen; darum fehlt hier die Sprach-Nr. Auch hier sind die Nationalfarben gleich, aber das (hier integrierte Staatswappen ein anderes. –

Von den 20,1 Millionen Einwohnern (2011) Rumäniens sind 85% Muttersprachler. In Moldawien gibt es 2,6 Millionen Muttersprachler, was 65% der Gesamtbevölkerung entspricht.  Außerhalb der  heutigen Grenzen Rumäniens und Moldawiens leben fast 11 Millionen Sprecher: darunter z. B. in der Ukraine 400.000, in Serbien 150.000 und in Ungarn (s. Post 9! ...) 20.000; in den USA und Kanada 3,6 Millionen, und In der restlichen Welt leben noch einmal rd. 3,5 Millionen Rumänen und Moldauer. Die Muttersprache Rumänisch ist von zahlreichen Wörtern der Nachbarsprachen durchsetzt: es gibt deutsche und albanische Lehnswörter und auffallend viele Slawismen, Gräzismen, Ungarismen und Turzismen (Anklänge an slawische, griechische, ungarische und türkische Sprach-Klänge).

Im folgenden Post 13 erfassen wir die „jüngeren“ Muttersprachen Europas, die baltischen und die slawischen Sprachgruppen.

 

Anmerkungen

[1]  vulgär ist ein abwertender Ausdruck, er bedeutet: gewöhnlich. Vulgär-lateinisch ist demnach nicht die korrekte Sprechweise des Lateinischen, sondern ein verstümmeltes Schriftprachen-Latein; zum leichteren Verständnis: Das uns allen bekannte „Berlinern“ – gesprochen: Balienan – taucht im Schriftdeutsch nur auf, wenn die spezielle Sprechweise der Urberliner Bevölkerung gemeint ist (die heute auch gern von Norddeutschen nachgeahmt wird, um eine Berliner Herkunft vorzutäuschen: Icke bünn ooch’n Baliena, wa?!)

[2]  Feudalismus ist ein Herrschaftssystem, in dem alle Rechte über das ‚Volk‘ (Grundbesitz, Handwerk und Wirtschaft, Religionszugehörigkeit, Erbschaft, Abgaben von Geld und Ernteerträgen, Rechtsprechung und Strafe) bei der obersten Gesellschaftsschicht liegen.

[3]  Schon um das Jahr 1.000 gab es in Mitteleuropa ca. 3.000 Städte. Allerdings hatten sie durchschnittlich kaum mehr als 2.000 bis 3.000 Einwohner

[4]  Schisma ist die Bezeichnung der ersten Trennung der christlichen Kirchen. Fortan gab es im „alten“ Römischen Reich römisch-katholische  Christen, deren Bibeltexte in lateinischer Schrift überliefert wurden, und im oströmischen, dem Byzantinischen Reich griechisch-orthodoxe Christen, die sich in der kyrillischen Schrift ausbildeten

[5]  .. im Gegensatz zum Islam, der – etwa um 600 n. Chr. entstanden –  immer noch für große Unruhe in der muslimischen Gesellschaft sorgt: weder die verschiedenen Glaubensrichtungen noch die unterschiedlichen Organisationsformen tolerieren einander

[6]  Ob die Wirren des Frühmittelalters dafür verantwortlich zu machen sind, sei dahingestellt: Jedenfalls gab es am anderen Ende von Europa – im westlichen Teil der heutigen Ukraine, südlich von Polen –zwischen 1770 und 1918 ein Königreich Galizien, dass allerdings territorial schon in den 20er Jahren des 19. Jh.‘ als Königreich dem Kaiserreich Österreich-Ungarn zugesprochen worden war.

[7]  Nach dem Rückzug der römischen Besatzung hatten zunächst westgotische Volksstämme das Land besiedelt, bis um 700 die Araber das Land eroberten und bis in das 15. Jh. friedlich regierten, – in guter Nachbarschaft mit den einheimischen Christen. Man spricht heute von der Blütezeit Spaniens.) Das arabische Erbe schlug sich sowohl in der Architektur als auch in der Sprache nieder

[8]  Das Altfränkische ist nicht mit dem Altfranzösischen zu verwechseln. Zwar gab es Berührungspunkte zwischen beiden Sprachen; während das Altfranzösische jedoch eine romanische Sprache ist, zählt das Fränkische zur germanischen Sprachfamilie.  Unter Karl d. Gr. erhielt das Altfränkische die amtliche Bezeichnung „theodisca lingua“, was so viel wie die „Sprache des Volkes“ bedeutet. Von diesem Begriff leitet sich übrigens das Wort „deutsch“ ab. (Ein Vorläufer des Begriffs findet sich allerdings schon im vierten Jahrhundert.)  – Reichsteilung: um 850 n. Chr.

[9] Renaissance: Die Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts; der Name ist französischen Ursprung: Wiedergeburt; und er verweist auf die „neue“ Hinwendung der Mensch, vor allem auch der Maler und Bildhauer, zu einer genauen Nachbildung der Natur (und natürlich auch des Menschen), – weg von der religiösen Verschlüsselung  der Bildmotive. Bestes Erkennungsmerkmal dieser Neuen Kunst: der Himmel auf den Gemälden ist nun blau und nicht – wie zuvor: golden. – Vgl. 59 oben

[10]  das Zeitalter der Aufklärung wird meist auf etwa 1650 bis 1800 datiert. Kennzeichen der Aufklärung sind die Berufung auf die menschliche Vernunft, der Kampf gegen Vorurteile, die Hinwendung zu den Naturwissenschaften, zur religiösen Toleranz. Die Aufklärung zielte auf mehr Emanzipation, Bildung, Bürgerrechte, Menschenrechte und das Gemeinwohl als Staatspflicht; Voltaire, erster Repräsentant der Aufklärung, hatte großen Einfluss auf das preußische Königshaus und bereitete die geistige Wende des politischen Denkens in Europa vor.

[11]  Die Republik Moldau, umgangssprachlich Moldawien,  ist ein Binnenstaat in Südosteuropa. Er grenzt im Westen an Rumänien und wird im Norden, Osten und Süden vollständig von der Ukraine umschlossen, so dass kein direkter Zugang zum stellenweise nur zwei Kilometer entfernten Schwarzen Meer besteht. – Das Land gehörte einst zum russischen Zarenreich, später zur Sowjetunion, und erst seit der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts (1939) hatte es Zugang zur deutschen Sprache gefunden. Als eigenständiger Staat existiert die Republik Moldau erst seit 1991, als die Moldauische Sowjetrepublik sich während der Auflösung der Sowjetunion für unabhängig erklärte. Die politische Entwicklung des Landes wird seit dieser Zeit aber immer wieder behindert, etwa wie zur Zeit in der Ukraine [Krim-Konflikt]

 

Anmerkungen   [ + ]

1. vulgär ist ein abwertender Ausdruck, er bedeutet: gewöhnlich. Vulgär-lateinisch ist demnach nicht die korrekte Sprechweise des Lateinischen, sondern ein verstümmeltes Schriftsprachen-Latein; zum leichteren Verständnis: Das uns allen bekannte „Berlinern“ – gesprochen: Balienan – eine für typische Stadtberliner Sprechweise taucht im Schriftdeutsch nur auf, wenn diese spezielle Sprechweise der Urberliner Bevölkerung gemeint ist: Icke bünn ooch’n Baliena, wa?!
2. Feudalismus ist ein Herrschaftssystem, in dem alle Rechte über das ‚Volk‘ (Grundbesitz, Handwerk und Wirtschaft, Religionszugehörigkeit, Erbschaft, Abgaben von Geld und Ernteerträgen, Rechtsprechung und Strafe) bei der obersten Gesellschaftsschicht liegen.
3. Schon um das Jahr 1.000 gab es in Mitteleuropa ca. 3.000 Städte. Allerdings hatten sie durchschnittlich kaum mehr als 2.000 bis 3.000 Einwohner
4. Die Bezeichnung dieser ersten Trennung der christlichen Kirchen ist das Schisma. Fortan gab es im „alten“ Römischen Reich römisch-katholische  Christen, deren Bibeltexte in lateinischer Schrift überliefert wurden, und im oströmischen, dem Byzantinischen Reich griechisch-orthodoxe Christen, die eine andere, die kyrillische Schrift verbreiteten
5. .. im Gegensatz zum Islam, der – etwa um 600 n. Chr. entstanden –  immer noch für große Unruhe in der muslimischen Gesellschaft sorgt: weder die verschiedenen Glaubensrichtungen noch die unterschiedlichen Organisationsformen tolerieren einander
6. Ob die Wirren des Frühmittelalters dafür verantwortlich zu machen sind, sei dahingestellt: Jedenfalls gab es „am anderen Ende“ von Europa – im westlichen Teil der heutigen Ukraine, südlich von Polen – zwischen 1770 und 1918 – ein Königreich Galizien, dass allerdings territorial schon in den 20er Jahren des 19. Jh.‘ als Königreich dem Kaiserreich Österreich-Ungarn zugesprochen worden war.
7. Nach dem Rückzug der römischen Besatzung hatten zunächst westgotische Volksstämme das Land besiedelt, bis um 700 die Araber das Land eroberten und bis in das 15. Jh. friedlich regierten, – in guter Nachbarschaft mit den einheimischen Christen. Man spricht heute von der Blütezeit Spaniens.) Das arabische Erbe schlug sich sowohl in der Architektur als auch in der Sprache nieder
8. Das Altfränkische ist also nicht mit dem Altfranzösischen zu verwechseln. Zwar gab es Berührungspunkte zwischen beiden Sprachen; während das Altfranzösische jedoch eine romanische Sprache ist, zählt das Fränkische zur germanischen Sprachfamilie.  Unter Karl d. Gr. erhielt das Altfränkische die amtliche Bezeichnung „theodisca lingua“, was so viel wie die „Sprache des Volkes“ bedeutet. Von diesem Begriff leitet sich übrigens das Wort „deutsch“ ab. [Ein Vorläufer des Begriffs findet sich allerdings schon im vierten Jahrhundert.] – Die mehrfache Reichsteilung dieses riesigen Gebietes begann um 850 n. Chr.
9. Renaissance: Die Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts; der Name ist französischen Ursprung: Wiedergeburt; und er verweist auf die „neue“ Hinwendung der Mensch, vor allem auch der Maler und Bildhauer, zu einer genauen Nachbildung der Natur (und natürlich auch des Menschen), – weg von der religiösen Verschlüsselung  der Bildmotive. Bestes Erkennungsmerkmal dieser Neuen Kunst: der Himmel auf den Gemälden ist nun blau und nicht – wie zuvor: golden oder symbolisch angedeutet.     

 

Abb. 66: Albrecht Altdorfer, 16. Jh. 390px-Altdorfer-Donau.jpg        

Abb. 67: Buchmalerei aus dem 11. Jh.

Mit dieser Naturnähe, diesem künstlerischen Drang, die Natur – und den Menschen – zu erforschen, beginnt – historisch gesehen – für uns die NEUZEIT

10. das Zeitalter der Aufklärung wird meist auf etwa 1650 bis 1800 datiert. Kennzeichen der Aufklärung sind die Berufung auf die menschliche Vernunft, der Kampf gegen Vorurteile, die Hinwendung zu den Naturwissenschaften, zur religiösen Toleranz. Die Aufklärung zielte auf mehr Emanzipation, Bildung, Bürgerrechte, Menschenrechte und das Gemeinwohl als Staatspflicht; Voltaire, erster Repräsentant der Aufklärung, hatte großen Einfluss auf das preußische Königshaus und bereitete die geistige Wende des politischen Denkens in Europa vor.
11. Die Republik Moldau, umgangs-sprachlich Moldawien,  ist ein Binnenstaat in Südosteuropa. Er grenzt im Westen an Rumänien und wird im Norden, Osten und Süden vollständig von der Ukraine umschlossen, so dass kein direkter Zugang zum stellenweise nur zwei Kilometer entfernten Schwarzen Meer besteht. – Das Land gehörte einst zum russischen Zarenreich, später zur Sowjetunion, und erst seit der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts (1939) hatte es Zugang zur deutschen Sprache gefunden. Als eigenständiger Staat existiert die Republik Moldau erst seit 1991, als die Moldauische Sowjetrepublik sich während der Auflösung der Sowjetunion für unabhängig erklärte. Die politische Entwicklung des Landes wird seit dieser Zeit aber immer wieder behindert, etwa wie zur Zeit in der Ukraine [Krim-Konflikt].

Post 13: Die Balto-slawische Sprachgruppe

 

 

Anmerkung zum Beitragsbild: Eine Fotomontage aus zwei Abbildungen berühmter Gebäude in Russlands Hauptstadt St. Petersburg: die Eremitage, eines der bedeutendsten Kunstmuseen der Welt, errichtet im 18. Jahrhundert, und die Auferstehungskirche, erbaut zwischen 1848 und 1919, – und einer aktuellen Panorama-Ansicht von Litauens Hauptstadt Vilnius.

Post 13: Die Balto-slawische Sprachgruppe

Abb. 68: Fuhrmann. Die baltische Staaten

Diese Sprachgruppe wird Balto-slawisch genannt, weil ihr zwei Sprachen der drei baltischen Staaten und die übrigen fünfzehn Sprachen der slawischen Sprachgruppe  angehören.[1] [1]Eine Nation ist das Volk eines politisch zusammengehörigen Landes- oder Staatsgebietes, das aufgrund verschiedener Merkmale als Gesellschaft dieses Landes erkennbar ist; die Merkmale sind zunächst die offizielle Zugehörigkeit dieser Menschen durch eine staatliche Bescheinigung, in deutsch: durch den Personal-Ausweis (als deutscher Staatsbürger), dann  die gemeinsame Landessprache, ein ‚fester‘, eingetragener Wohnsitz in einem Ort des Landes, das einerseits jedem seiner Staatsbürger und jeder Staatsbürgerin  ein privates Leben und die  Persönlichkeitsrechteim Rahmen der Gesetze des Landes – zusichert und schützt, das  andererseits ein gesellschaftliches Leben nach den landesüblichen Sitten und Bräuchen und auch nach den Ordnungen und Gesetzen des Landes erwartet und fördert. Die Landesregierung muss aber auch über die Einhaltung der persönlichen Pflichten  wachen und damit ein Leben in der staatlichen Gemeinschaft ermöglichen. – Nach dem Duden (von 2010) gehören zu den Merkmalen noch „Menschen von gleicher Abstammung, Geschichte, Kultur und dem Bewusstsein politisch-kultureller Zusammengehörigkeit, die ein politisches Staatswesen bilden.“ Für das erstgenannte ‚Merkmal‘ – Menschen gleicher Abstammung – setze ich heute realistisch diese Formulierung ein: ‚Menschen, die sich zu der Nation des Landes bekennen und sich aktiv um ihre Integration in diese Gesellschaft bemühen‘.

Diese 17 Länder liegen zudem in einem historisch gewachsenen, geschlossenen Gebiet: dem Osten des eurasischen Kontinentalsockels, auch bezüglich der Stammgebiete ihrer Muttersprachen, jedenfalls nach deren zeitlicher Entstehung und geografischer Lage (siehe: Abbildung 9 im Post 4: („… im westlichen Teil des heutigen Russlands.“).[2] [2]Als Sockel eines Kontinents (= Kontinentalsockel), auch Schelf genannt, ist der geschlossene, zusammenhängende Erdteil gemeint, auf dem ein Kontinent „steht“,  einschließlich vorhandener Binnenseen, die man sich als mit Wasser aus der umgebenden Erde – also Süßwasser – vollgelaufene Mulden im Gelände dieses Sockels vorstellen muss. Außer bei Europa und Asien ist jeder einzelne Kontinent von Ozeanen umgeben, oder von „Meeres-Armen“ (die Ostsee) oder von „Neben-Meeren“  dieser Ozeane wie z. B. das Mittelmeer. Ich habe eine Weltkarte im Net gesehen, die Europas „Ränder“ so aufzeigt, wie ich sie aus zahlreichen, auch naturwissenschaftlichen Texten kenne (aber ich bin weder Geologe noch Geograf):  Im Norden und Westen wird Europa vom Atlantik und dem Nördlichen Eismeer begrenzt, im Süden vom Schwarzen Meer und vom Mittelmeer; beides sind Nebenmeere des Atlantischen Ozeans. Im Südosten bilden der Kaukasus und das Kaspische Meer natürliche Grenzen, und im Osten sind es der Ural-Gebirgszug und -Fluss. – Politisch werden diese Grenzen teilweise überschritten, wie auch im Süden, wo die Dardanellen, das Marmarameer und der Bosporus sich als natürliche Grenzen erwiesen haben. [Beitragsbild Post 14!]

Balto-slawisch ist die vierte und letzte, aber auch die jüngste Großgruppe der indoeuropäischen Ursprachen. Sie entstand um 1.200 n. Chr. in Osteuropa, im Gebiet südöstlich der Ostsee, in östlicher Nachbarschaft der  baltischen Volksstämme, wo sich – neben den Esten [Sprach-Nr. 44] auch die Letten und die Litauen  (vgl. Karte oben!) angesiedelt hatten, zu denen sich noch mehrere verschiedene slawische Volkssmme gesellten.[3] [3]Zu einem dieser frühmittelalterlichen baltischen Volksstämme gehörten auch die Prußen, nach denen das frühere deutsche Land Ostpreußen genannt worden war, dessen Name in der deutschen Geschichte eine bedeutende Rolle spielt Darum fasse ich  beide indoeuropäischen Sprachgruppen zusammen. Man spricht in diesem Zusammenhang von dem Panslawismus innerhalb der osteuropäischen Staaten.[4] [4]Panslawismus wird der alte Traum von der Vereinigung aller slawischen Völker genannt

Hier sehen Sie die heraldisch überlieferten Farben[5] [5]Heraldik: Eine sehr alte Wappen- und Farbenlehre für die Schilde der Ritter (der Schild/die Schilde) und ihre Flaggen, die sich schon in den ersten Bildern von frühmittelalterlichen Kämpfen und Ritterspielen zeigte und seitdem in strenger und international anerkannter Tradition gepflegt wird. Herolde waren deren Anführer und Überwacher der slawischen Wappenkunst:

Abb. 69: Fuhrmann c die panslawischen Farben

Ein kräftiges Blau, ein sehr dunkles Rot und strahlendes Weiß. – Beachten Sie, in wie vielen Flaggen diese Farben in dieser Gruppe auftreten   –   einzeln oder in unterschiedlichen  Kombinationen!

46:   Lettland, baltisch

Während die lettische Sprache nach 1600 (in lateinischer Schrift) erschien, wurde im westlichen Teil dieses Sprachgebiets schon ab 1386 eine frühe ostslawische  Schriftsprache zur Amtssprache erklärt; sie wurde ruthenische Schrift genannt und war dem Kyrillischen ähnlich, – ein weiterer Beleg für das „Verwandtschaftsverhältnis“  des BaltischSlawischen. Alle drei baltischen Staaten (mit dem Großfürstentum Litauen) gehörten zu dieser Mischgruppe, zumal Litauen zwischen 1400 und 1600 in Personalunion mit dem Königreich Polen regiert wurde. Lettisch wurde 1918 zwar als Staatssprache ausgewiesen, war aber stets stark mit lateinische Anteilen durchsetzt (Latvia als Staatsname von Lettland!) und – zunehmend vom gleichen Zeitraum an – von der panslawischen Russifizierung des Kaiserreichs Russland und der späteren Sowjetunion kulturellen, sprachlichen und politischen Bereichen betroffen. Erst nach 1989 (vgl. Post 10, Anmerkung 3!) gewinnt die lettische Sprache wieder nationales Gewicht und ist auch anerkannte Sprache in der EU.

47: Litauen, baltisch

Zur Litauischen Sprache erschien das erste Wörterbuch 1620 in den Sprachen Polnisch –  Latein – Litauisch, beide auch in  lateinischer Schrift, um einige Zeichen bereichert. In   kyrillischer Schrift wurden   Weißrussisch (Belarus),   Russisch und   Ukrainisch gestaltet; alle drei Sprachen entstanden aus der altslawischen Sprache Rus  im Mittelalter (etwa zwischen 900 und 1500)[6]. [6]Rus: ein slawisches Volk, dessen Stammesgebiet im nordwestlichen Teil vom (heutigen/europäischen) Russland liegt [Abb. 9 im Post 4]

Alle folgenden Sprachen sind slawischen Ursprungs 

48:  Weißrussland/Belarus                                                                            49:   Russland

     

50:  Ukraine

51:   Serbien        52: Bosnien/Herzogowina                

 

Serbisch, Hauptsprache der Balkansprachen – teilweise auch Serbokroatisch – wird von ca. 7 Millionen Menschen in Serbien (Amtssprache und Muttersprache) gesprochen, – auch etwa 2 Millionen Menschen in Bosnien und Herzegowina, in Montenegro, im Kosovo, in Kroatien und in Mazedonien.

53:     Kroatien                                                                                                   54:    Kosowo

 

 

 

Kosovarisch ist eine alte Form des Albanischen.   –  Die montenegrinische Sprache ist eine südslawische Sprachvarietät (ein alter štokavischer Dialekt) und Amtssprache Montenegros. Sie basiert wie Bosnisch und Kroatisch auf Serbisch.

55: Mazedonien                                                                                               56: Montenegro

Flagge von Montenegro
Flagge von Mazedonien

 

57: Tschechische Republik   

58: Slowakische Republik

Tschechisch ist seit ca. 900 als Kirchensprache bekannt und wird muttersprachlich seit dem Mittelalter auch als Amtssprache gesprochen,

zur slowakischen Sprache der benachbarten Slowakei (auch in Österreich und Rumänien gesprochen) sind die Unterschiede besonders in der Schriftsprache gut erkennbar. –

59: Bulgarien

  Die bulgarische Sprache wird von rund 8 Millionen Menschen gesprochen; vor allem in Bulgarien, aber auch in den anderen südöstlichen Balkanstaaten wie Griechenland, Rumänien, Moldawien, in der Ukraine, in Serbien, in der Slowakei und der Türkei.

Abbildung 70: Die Balkanstaaten

Fuhrmann Balkanstaaten

 

60: Slowenien                                                                                                     61: Polen

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Die polnische Sprache ist eine westslawische Sprache und eng mit dem Tschechischen, Slowakischen, dem Sorbischen und dem Kaschubischen verwandt. Sie ist Amtssprache in Polen mit etwa 48 bis 55 Millionen Sprechern nach dem Russischen und vor dem Ukrainischen die slawische Sprache mit der zweithöchsten Sprecherzahl. Im Polnischen gibt es eine Reihe von Lehnwörtern aus dem Alttschechischen und Mittelhochdeutschen sowie aus dem Lateinischen und dem Griechischen; in jüngerer Zeit entstanden Einflüsse auf die polnische Sprache insbesondere aus dem Italienischen, Französischen, HochdeutschenUkrainischen, Weißrussischen, Ungarischen und Türkischen, einige wenige auch aus dem Russischen und dem Jiddischen. Gegenwärtig ist ein besonders großer Einfluss des Englischen zu beobachten. –

62:  Kaschubisch 

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Auch die kaschubische Sprache ist eine westslawische Sprache, die mir als ein uralter Dialekt bekannt ist, weil auch der Schriftsteller Siegfried Lenz in seinen ostpreußischen Geschichten immer wieder alt eingesessene Ostpreußen zu Wort kommen ließ. –

63: Die Sorben 

werden in der Niederlausitz ‚auf deutsch‘ auch Wenden und veraltet Lausitzer Serben genannt, sind ein westslawisches Volk, das seit dem 15. Jahrhundert in der Ober- und Niederlausitz (in den Ländern Sachsen und Brandenburg) lebt und in Deutschland dauerhaft als nationale Minderheit anerkannt ist, auch während der Nazi-Zeit und – trotz einiger Widerstände – auch in der ehemaligen DDR. Die Sorben haben neben ihrer Sprache und ihrer ausgeprägt ‚eigenen‘ Kultur eine offiziell anerkannte Flagge und Hymne. Sorben sind in aller Regel deutsche Staatsangehörige.  Der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen ist Stanislaw Tillich, ist Sorbe, er spricht außer Sorbisch und (natürlich) Deutsch auch Polnisch und Englisch.

Am Beginn dieses Beitrags  – im KAPITEL II / Post 3 – wurden in der Legende zu der Europakarte (Abb. 6) einige Sonderfälle angeführt, die nicht in die „familiären“ Beziehungen des indoeuropäischen Sprachraums einzugliedern waren, die aber in der großen Gruppe der Muttersprachen Europas nicht fehlen durften und darum gleich im ersten Teil vorgestellt wurden („einmalig auftretende Sprachen in Europa“ – autarke Sprachen / Post 7). –

Am Ende meiner Auflistungen folgt im Post 14 eine Sprach-Gruppe, die nur in diesem Zusammenhang eine derart ungenaue Bezeichnung haben darf: Sprachliche Sonderfälle: Als „Sprachinseln bezeichne ich Muttersprachen ohne indoeuropäische Wurzeln von Staaten, von denen kleine Landesteile auf europäischen Boden liegen, die aber ‚politisch‘ jenseits der Landesgrenzen Europas, zu  Asien bzw. zu Kleinasien liegen.

 

Anmerkungen:

[1]  Eine Nation ist das Volk eines politisch zusammengehörigen Landes- oder Staatsgebietes, das aufgrund verschiedener Merkmale als Gesellschaft dieses Landes erkennbar ist; die Merkmale sind zunächst die offizielle Zugehörigkeit dieser Menschen durch eine staatliche Bescheinigung, in deutsch: durch den Personal-Ausweis (als deutscher Staatsbürger), dann  die gemeinsame Landessprache, ein ‚fester‘, eingetragener Wohnsitz in einem Ort des Landes, das einerseits jedem seiner Staatsbürger und jeder Staatsbürgerin  ein privates Leben und die  Persönlichkeitsrechteim Rahmen der Gesetze des Landes – zusichert und schützt, das  andererseits ein gesellschaftliches Leben nach den landesüblichen Sitten und Bräuchen und auch nach den Ordnungen und Gesetzen des Landes erwartet und fördert. Die Landesregierung muss aber auch über die Einhaltung der persönlichen Pflichten  wachen und damit ein Leben in der staatlichen Gemeinschaft ermöglichen. – Nach dem Duden (von 2010) gehören zu den Merkmalen noch „Menschen von gleicher Abstammung, Geschichte, Kultur und dem Bewusstsein politisch-kultureller Zusammengehörigkeit, die ein politisches Staatswesen bilden.“ Für das erstgenannte ‚Merkmal‘ – Menschen gleicher Abstammung – setze ich heute realistisch diese Formulierung ein: ‚Menschen, die sich zu der Nation des Landes bekennen und sich aktiv um ihre Integration in diese Gesellschaft bemühen‘.

[2]  Als Sockel eines Kontinents (= Kontinentalsockel), auch Schelf genannt, ist der geschlossene, zusammenhängende Erdteil gemeint, auf dem ein Kontinent „steht“,  einschließlich vorhandener Binnenseen, die man sich als mit Wasser aus der umgebenden Erde – also Süßwasser – vollgelaufene Mulden im Gelände dieses Sockels vorstellen muss. Außer bei Europa und Asien ist jeder einzelne Kontinent von Ozeanen umgeben, oder von „Meeres-Armen“ (die Ostsee) oder von „Neben-Meeren“  dieser Ozeane wie z. B. das Mittelmeer. Ich habe eine Weltkarte im Net gesehen, die Europas „Ränder“ so aufzeigt, wie ich sie aus zahlreichen, auch naturwissenschaftlichen Texten kenne (aber ich bin weder Geologe noch Geograf):  Im Norden und Westen wird Europa vom Atlantik und dem Nördlichen Eismeer begrenzt, im Süden vom Schwarzen Meer und vom Mittelmeer; beides sind Nebenmeere des Atlantischen Ozeans. Im Südosten bilden der Kaukasus und das Kaspische Meer natürliche Grenzen, und im Osten sind es der Ural-Gebirgszug und -Fluss. – Politisch werden diese Grenzen teilweise überschritten, wie auch im Süden, wo die Dardanellen, das Marmarameer und der Bosporus sich als natürliche Grenzen erwiesen haben. (Beitragsbild Post 14!)

[3]  Zu einem dieser frühmittelalterlichen baltischen Volksstämme gehörten auch die Prußen, nach denen das frühere deutsche Land Ostpreußen genannt worden war, dessen Name in der deutschen Geschichte eine bedeutende Rolle spielt.

[4]  Panslawismus wird der alte Traum von der Vereinigung aller slawischen Völker genannt

[5] Heraldik: Eine sehr alte Wappen- und Farbenlehre für die Schilde der Ritter (der Schild/die Schilde) und ihre Flaggen, die sich schon in den ersten Bildern von frühmittelalterlichen Kämpfen und Ritterspielen zeigte und seitdem in strenger und international anerkannter Tradition gepflegt wird. Herolde waren deren Anführer und Überwacher

[6]  Rus: ein slawisches Volk, dessen Stammesgebiet im nordwestlichen Teil vom (heutigen/europäischen) Russland liegt (Abb. 3 im Kap. II)

 

 

 

 

 

Anmerkungen   [ + ]

1. Eine Nation ist das Volk eines politisch zusammengehörigen Landes- oder Staatsgebietes, das aufgrund verschiedener Merkmale als Gesellschaft dieses Landes erkennbar ist; die Merkmale sind zunächst die offizielle Zugehörigkeit dieser Menschen durch eine staatliche Bescheinigung, in deutsch: durch den Personal-Ausweis (als deutscher Staatsbürger), dann  die gemeinsame Landessprache, ein ‚fester‘, eingetragener Wohnsitz in einem Ort des Landes, das einerseits jedem seiner Staatsbürger und jeder Staatsbürgerin  ein privates Leben und die  Persönlichkeitsrechteim Rahmen der Gesetze des Landes – zusichert und schützt, das  andererseits ein gesellschaftliches Leben nach den landesüblichen Sitten und Bräuchen und auch nach den Ordnungen und Gesetzen des Landes erwartet und fördert. Die Landesregierung muss aber auch über die Einhaltung der persönlichen Pflichten  wachen und damit ein Leben in der staatlichen Gemeinschaft ermöglichen. – Nach dem Duden (von 2010) gehören zu den Merkmalen noch „Menschen von gleicher Abstammung, Geschichte, Kultur und dem Bewusstsein politisch-kultureller Zusammengehörigkeit, die ein politisches Staatswesen bilden.“ Für das erstgenannte ‚Merkmal‘ – Menschen gleicher Abstammung – setze ich heute realistisch diese Formulierung ein: ‚Menschen, die sich zu der Nation des Landes bekennen und sich aktiv um ihre Integration in diese Gesellschaft bemühen‘.
2. Als Sockel eines Kontinents (= Kontinentalsockel), auch Schelf genannt, ist der geschlossene, zusammenhängende Erdteil gemeint, auf dem ein Kontinent „steht“,  einschließlich vorhandener Binnenseen, die man sich als mit Wasser aus der umgebenden Erde – also Süßwasser – vollgelaufene Mulden im Gelände dieses Sockels vorstellen muss. Außer bei Europa und Asien ist jeder einzelne Kontinent von Ozeanen umgeben, oder von „Meeres-Armen“ (die Ostsee) oder von „Neben-Meeren“  dieser Ozeane wie z. B. das Mittelmeer. Ich habe eine Weltkarte im Net gesehen, die Europas „Ränder“ so aufzeigt, wie ich sie aus zahlreichen, auch naturwissenschaftlichen Texten kenne (aber ich bin weder Geologe noch Geograf):  Im Norden und Westen wird Europa vom Atlantik und dem Nördlichen Eismeer begrenzt, im Süden vom Schwarzen Meer und vom Mittelmeer; beides sind Nebenmeere des Atlantischen Ozeans. Im Südosten bilden der Kaukasus und das Kaspische Meer natürliche Grenzen, und im Osten sind es der Ural-Gebirgszug und -Fluss. – Politisch werden diese Grenzen teilweise überschritten, wie auch im Süden, wo die Dardanellen, das Marmarameer und der Bosporus sich als natürliche Grenzen erwiesen haben. [Beitragsbild Post 14!]
3. Zu einem dieser frühmittelalterlichen baltischen Volksstämme gehörten auch die Prußen, nach denen das frühere deutsche Land Ostpreußen genannt worden war, dessen Name in der deutschen Geschichte eine bedeutende Rolle spielt
4. Panslawismus wird der alte Traum von der Vereinigung aller slawischen Völker genannt
5. Heraldik: Eine sehr alte Wappen- und Farbenlehre für die Schilde der Ritter (der Schild/die Schilde) und ihre Flaggen, die sich schon in den ersten Bildern von frühmittelalterlichen Kämpfen und Ritterspielen zeigte und seitdem in strenger und international anerkannter Tradition gepflegt wird. Herolde waren deren Anführer und Überwacher
6. Rus: ein slawisches Volk, dessen Stammesgebiet im nordwestlichen Teil vom (heutigen/europäischen) Russland liegt [Abb. 9 im Post 4]

Post 14: Ergänzende Aufstellung aller indoeuropäischen Muttersprachen und einiger „sprachlicher Grenzfälle“

 Blick über den Bosporus von Europa nach Asien

 

Post 14: Ergänzende Aufstellung aller indoeuropäischen Muttersprachen und einiger „sprachlicher Grenzfälle“

Das ist schon ein geradezu gefährlicher Zwischentitel, weil die muttersprachlichen Außengrenzen für unseren Erdteil Europa nicht eindeutig festlegbar sind.  Aber ich möchte meinen Leserinnen und Lesern mit dieser letzten  Zusammenfassung eine (meine) Lösung im Hinblick auf das Thema dieses Blogs anbieten. Vom Post 15 an wende ich mich ausschließlich der Deutschen Sprache zu.

Zum Einen habe ich bisher nur zwei der Kleinstaaten Europas aufgeführt: Andorra (zwischen Spanien und Frankreich) und das Fürstentum Liechtenstein (zwischen der Schweiz und Österreich). Demnach sind noch vier weitere Staaten mit ihren Muttersprachen zu nennen.

Die sechs europäischen Zwergstaaten sind:

(Land | Flächengröße in qkm|Staatssprache| polit.‘ Bindg.| Einw | Sprach-Nr.)

  • Vatikan :                       0,5 |      Lat             |          It      |         800  |      32
  • Monaco :                       2    |      Fr              |     Souv.    |    39.000  |      42      
  •  San Marino  :            61    |       It              |      Souv.   |    34.000  |      32  
  • Ftm. Liechtenstein: 160  |       De            |      Souv.   |    39.000  |     16
  • Malta:                          316  |     Malti         |      Souv.    |415.000   |     68
  • Andorra:                    470  |  Katalanisch |      Souv.    |   73.000  |     40

Bisher habe ich zu jeder hier vorgestellten Muttersprache (in der Farbe einer der so genannten ursprünglichen Sprachgruppen – Post 4) auch die Nationalflagge des Staates gezeigt, in dem diese Sprache als Amtssprache festgelegt ist. Ich habe bei Nennung von Staaten ohne „eigene“ Amtssprache dennoch deren Fahne gezeigt (Andorra, Liechtenstein). Darum möchte ich nun auch die anderen europäischen Kleinstaaten in diese Auflistung der „Muttersprachen  Europas“ einbeziehen, denn das ist mein Thema. Schließlich muss ich einige Sprachen hinzufügen, die – als Muttersprache – nur geografisch oder politisch auf ‚europäischem Gebiet‘ gesprochen werden, weil ihr „Mutterland“ zu einem Teil auch in Europa liegt: Im Kaukasus, als Mittelmeerinsel oder in Kleinasien.

Diese Sprachen gehören in den meisten Fällen nicht zur indoeuropäischen Sprachfamilie; soweit sie in Staaten gesprochen werden, die Europa zugerechnet werden, erhalten sie auch keinen zugehörigen Farbton. 

64: Im Fürstentum Monaco . . .

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. . . wird französisch und englisch gesprochen. Das Fürstentum an der französischen Riviera wird seit dem 13. Jahrhundert von dem  Haus Grimaldi regiert. Politisch war der große Landbesitz der Adelsfamilie eng mit Italien verbunden, dort aber immer wieder in Streitereien mit norditalienischen Kleinstaaten verknüpft, bis Napoleon III. alles Land in Französischen Besitz nahm, Monacos Fürstentum arg verkleinerte, ihm dafür aber 1860  sein dauerhaftes Staatsrecht zusicherte. Monaco ist seit 1911 eine Monarchie und nach dem Vatikan der zweitkleinste Staat Europas.

65:  Die Republik San Marino

ist die letzte von zahlreichen selbst regierten italienischen Gemeinden aus dem Mittelalter. Sie überlebte die Gründung der mittelgroßen Staaten Italiens im 16. Jahrhundert und die Vereinigung Italiens im 19. Jahrhundert – auch dank ihrer seinerzeit schwer zugänglichen Position auf einem hohen Apennin-Rücken. Zumindest formell überstand sie auch die napoleonische Zeit und die Zeit des Faschismus[1] [1]Faschismus ist die Bezeichnung einer politischen Bewegung, die in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts unter Führung von Benito Mussolini, einem Diktator, der in Italien bis 1943/45 die Macht übernommen hatte. Er schloss sich mit dem deutschen Diktator Adolf Hitler zusammen. Der zunächst italienische Begriff für dieses radikale System wurde bald auf alle Formen nationalistischen Regierens (und Denkens) übertragen. in Italien als einer der Kleinstaaten Italiens, die mit der Errichtung der Republik Italien endete. In San Marino wird italienisch gesprochen.

66: Der Vatikanstaat,

Fahne des Vatikanstaates

mitten in Italiens Hauptstadt Rom gelegen, ist der kleinste der 6 Kleinstaaten Europas, die Amtssprachen sind italienisch und englisch. Der Staat ist eine „absolute Wahlmonarchie“: Der ‚Herrscher‘ ist der jeweils von Kardinälen (den höchsten Würdenträgern der Römisch-katholischen Kirche) gewählter Papst, der auf Lebenszeit vom „Heiligen Stuhl“ aus die Katholiken der ganzen Welt – im christlichen  römisch-katholischen Glauben – als Kirchen-Oberhaupt „regiert“.[2] [2]Dem katholischen Glauben nach gilt der Papst, das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, als der Nachfolger des Apostels Petrus („Heiliger Petrus“), dem obersten Jünger (zum personifizierten Nachfolger) von Jesus Christus, dem [dreieinigen] Gott der Christen aller Glaubensrichtungen in der Welt;  die Katholiken nennen ihren Papst den „Heiligen Vater“. (Ob er auch [noch] als Nachfolger Christi auf Erden gilt, weiß ich nicht, ich bin evangelisch.) Der Papst regiert von seinem Amts-Sitz in Rom, dem „Heiligen Stuhl“ im Vatikanstaat, wie ein Kaiser von seinem Thron aus regiert. [Natürlich sind die Katholiken, wie alle anderen Menschen, die sich zu einer Religion bekennen, Staatsbürger ihres Heimatstaates.]

Nun gibt es noch zwei (relativ kleine) Staaten auf zwei Mittelmeer-Inseln, die historisch und politisch eng mit Europa verbunden sind: Historisch, weil sie schon in der Antike beste Handelsbeziehungen zu allen südeuropäischen Hafenstädten hatten; und politisch, weil heute beide auch Mitgliedsstaaten der EU sind. Die Sprachen sind jedoch hier, wie in weiteren (letzten) Sonderfällen, nicht indoeuropäisch verwurzelt und sind deshalb einfach Schwarz geschrieben.

67:  Zypern 

225px-Flag_of_Cyprus.svg.png

Diese drittgrößte Mittelmeerinsel gehört geografisch zu Asien: Der Inselstaat Zypern ist (noch) politisch zweigeteilt in einen griechischen Teil, die Republik Zypern, und in einen türkischen Teil. Also  gibt es dort zwei  Amtssprachen. Aber die türkische Sprache gehört nicht zu der indoeuropäischen Sprachfamilie, es ist eine altaische Sprache aus dem Inneren Asiens (das Altai-Gebirge liegt im Süden Sibiriens). Seit fast 4.000 Jahre, aus der Zeit als die griechische Kaufleute das östliche Mittelmeer ‚beherrschten‘, spricht man auf der ganzen Insel (zu 92%) griechisch.

Die Republik Zypern  ist ein Inselstaat, der  am 16. August 1960 durch Unabhängigkeit der bisherigen Kronkolonie vom Vereinigten Königreich entstand. Am 1. Mai 2004 wurde die Republik Zypern Mitglied der Europäischen Union (EU).[3] [3]Zypernkonflikt: Ab dem 20. Juli 1974 wurde der Norden der Insel von der Türkei besetzt, wo am 15. November 1983 einseitig die Türkische Republik Nordzypern ausgerufen wurde, nachdem griechische Putschisten den Anschluss Zyperns an Griechenland durchsetzen wollten. In der Resolution 541 wurde die Ausrufung der Türkischen Republik Nordzypern von den Vereinten Nationen für ungültig erklärt

68: Malta

225px-Flag_of_Malta.svg.png.

… ist ein weiterer Kleinstaat Europas, er besteht aus drei  kleinen  Inseln und war lange Zeit – bis 1976 – Kolonie des Vereinigten Königsreichs (Großbritannien). Seit 2004 ist Malta EU-Mitglied. Geologisch gehören diese Inseln jedoch zu Afrika, aber politisch zu Europa, und gesprochen wird dort in einer ganz eigenen, aus dem mittelalterlichen Arabisch entstandene Amtssprache, die auch in der EU staatlich anerkannt wird: Maltetisch, genannt: Malti.  Die Sprache gehört einer afroasiatisch-semitischen Sprachgruppe an. –

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Abb. 71: Fuhrmann:: Kaukasusstaaten

Neben Armenien, das wegen seiner autarken, aber doch  indoeuropäischen Sprache (Post 8) zu Europa gezählt wurde – vgl. Sprach-Nr. 4, sollen – in diesem Text -auch die Kaukasusstaaten Georgien und Aserbaidschan zu Europa gehören.

Georgien

hat etwa 4 Millionen Einwohner, die alle  georgisch sprechen, eine der vier südkaukasischen Sprachen.

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Georgisch hat als Literatursprache eine lange Tradition. Die Schriftsprache heißt Mchedruli  und besteht aus einem Alphabet mit 33 Buchstaben. Zur Schreibung der georgischen Sprache wird die kyrillische Schrift verwendet.

Aserbadschan

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Die aserbaidschanische Sprache, gehört zu den südwestlichen Turksprachen und ist eng verwandt mit dem Türkischen. Die moderne aserbaidschanische Schriftsprache basiert auf dem Baku-Dialekt. Geschrieben wird kyrillisch. Aserbaidschanisch ist heute mit etwa 14 Millionen Muttersprachlern die wichtigste Turksprache im Iran. (nach Wikipedia) 

 Aserbaidschanisch und Georgisch gehören also nicht der indoeuropäischen Sprachgruppe an. – Die Kaukasusstaaten werden allerdings häufig zu Europa gezählt. Ein Grund dafür ist mir nicht bekannt, es sei denn, dass der historische Landschaftsbegriff Kaukasien hier anklingt, der sich auf diese Region bezog und mit alten historischen und kulturellen Beziehungen zu Europa verknüpft wird. Geographisch wird der Kaukasus üblicherweise zu Asien gerechnet.

Kasachstan

Ob jedoch auch Kasachstan, (Landes-Flächengröße 2.750.000 km²), das einen kleinen östlichen Landzipfel südlich des Ural-Gebirges mit „seinen“ fast 135.000 km² auf dem europäischem Kontinent liegt, weil hier – in „Verlängerung des Gebirges – der Strom des Ural die Grenze zwischen Asien und Europa bildet (Post 4: Kap. II, Abb. 6), möchte ich bezweifeln. –

Die Muttersprache des Kasachischen  hat turksprachige Wurzeln, seine Schriftsprache ist vorwiegend kyrillisch.

Das Türkische

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hat  turksprachige Wurzeln, die auf asiatischtatarische Sprachen verweisen,  wie das Afghanische. Ihre Schriftsprachen sind kyrillisch oder arabisch.

Die Türkei ist damit, obwohl sie vor kurzer Zeit noch Beziehungen zur EU aufnehmen wollte, nicht nur aufgrund mangelnder kultureller Traditionen, sondern auch der geografisch-geologischen Befunde „weiter“ von Europa entfernt, als die Kaukasusstaaten, ungeachtet ihrer derzeitigen politischen Distanz zur EU.

Diese vier Staaten sind nur der Vollständigkeit wegen angeführt, sie sprengen das Thema meines Textes. – Anders schätze ich die Position der hier zuletzt aufgeführten Sprache(n) ein.

Die siebente Zwischenbemerkung

 69: Kurdisch

Fahne der Kurden

Kurdisch ist eine indoeuropäisch entstandene Sprache – aus dem Iranischen Sprachzweig der  2. Generation unseres Stammbaums (vgl.: Post 7).  Wie alle anderen heute noch gesprochenen Sprachen in dieser Aufstellung ist auch das Kurdische durch die Geschichte seiner Sprecher geprägt:

Vom 7. Jahrhundert bis heute verteilt sich ein relativ geschlossener Siedlungsraum der Kurden auf die Staaten Türkei, Irak, Iran und Syrien. Aberdie Kurden leben auch hier in einer Art der Enklave; denn in diesen Gebieten leben neben Kurden aber auch Araber, Perser, Aserbaidschaner, Türken, Turkmenen, Armenier und Assyrer/Aramäer.[4] [4]Eine Enklave ist die Bezeichnung einer Volksgruppe (hier: der Kurden), die inmitten eines anderen Staatsgebietes lebt, – wie eine Insel mit eigener Kultur in einem fremden Land. Das gesamte kurdische Siedlungsgebiet umfasst je nach Definition zwar 400.000 bis 500.000 km², und zusätzlich gibt es noch kurdische Enklaven im Kaukasus und  in Usbekistan[5] [5]Kurdistan (kurdisch Kurdistan) ist ein nicht genau begrenztes Gebiet in Vorderasien, das als historisches Siedlungsgebiet von Kurden betrachtet wird. Die Staaten, über die sich dieses Gebiet erstreckt, vermeiden zumeist die Bezeichnung Kurdistan oder verbieten sogar den Gebrauch dieses Begriffes. Seine Tradition wird hingegen von breiten Schichten der kurdischen Bevölkerung gepflegt bzw. gefordert.; aber die andauernde Unterdrückung durch die Herrscher dieser Staatsgebiete hinderten die Kurden daran, eine eigene Nationalität zu entwickeln. Sind haben bis heute drei Muttersprachen, die kaum verbunden sind, können sich daher auch kulturell nur begrenzt als Nation empfinden und entwickeln.

Heute leben viele Kurden auch in Asien, Nordamerika und in Europa, – also wieder fremdbestimmt. Im Gegensatz zu ihren Herkunftsländern können sie nun in eher freiheitlichen und demokratisch strukturierten Nationen leben. Eine Abschottung von diesen Gesellschaften ist auf Dauer undenkbar, „Neubürger“ eines Landes, einer Stadt oder Gemeinde werden nach zwei oder drei Generationen Teil dieser Nation, das kann jeder in jedem Einwanderungsstaat beobachten, sofern und inwieweit seine ‚Bevölkerung‘ ihrerseits eine wechselseitige Integration toleriert und fördert. –

70:

Ein ähnliches, aber ungleich komplizierteres Schicksal betrifft

das Leben und die Sprache(n) der Sinti und Roma in europäischen und  entfernteren Ländern; ihre Sprachen haben wohl indische und/oder indisch-asiatische Wurzeln. Auch diese Menschen „reisen“ seit Jahrhunderten durch verschiedene Nationen, oft ungeliebt und verfolgt, sie leben bis heute in großen Teilen als moderne Nomaden, man darf auch – ohne diskriminieren zu wollen – ‚Zigeuner‘ sagen, mit viel Misstrauen und den hartnäckigsten Vorurteilen behaftet, aber ganz allmählich (nach Jahrtausenden) auch um Integration bemüht, – ein Aspekt der Muttersprachen in Europa, der nicht vergessen sein soll.

Man weiß immer noch (zu) wenig über (die „Volksstämme“?) der Sinti und Roma. „Rom“ heißt in ihrer Sprache Mensch, und „Romni“ ist die Roma-Frau. Fest steht, dass sie alle aus dem Stammland des Indoeuropäischen, aus Vorderindien kommen und sich schon im Mittelalter über Südeuropa – vornehmlich über Ungarn (!) – in ganz Europa verbreitet haben, aber nur sehr zögernd sesshaft werden. Das liegt auch an der ablehnenden Haltung der jeweils angestammten Bevölkerung – und ebenso an dem seit Jahrhunderten bestehenden Zusammenhalt unter den zerstreut lebenden und umherreisenden Roma-Gruppen. Musikliebhaber unter uns kennen allerdings nicht wenige Roma, die als hervorragende, auch weltberühmte Instrumentalsolisten bekannt geworden sind (Django Reinhardt u.a.). – 

Es ist demnach ganz offensichtlich schwierig, alle hier aufgeführten Nationen dem Kontinent Europa zuzuweisen, politische und geografische Fakten sind noch immer nicht „ausgesprochen“ eindeutig. Das Kurdische gehört zum Indoeuropäischen – das Roma nicht; die Kurden kamen erst im 20. Jahrhundert nach Europa – die Roma sind seit dem 14. Jahrhundert bei uns in Europa.. –

–  –  –  –  –  –  –  –  –

Betrachten wir das Thema „sprachliche Grenzfälle“ noch einmal geografisch:

Die hier nicht farbig geschriebenen fünf Staaten Kasachstan, Georgien und Aserbaidschan, liegen nur mit Teilen ihres Staatsgebietes „in Europa“, bzw. werden   –   wie auch Armenien – als „Grenzländer“ eher Europa als Asien oder Kleinasien zugeschlagen, wobei Vorderasien seit jeher eine unbestimmte Positionen einnimmt. Im Ausschlussverfahren lässt sich jedoch feststellen: Armenien, Russland, Kasachstan, Aserbaidschan, Georgien und die Türkei liegen nicht ausschließlich oder/und eindeutig auf dem kontinentalen Boden Europas, und die Muttersprachen der vier letztgenannten Staaten sind nicht indoeuropäischen Ursprungs. Außenpolitisch stehen besonders Russland, aber auch die Türkei eng mit Europa in Verbindung. Wenn es um die kontinentale Zugehörigkeit ginge, sähe ich sie zwar allen Bedenken zum Trotz Europa zugehörig.

Das bleibt jedoch letztlich eine Frage der eigenen staatlichen Entscheidung, und es bedarf seit 1992 (Vertrag von Maastricht) auch der Zustimmung aller in der Europäischen Union – EU vereinigten Staaten.

Abb. 72: Vorderasien, Land zwischen drei Kontinenten

Ich entschuldige mich für die Unschärfe dieser Grafik, aber ich wollte Sie Ihnen noch einmal anbieten, weil mir daran liegt, dass Sie noch ein paar Minuten über dieses „Stück Land“ nachdenken, das – einschließlich der Arabischen Halbinsel – fast so groß ist wie ein Drittel von Europa.  Verbindet es drei Erdteile?  – Ist es ein Adapter? – Ein Gelenk? – Ein Brennpunkt?   –

–  –  –  –  –  –  –  –

Abschließend für den ersten Teil meines Blog noch eine Hitliste aus dem  Guinnessbuch: Immerhin steht die indoeuropäische Sprachfamilie auf Platz 1 in der Welt-Rangliste: 1,75 Milliarden Sprecher, die europäischen Top-Muttersprachen folgen mit 1,3 Milliarden     und China [allein] folgt mit 1,2

DIE 12 WELTSPRACHEN nach Anzahl ihrer Sprecher: (Quelle: Wikipedia)

Englisch 340 Mio
Chinesisch 1,2 Mrd
Indisch 260 Mio
Spanisch 410 Mio
Französisch 75 Mio
Arabisch 240 Mio
Russisch 167 Mio
Portugiesisch 203 Mio
Bengalisch 193 Mio
Deutsch 82 Mio
Japanisch 122 Mio
Koreanisch 77 Mio

 

So haben wir nun zwar die Entwicklungen von circa 70  bis 75 Muttersprachen in Europa kennenlernen können, wenngleich 3 bis 4 meiner Definition nach keine europäischen Muttersprachen sind. Vergessen Sie aber nicht, dass die Grenzen zwischen Muttersprache, staatlich anerkannter Sprache (Erst-, Zweit- oder Drittsprache eines Landes), Dialekt oder Mundart verschwommen sind, und dass die „Plattdeutschen“ oder volkstümlich-regionalen Sprachvarianten gar nicht erfasst wurden. Zusätzlich und nicht nummeriert spielt das Lateinische für die europäischen Sprachen und für die Weltgemeinschaft eine fundamentale Rolle – wie übrigens auch das Griechische (und wie die arabisch-indische Zahlenwelt). – Aber bis sich in jeder Bevölkerung eines Staates oder in einer Volksgruppe in Europa eine Muttersprache entwickelt hatte, waren jahrhundertelange Prozesse vollzogen worden.

Abb. 73: Ziffern aus Indien

Ich werde diese „Wandlung“ am Beispiel der deutschen Sprache in den wichtigsten Phasen weiter betrachten (Posts 15 bis 21).

(Wer von Ihnen aber schon jetzt einige Fragen zu Fachbegriffen unserer allgemeinen Sprachwissenschaft hat, kann seine Wissenslücken aus dem schulischen Sprachunterricht (zwischen Grammatik-Wissen bis Linguistik auffüllen – in den Posts 22 und 23). 

 

Anmerkungen:

[1]  Faschismus ist die Bezeichnung einer politischen Bewegung, die in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts unter Führung von Benito Mussolini, einem Diktator, der in Italien bis 1943/45 die Macht übernommen, mit dem deutschen Diktator Adolf Hitler zusammenschloss. Der zunächst italienische Begriff für dieses radikale System wurde bald auf alle Formen nationalistischen Regierens (und Denkens) übertragen.

[2]  Dem katholischen Glauben nach gilt der Papst, das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, als der Nachfolger der Apostels Petrus („Heiliger Petrus“), dem obersten Jünger (zum personifizierten Nachfolger) von Jesus Christus, dem [dreieinigen] Gott der Christen aller Glaubensrichtungen in der Welt;  die Katholiken nennen ihren Papst den „Heiligen Vater“. (Ob er auch [noch] als Nachfolger Christi auf Erden gilt, weiß ich nicht, ich bin evangelisch.) Der Papst regiert von seinem Amts-Sitz in Rom, dem „Heiligen Stuhl“ im Vatikanstaat, wie ein Kaiser von seinem Thron aus regiert.

[3]  Zypernkonflikt: Ab dem 20. Juli 1974 wurde der Norden der Insel von der Türkei besetzt, wo am 15. November 1983 einseitig die Türkische Republik Nordzypern ausgerufen wurde, nachdem griechische Putschisten den Anschluss Zyperns an Griechenland durchsetzen wollten. In der Resolution 541 wurde die Ausrufung der Türkischen Republik Nordzypern von den Vereinten Nationen für ungültig erklärt.
[4]  Eine Enklave ist die Bezeichnung einer Volksgruppe (hier: der Kurden), die inmitten eines anderen Staatsgebietes lebt, – wie eine Insel mit eigener Kultur in einem fremden Land.

[5] Kurdistan (kurdisch Kurdistan) ist ein nicht genau begrenztes Gebiet in Vorderasien, das als historisches Siedlungsgebiet von Kurden betrachtet wird. Die Staaten, über die sich dieses Gebiet erstreckt, vermeiden zumeist die Bezeichnung Kurdistan oder verbieten sogar den Gebrauch dieses Begriffes. Seine Tradition wird hingegen von breiten Schichten der kurdischen Bevölkerung gepflegt bzw. gefordert.

 

Anmerkungen   [ + ]

1. Faschismus ist die Bezeichnung einer politischen Bewegung, die in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts unter Führung von Benito Mussolini, einem Diktator, der in Italien bis 1943/45 die Macht übernommen hatte. Er schloss sich mit dem deutschen Diktator Adolf Hitler zusammen. Der zunächst italienische Begriff für dieses radikale System wurde bald auf alle Formen nationalistischen Regierens (und Denkens) übertragen.
2. Dem katholischen Glauben nach gilt der Papst, das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, als der Nachfolger des Apostels Petrus („Heiliger Petrus“), dem obersten Jünger (zum personifizierten Nachfolger) von Jesus Christus, dem [dreieinigen] Gott der Christen aller Glaubensrichtungen in der Welt;  die Katholiken nennen ihren Papst den „Heiligen Vater“. (Ob er auch [noch] als Nachfolger Christi auf Erden gilt, weiß ich nicht, ich bin evangelisch.) Der Papst regiert von seinem Amts-Sitz in Rom, dem „Heiligen Stuhl“ im Vatikanstaat, wie ein Kaiser von seinem Thron aus regiert.
3. Zypernkonflikt: Ab dem 20. Juli 1974 wurde der Norden der Insel von der Türkei besetzt, wo am 15. November 1983 einseitig die Türkische Republik Nordzypern ausgerufen wurde, nachdem griechische Putschisten den Anschluss Zyperns an Griechenland durchsetzen wollten. In der Resolution 541 wurde die Ausrufung der Türkischen Republik Nordzypern von den Vereinten Nationen für ungültig erklärt
4. Eine Enklave ist die Bezeichnung einer Volksgruppe (hier: der Kurden), die inmitten eines anderen Staatsgebietes lebt, – wie eine Insel mit eigener Kultur in einem fremden Land.
5. Kurdistan (kurdisch Kurdistan) ist ein nicht genau begrenztes Gebiet in Vorderasien, das als historisches Siedlungsgebiet von Kurden betrachtet wird. Die Staaten, über die sich dieses Gebiet erstreckt, vermeiden zumeist die Bezeichnung Kurdistan oder verbieten sogar den Gebrauch dieses Begriffes. Seine Tradition wird hingegen von breiten Schichten der kurdischen Bevölkerung gepflegt bzw. gefordert.

Post 16: Vom Germanischen zum Althochdeutschen

Abb. 74: Marc-Aurel-Säule in Rom, errichtet zw. 160 und 190 n.Chr., ca. 40 m hoch

Anmerkung zum Beitragsbild: Germanische Ratsversammlung, Zeichnung eines Reliefabschnitts aus der Mark-Aurel-Säule in Rom – Anmerkung zu Bild-Quellen in der Geschichtswissenschaft: [1] [1]Eine Sicherungs-Wiederholung vom vorigen Post 15: Die Sprachwissenschaft ist Teil der Geschichtswissenschaft, und alle Geschichtswissenschaft ist eine Kultur- und damit eine Geisteswissenschaft, die sich mit der Geschichte von Menschen und menschlichen Gemeinschaften beschäftigt (mehr dazu im Post 25: Sprachkunst). Merkwürdig ist aber, dass diese Geisteswissenschaft über Jahrzehnte Bilder nicht als historische Quellen anerkannte! Insbesondere die Sprachwissenschaft misstraute dieser nonverbalen Überlieferung aus unserer Vergangenheit, weil sie Bildern – allen Bildern eine zu  subjektive  Betrachtungsweise der dargestellten Bildinhalte unterstellte. Als wenn Textschreiber (Autoren) grundsätzlich objektiver über Gesehenes berichten würden als die Autoren, die Bilder herstellen. Ein wirklich dummer Fehler, finde ich.

Sprachgeschichte – Teil 2

Die Entstehung der germanischen Sprache wird auf den Anfang des 2. Jahrtausends v.Chr. zurückgeführt (Post 11). Da aus dieser Zeit keine konkreten Quellen vorliegen, wird diese „Sprach-Zeit“ (erste Entwicklungen) um das Jahr 1.000 v.Chr. datiert, es ist die erste von drei Perioden in diesem

Post 16: 

Die urgermanische Zeit (1.100 bis 450 v.Chr.),

dann folgen die germanische Zeit, von 450 v. bis 750 n.Chr.

und schließlich die althochdeutsche Zeit, die man von 750 bis 1050 n.Chr. rechnet.

1. Die  Urgermanische  Zeit

Abb. 75: Julius Caesar

Man weiß nicht nur kaum etwas über die Sprache der Germanen; man weiß überhaupt zu wenig über die Germanen: Das Zeitalter nennt man „Eisenzeit“; man hat Werkzeuge und Waffen aus dieser Zeit gefunden (Post 3), aber erst die Römer konnten uns über „die Germanen“ berichten, weil sie (in Latein) aufschrieben, was sie beobachteten:

Der Historiker Stefan Jacob, einer der Auslöser für dieses Blog über die Sprachen (Post 1), hat u. a. auch übersetzt und zitiert, was einer der uns bekannten Römer über sie aufgeschrieben hat – so zwischen 65 und 50 v.Chr. Es war der römische Feldherr und Herrscher der Römischen Republik  Julius Caesar, und ich will Ihnen einige Auszüge aus den Aufzeichnungen zitieren, damit hier wenigstens ein paar Informationen über diese Zeit vorliegen, die die Sprachwissenschaft urgermanisch nennt (s.o.!):

(Aus dem 6. Buch, dem „Gallischen Krieg„; kursiv und schwarz gedruckter Text wurde von mit sinngemäß aus dem Original zusammengefasst. Fuhrmann)

Da wir einmal so weit gekommen sind, so scheint es hier die passende Stelle zu sein, von den Sitten  der Gallier und Germanen zu handeln, und worin diese beiden Nationen sich voneinander unterscheiden. … Bei den Germanen findet man weder Druiden, die den Gottesdienst versehen, noch geben sie sich viel mit Opfern ab. Sie haben nur solche Gottheiten, die man sieht und von denen man augenblickliche Vorteile hat … die Sonne, das Feuer, den Mond. … Ihr ganzes Leben ist zwischen Jagd und Kriegsübungen geteilt. Von Jugend an gewöhnen sie sich an Strapazen und sind auf Abhärtung bedacht. … Ackerbau betreiben sie nicht viel, ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus Milch, Käse und Fleisch. Niemand besitzt ein bestimmtes Ackerland oder eigenen Grund, sondern die Obrigkeit und die Fürsten weisen jährlich den Stämmen, den Sippen und denen, die sich sonst miteinander verbunden haben, Felder zu, soviel und wo es ihnen gefällt, und sie zwingen ihre Leute, das Jahr darauf anderswohin zu ziehen, damit über deren Arbeit am Hof und auf dem Feld keine Besitzansprüche ableiten und sie den Mächtigen oder den Ärmeren streitig machen kann statt gehorsam für die Kriegsübungen und Feldzüge für die Herrscher zu trainieren.

Den Staaten wird es zum höchsten Ruhm angerechnet, wenn alles weit und breit um sie herum verwüstet ist. Sie sehen es als tapfer an, die Unterlegenen (Nachbarn) zu vertreiben. Soin Ruhe und allein in der eigenen Sippefühlen sie sich am sichersten. In Friedenszeiten gibt es keine gemeinsame Regierung, sondern die Vornehmsten in den Provinzen und Gauen versehen bei ihren Leuten die Rechtsprechung und schlichten die Streitigkeiten. Raubzüge außerhalb der eigenen Grenzen haben bei ihnen gar nichts Anstößiges, sie sehen darin ein Mittel, die jungen Leute … vor dem Faulenzen zu bewahren. …

Statt weiterer Abbildungen von Germanen biete ich Ihnen hier drei Bilder von wichtigen germanischen Göttern an, die auch Julius Caesar oben erwähnte und die – wie viele Bücher und Bilder zu „den Germanen“ – aus dem 19. Jahrhundert stammen, als sich ein regelrechter Germanen-Kult entwickelte, der leider auch zu jener fanatisch verzerrenden Ideologie von der arischen Herrenrasse führte (eine Anhäufung verbogener wissenschaftlich nicht haltbarer Theorien zur Begründung und Rechtfertigung des politischen Handelns der Deutschen im 19. Jahrhundert), die den im frühen 20. Jahrhundert sich anbahnenden Hype zum Nationalsozialismus auslöste und schließlich Deutschland ins Verderben stürzte. (Vgl. Post 20: Die Weltkriege!)

Abbildungen 76, 77, 78

Wotan ist der oberste Gott der Germanen. Er stammt aus dem Göttergeschlecht der Asen. Ihm zur Seite stehen die Raben Hugin und Munin, sowie die Wölfe Geri und Freki. Um Weisheit und Allwissenheit zu erlangen, musste er eines seiner Augen opfern. Der englische Wochentag Wednesday (Wodans day/ Mittwoch) geht auf diesen Gott zurück.

 

 

Freya ist die germanische Göttin der Liebe und der Fruchtbarkeit. Sie stammt aus dem Göttergeschlecht der Wanen und ist nach Frigg die bedeutendste Göttin der Germanen. Unser Wochentag Freitag (Freyas Tag) geht auf diese Göttin zurück.

Ostara ist die Göttin des Frühlings. Ihr wurde das Ostarafest (Ostern) gewidmet. Laut Legende hat sie den Hasen aus einem Vogel erschaffen, was für die Tradition der Ostereier bzw. des Osterhasen sprechen würde.

 

 

Die Quellen dieser drei Abbildungen sind diese Museen: das Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, das Braunschweiger Landesmuseum Wolfenbüttel (Funkenburg-Westpreußen) -und das Lippische Landesmuseum DetmoldLiteratur: Reallexikon der germanischen Altertumskunde (Johannes Hoops)

2. Die germanische Zeit

Während der urgermanischen Zeit hatten sich die politischen Verhältnisse im „alten“ Europa deutlich verändert: Das prachtvolle Römische Reich wuchs zur damaligen Weltmacht an, ganz Mittel-, Nordwest- und Südwesteuropa war römisch und dazu fast der ganze Mittelmeerraum.

Aber mit seinem Niedergang errangen  einige Germanenstämme die führende Bedeutung: England war von den Angelsachsen erobert, die Ostgoten hatten den Balkan und ganz Italien erobert, das dreigeteilte Reich der Franken wurde aus dem Osten von den Alemannen bedrängt, im Süd-Osten des heutigen Frankreichs herrschten die Burgunder, die Westgoten hatten fast die ganze Iberische Halbinsel erobert, die Wandalen waren inzwischen in Afrika angekommen und hatten der Südküste und die Inseln des Mittelmeeres besetzt.

Dieses Stammes- und Ländergemisch soll Ihnen einen Eindruck von der enormen Veränderungen Europas und seiner Bewohner durch die Völkerwanderung vermitteln.

Einzig das Oströmische Reich konnte sich im östlichen Mittelmeerraum behaupten und eroberte bis zum Jahr 600 n.Chr. die Länder an der Adria und das heutige Italien zurück.

Etwas zeitversetzt – von dem Jahr 0 an – entwickelte sich schließlich aus dem Judentum auch das Christentum, um 200 n.Chr. entstanden in der ägyptische Wüste erste Mönchsklöster, 100 Jahre später auch im oströmischen Reich. Und im Jahr 380 wird der Christliche Glaube zur Staatsreligion im Römischen Reich erklärt. Ungefähr 900 Jahre später ist der christliche Glaube in ganz Europa und in einigen Gebieten Asiens und Afrikas verbreitet..

Was im Post 3 eine Schlagzeile war – Von Volksstämmen zu Nationen, das war für Europa eine gewaltige und sehr dynamische Epoche: die Europäer hatten viele Veränderungen erlebt. Darum können wir nun versuchen, den Übergang zum Deutschen mit der germanischen Sprache  nachzuvollziehen[2] [2]Als Deutsche werden hier die germanischen Volksstämme und Bevölkerungen bezeichnet, die etwa vom 5. Jahrhundert an in der Mitte Europas lebten und – etwas genauer – dort im nordwesteuropäischen Raum sesshaft geworden waren, d.h.: die über Generationen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte in bestimmten Gebieten – in „ihrem Land“/“bei uns“ – gelebt hatten oder noch heute leben. Vgl. dazu die Abb. 40 im Post 11. – Heute gilt nach dem Grundgesetz als Deutscher Staatsbürger/Deutsche Staatsbürgerin, wer einen gültigen Deutschen Pass oder Personalausweis besitzt:

Abb. 79: Rekonstruierter Wachturm am LIMES, nahe dem Kastell Zugmantel am Taunus, ca. um 200 n.Chr.

Die 1. Germanische Lautverschiebung ist eine auffallend regelmäßige und langsame Veränderung einiger, vor Allem einzelner  Konsonanten, wobei jede Phase nur einen einzigen Wechsel enthält. Die „Verschiebungen“ betrafen ebenso die labialen Laute – die Lippenlaute p, b, bʰ, f,  wie  die diesen entsprechenden dentalen Laute (die Laute, die mit Hilfe der Zähne gebildet werden)  t, d, dʰ, þ, aber auch die „scharfen“ velaren Laute, die mit Hilfe des Gaumens (Gaumensegels) wie k, g, gʰ, h und die gerundeten velaren Laute kʷ, gʷ, gʷʰ, HW. [3] [3]Einen Laut kann man hören; in dem Fachbegriff Phonem steckt das englische Wort Phone (für das, was hörbar ist), und der sprachwissenschaftliche Fachbegriff nimmt ‚Laut‘ hier sehr genau: Und sehr genau müssen Sie diese entsprechenden Textstellen lesen, um die hier angesprochene „Phonetik“ – Fonetik/Lehre von den Lauteneiner Sprache – zu verstehen, ganz langsam und sorgfältig Lippen (Zähne, Zunge, Gaumen usw.) kontrollierend. – Ein Fonem (neue Schreibweise lt. Duden – statt Phonem) ist die sprachwissenschaftliche Bezeichnung für die kleinste lautliche (hörbar geäußerte) Einheit – der kleinste hörbare „Klang“ eines Buchstabens, der eine Bedeutung für das entsprechende Wort (bzw. für den Buchstaben) hat. Z.B.: Gemeint ist damit nur das hörbare Element, was in einem Wort zum Klingen gebracht wird: bein | Pein – was wir sprechend artikulieren, wenn wir einen Konsonanten „pur“ (also ohne den Mitlaut beim Buchstabieren) aussprechen: nicht bee sondern b, nicht zett sondern z. Dann haben die Konsonanten keinen eigenen Sound, – um ein anderes englisches Wort zu benutzen; Konsonanten sind (fast) tonlose Geräusche, die im Mund geformt werden. Und beim richtigen Schreiben reichen Konsonanten für die Rechtschreibung auch aus; aber beim wirklich genauen Sprechen kommen die Foneme ins Spiel: „5 vor 12″ – aber die Vase; wir jagen (gee) den Fuchs (ks) – aber die Jagd (k) und die Flucht (ch) usw. . . Sie merken wahrscheinlich: die Fonetik ist für die sprachgeschichtliche Entwicklung [für unser Thema] weniger wichtig; es ist aber gut, dass Sie das Problem der Fonetik kennengelernt haben – Die erste Phase nahm dem Phonem-Repertoire (dem Klang-Repertoire) [Das Repertoire eines Sängers umfasst alle Gesangstitel, die dieser Sänger beherrscht], – die zweite Phase füllte diese Lücke aus, schuf jedoch eine neue Lücke im Phonem-Repertoire. Dieser Prozess wurde über vier verschiedene Kettenverschiebungen und in zeitversetzten Entwicklungsstufen vollzogen.[4] [4]Die Lautverschiebung begann wahrscheinlich bei der gotischen Sprache (vgl. Sprachen-Nr. 19) – zwischen 400 und 800 [immer: n.Chr.], sie setzte im Westgermanischen, auch althochdeutsch genannten zwischen 600 und 1.000 fort und wurde besonders im westfriesischen und in den englischen Sprachen deutlich, und sie war abgeschlossen in der altsächsischen und der altnordischen Sprache etwa zwischen 800 und 1.100

Das germanische Sprachgut (Dichtung, Lieder) war fast ausschließlich mündlich vorgetragen überliefert worden. Aber in dieser Zeit hatten immer mehr Germanen das Lateinische (der Römer) kennen und sprechen gelernt, und waren dabei auch der lateinischen Schrift (dem ABC) begegnet. So waren erste Schriften in altnordischer Sprache entstanden. (Was mit Runenzeichen auf vergängliches Holz oder in Stein geschrieben worden war, ist zum größten Teil verloren.)  –

Abb. 76: Abrogans, ca. 762 n.Chr. (Ausschnitt), das älteste deutsche Schriftstück, aufbewahrt in einem Kloster in St. Gallen (Schweiz)

Abb. 80: ca. 762 n.Chr. „Abrogans“ das älteste deutsche Schriftstück

Das älteste  literarische (geschriebene) Zeugnis  aus dieser Zeit ist die „Germania“ des römischen Geschichtsschreibers Tacitus.

Etwa um Christi Geburt, also um das Jahr 5 oder 10 herum, wuchs der Einfluss der römischen Kultur im deutschsprachigen Raum (Mitteldeutschland, Österreich, Schweiz) zunächst über militärische Besetzung großer Gebiete, später über gegenseitiges Kennenlernen des privaten Lebens und damit der Sprache (dem damaligen „Italisch-Latein“), besonders aber auch über den regen Handel zwischen den Römern und den Germanen und die beginnende Kultivierung der Landwirtschaft. Zu Tacitus’ Lebzeiten befand sich das römische Reich auf dem Höhepunkt seiner Macht.  Geographisch hatte es fast seine größte Ausdehnung erreicht und erlebte auch kulturell eine Blüte. Die Grenzen zu Germanien waren gezogen und weitgehend gesichert, nach der Varus-Schlacht im Jahre 9 n.Chr. wurden die römischen Offensiven schließlich eingestellt und die beiden Rheinprovinzen eingerichtet[5] [5]Varus war ein Römischer Heerführer, der – auf dem Rückzug in das Winterquartier seiner Soldaten – von den Germanen überfallen und (fast) vernichtet wurde, allerdings nicht im Teutoburger Wald, wo heute noch ein riesiges Denkmal an diesen Sieg der Germanen erinnern sollte, sondern in einem Ort namens Kalkriese bei Bramsche, nördlich von Osnabrück, vom früher angenommenen Standort. Erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden dort die deutlichen Spuren der berühmten letzten Schlacht im Norden des langsam schrumpfenden Römischen Reiches gefunden. Heut steht dort ein beeindruckendes Museum: Germania inferior (Niedergermanien) umfasste die westlich des Rheins gelegenen Teile der heutigen Niederlande und Deutschlands sowie Teile von Belgien. Die nördliche Nachbarprovinz von (Obergermanien) und lag weiter südöstlich, in Brabant (Muttersprache Nr. 27), in der Nähe eines heute bekannten gallischen Dorfes. … Die Verwaltungs-hauptstadt dieser Provinz war Köln.

Tacitus beginnt mit den Grenzen Germaniens und seinem Volk, dann wendet er sich der Beschaffenheit des Landes und schließlich den Bodenschätzen zu. Er beschreibt die Germanen als abgehärtet, ursprünglich und unvermischt mit anderen Völkern, als Urbevölkerung ihrer Heimat, da sie seinen Schilderungen nach keiner Ethnie[6] [6]Ethnie: Bezeichnung für eine ethnische Volksgruppe, eine Gemeinschaft, die sich durch bestimmte, ganz eigene Merkmale auszeichnet [Aussehen, Gestalt, bes. aber Sitten, Bräuche, Sprache … ] der bekannten damaligen Welt ähnlich seien, und er sich auch nicht vorstellen könne, dass jemand freiwillig in solch eine Region einwandern würde. Die Gastfreundschaft der Germanen wird lobend hervorgehoben, ihre Feiern, so Tacitus, dauerten oft tagelang, Hier erwähnt der Autor auch ihr einfaches Essen und das ihm unbekannte alkoholische Getränk (Met/Bier), das die Germanen im Übermaß konsumierten. Es überrascht, dass fast im selben Atemzug ihre absolute Ehrlichkeit gerühmt wird.

Abb. 81: Auszug aus Tacitus‘ Bericht über die Germanen

Noch weit vor ihrer Christianisierung  lernten die „Deutschen“ die lateinische Schrift kennen.[7] [7][Wie Anm. 2 oben:] Als Deutsche werden hier die germanischen Volksstämme/ Bevölkerungen bezeichnet, die etwa vom 5. Jahrhundert an im nordwesteuropäischen Raum sesshaft geworden waren [d.h.: die über Generationen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte in bestimmten Gebieten – in „ihrem Land“/“bei uns“ – gelebt hatten oder noch heute leben]. Heute gilt nach unserem Grundgesetz (GG) als Deutscher/als Deutsche, wer einen gültigen Personalausweis oder Reisepass besitzt  Es gibt jedoch auch einige germanische Nomina[8], die nicht aus dem Urindogermanischen ererbt werden konnten, denn es wurden keine verwandten Wörter in außergermanischen Sprachen gefunden.

Bei den nächsten Wortvergleichen werden die Veränderungen einzelner Wörter im Laufe der Jahrzehnte ihres Gebrauchs betrachtet.[8] [8]Nomina, Pronomina und Verben sind Bezeichnungen für bestimmte Wortarten: – vgl. Post 23!

    Gesamtgermanische Pronomina

Deutsch Althoch-deutsch Luxem-burgisch Nieder-ländisch Alt-sächs. Alt-engl. Engl. Alt-nordisch Gotisch Ger-manisch
ich ih ech ik ik ic I ek ik *ek
du du du . thu þu thou þú þu *þu
wer? (h)wer wen wie hwe hwa who hvat hwas *χwiz

Gesamtgermanische Verben

Deutsch Alt-hoch-deutsch Luxem-burgisch Nieder-län-disch Alt-

sächs.

Alt-

engl.

Engl. Alt-nord. Gotisch German.
essen ezzan iessen, eessen eten etan etan eat eta itan *etaną
(tragen)* beran droen baren beran beran bear bera bairan *beraną
trinken trinkan drénken drinken drinkan drincan drink drekka drigkan *drinkaną
(er weiß) wissen weiz wees weet wēt wāt . veit wait *wait

3. Die althochdeutsche Zeit

Zwischen 750 und 1050 n.Chr. hat sich aus verschiedenen germanischen Stammsprachen aufgrund der (vorangegangenen) politischen und kulturellen Ereignisse eine so genannte althochdeutsche Sprache ausgebildet, die sich von allen anderen germanischen Mundarten unterschied. Das war der Beginn der 2. Germanischen Lautverschiebung.

Indogerman.‘ b d g p t k
Germanisch p t k f Φ wie engl. th ch / h
Beispiele: „Apfel“ „zwei“ „Knie“ „viel“ „drei“ „Herz“
ohne Laut-ver-schiebung keltisch: aball

altslaw.: abluko

latein.: duo

polnisch: dwa

hethitisch: gen

latein.: genu

indogerm.: pelu

griech.: poly

griech.: treis

latein.: tres

griech.: kardia

latein.: cor

mit Laut-verschiebung engl.: apple

niederl.: appel

altsächs.: æppel

engl.: two

niederl.: twee

dänisch: to

engl.: knee

gotisch: kniu

schwed.: k

altengl.: feala

althochd.: filu

altfries.: felo

engl.: three

altsächs.: thria

gotisch: Φreis

engl.: heart

gotisch: hairto

altnord.: hjarta

Zur unteren Tabelle: Weil auch die hochdeutschen Parallelen angegeben sind, zeigt die Tabelle deutlich die Zweite Lautverschiebung vom (Ur-)Germanischen zum Hochdeutschen. Rekonstruierte erste germanische und indogermanische Formen sind blau gekennzeichnet, entsprechende Konsonanten fett gedruckt.

Während z. B. das Lateinische und das Griechische die „indogermanischen“ Konsonanten weitgehend erhalten, erfährt das Germanische einen lautgesetzlichen Wandel. Das Englische und das Niederdeutsche konservieren bis heute diese „germanischen“ Konsonanten, dagegen erfolgt beim Übergang zum Hochdeutschen eine zweite Lautverschiebung dieser Konsonantengruppe. Insgesamt ergeben sich folgende Lautgesetze. Der Vergleich von alten, indogermanisch herzuleitenden Wörtern aus germanischen Sprachen mit stammverwandten Wörtern aus nichtgermanischen Sprachen macht deutlich, dass sich spätestens in dem genannten Zeitraum eine Volksgruppe von der Gemeinschaft der Indogermanen abgesetzt haben muss – entweder, indem diese Gruppe abwanderte, oder indem sie an ihren angestammten Wohnsitzen blieb, während andere die indogermanische Heimat in verschiedene Richtungen verließen.

Im 11. und 12. Jahrhundert waren christlicher Glaube und Bildung mit der Ausbreitung des Christentums untrennbar miteinander verbunden gewesen – bis zur Entwicklung der Städte. Demzufolge war die mittelalterliche Schule zunächst immer auch eine kirchliche Schule gewesen. Bereits im frühen Mittelalter entstanden ganze Schullandschaften mit Klosterschulen, Domschulen und Stiftschulen.

Abb. 82: Schule im Mittelalter – Quelle: heimatjahrbuch-vulkaneifel.de/VT/hjb1982.78htm

Inzwischen befinden wir uns – der geschichtlichen Zeitrechnung nach – bereits im Mittelalter; denn entgegen  der (verständlichen) allgemeinen Vorstellung, dass mit dem Wort Hochdeutsch eine gewisse Endstufe der Sprachentwicklung gemeint sei, beginnt für die Sprachforschung das Althochdeutsche schon in der gesamtgermanischen Zeit, also vor dem Mittelalter, dem ich mich im nächsten Abschnitt, dem Post 17 zuwende.

 

Anmerkungen:

[1]  Eine Wiederholung vom vorigen Post 15: Die Sprachwissenschaft ist Teil der Geschichtswissenschaft, und alle Geschichtswissenschaft ist eine Kultur- und damit eine Geisteswissenschaft, die sich mit der Geschichte von Menschen und menschlichen Gemeinschaften beschäftigt (mehr dazu im Post 26: Sprachkunst). Merkwürdig ist aber, dass diese Geisteswissenschaft über Jahrzehnte Bilder nicht als historische Quellen anerkannte! Insbesondere die Sprachwissenschaft misstraute dieser non verbalen Überlieferung aus unserer Vergangenheit, weil sie den – allen – Bildern eine zu  subjektive  Betrachtungsweise der dargestellten Bildinhalte unterstellte. Als wenn Textschreiber – Autoren – grundsätzlich objektiver über Gesehenes (?) berichten würden. Ein wirklich dummer Fehler, finde ich.

[2]  Als Deutsche werden hier die germanischen Volksstämme und Bevölkerungen bezeichnet, die etwa vom 5. Jahrhundert an im nordwesteuropäischen Raum sesshaft geworden waren (d.h.: die über Generationen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte in bestimmten Gebieten – in „ihrem Land“ – gelebt hatten oder noch heute leben.

[3] Einen Laut kann man hören; in dem Fachbegriff Phonem steckt das englische Wort Phone (für das, was hörbar ist), und der sprachwissenschaftliche Fachbegriff nimmt ‚Laut‘ hier sehr genau: Und sehr genau müssen Sie diese entsprechenden Textstellen lesen, um die hier angesprochene „Phonetik“ – Fonetik/Lehre von den Lauteneiner Sprache – zu verstehen, ganz langsam und sorgfältig Lippen (Zähne, Zunge, Gaumen usw.) kontrollierend. – Ein Fonem (neue Schreibweise lt. Duden – statt Phonem) ist die sprachwissenschaftliche Bezeichnung für die kleinste lautliche (hörbar geäußerte) Einheit – der kleinste hörbare „Klang“ eines Buchstabens, der eine Bedeutung für das entsprechende Wort (bzw. für den Buchstaben) hat. Z.B.: Gemeint ist damit nur das hörbare Element, was in einem Wort zum Klingen gebracht wird: bein | Pein – was wir sprechend artikulieren, wenn wir einen Konsonanten „pur“ (also ohne den Mitlaut beim Buchstabieren) aussprechen: nicht bee sondern b, nicht zett sondern z. Dann haben die Konsonanten keinen eigenen Sound, – um ein anderes englisches Wort zu benutzen; Konsonanten sind (fast) tonlose Geräusche, die im Mund geformt werden. Und beim richtigen Schreiben reichen Konsonanten für die Rechtschreibung auch aus; aber beim wirklich genauen Sprechen kommen die Foneme ins Spiel: „5 vor 12“ – aber die Vase; wir jagen (gee) den Fuchs (ks) – aber die Jagd (k) und die Flucht (ch) usw. . . Sie merken wahrscheinlich: die Fonetik ist für die sprachgeschichtliche Entwicklung [für unser Thema] weniger wichtig; es ist aber gut, dass Sie das Problem der Fonetik kennengelernt haben

[4]  Die Lautverschiebung begann wahrscheinlich bei der gotischen Sprache (vgl. Sprachen-Nr. 19) – zwischen 400 und 800 [immer: n.Chr.], sie setzte im Westgermanischen, auch althochdeutsch genannten zwischen 600 und 1.00 fort und wurde besonders im westfriesischen und in den englischen Sprachen deutlich, und sie war abgeschlossen in der altsächsischen und der altnordischen Sprache etwa zwischen 800 und 1.100

[5]  Varus war ein Römischer Heerführer, der – auf dem Rückzug in das Winterquartier seiner Soldaten – von den Germanen überfallen und (fast) vernichtet wurde, allerdings nicht im Teutoburger Wald, wo heute noch ein riesiges Denkmal an diesen Sieg der Germanen erinnern sollte, sondern in einem Ort namens Kalkriese  bei Bramsche, nördlich von Osnabrück, vom früher angenommenen Standort. Erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden dort die deutlichen Spuren der berühmten letzten Schlacht im Norden des langsam schrumpfenden Römischen Reiches gefunden. Heut steht dort ein beeindruckendes Museum

[6] Ethnie: Bezeichnung für eine ethnische Volksgruppe, eine Gemeinschaft, die sich durch bestimmte, ganz eigene Merkmale auszeichnet (Aussehen, Gestalt, bes. aber Sitten, Bräuche, Sprache … )

[7]  (Wie Anm. 2 oben;) Als Deutsche werden hier die germanischen Volksstämme/Bevölkerungen bezeichnet, die etwa vom 5. Jahrhundert an im nordwesteuropäischen Raum sesshaft geworden waren (d.h.: die über Generationen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte in bestimmten Gebieten – in „ihrem Land“ – gelebt hatten oder noch heute leben.

[8]  Nomina, Pronomina  und Verben sind Bezeichnungen für bestimmte Wortarten: – vgl. Post 23!

 

Anmerkungen   [ + ]

1. Eine Sicherungs-Wiederholung vom vorigen Post 15: Die Sprachwissenschaft ist Teil der Geschichtswissenschaft, und alle Geschichtswissenschaft ist eine Kultur- und damit eine Geisteswissenschaft, die sich mit der Geschichte von Menschen und menschlichen Gemeinschaften beschäftigt (mehr dazu im Post 25: Sprachkunst). Merkwürdig ist aber, dass diese Geisteswissenschaft über Jahrzehnte Bilder nicht als historische Quellen anerkannte! Insbesondere die Sprachwissenschaft misstraute dieser nonverbalen Überlieferung aus unserer Vergangenheit, weil sie Bildern – allen Bildern eine zu  subjektive  Betrachtungsweise der dargestellten Bildinhalte unterstellte. Als wenn Textschreiber (Autoren) grundsätzlich objektiver über Gesehenes berichten würden als die Autoren, die Bilder herstellen. Ein wirklich dummer Fehler, finde ich.
2. Als Deutsche werden hier die germanischen Volksstämme und Bevölkerungen bezeichnet, die etwa vom 5. Jahrhundert an in der Mitte Europas lebten und – etwas genauer – dort im nordwesteuropäischen Raum sesshaft geworden waren, d.h.: die über Generationen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte in bestimmten Gebieten – in „ihrem Land“/“bei uns“ – gelebt hatten oder noch heute leben. Vgl. dazu die Abb. 40 im Post 11. – Heute gilt nach dem Grundgesetz als Deutscher Staatsbürger/Deutsche Staatsbürgerin, wer einen gültigen Deutschen Pass oder Personalausweis besitzt
3. Einen Laut kann man hören; in dem Fachbegriff Phonem steckt das englische Wort Phone (für das, was hörbar ist), und der sprachwissenschaftliche Fachbegriff nimmt ‚Laut‘ hier sehr genau: Und sehr genau müssen Sie diese entsprechenden Textstellen lesen, um die hier angesprochene „Phonetik“ – Fonetik/Lehre von den Lauteneiner Sprache – zu verstehen, ganz langsam und sorgfältig Lippen (Zähne, Zunge, Gaumen usw.) kontrollierend. – Ein Fonem (neue Schreibweise lt. Duden – statt Phonem) ist die sprachwissenschaftliche Bezeichnung für die kleinste lautliche (hörbar geäußerte) Einheit – der kleinste hörbare „Klang“ eines Buchstabens, der eine Bedeutung für das entsprechende Wort (bzw. für den Buchstaben) hat. Z.B.: Gemeint ist damit nur das hörbare Element, was in einem Wort zum Klingen gebracht wird: bein | Pein – was wir sprechend artikulieren, wenn wir einen Konsonanten „pur“ (also ohne den Mitlaut beim Buchstabieren) aussprechen: nicht bee sondern b, nicht zett sondern z. Dann haben die Konsonanten keinen eigenen Sound, – um ein anderes englisches Wort zu benutzen; Konsonanten sind (fast) tonlose Geräusche, die im Mund geformt werden. Und beim richtigen Schreiben reichen Konsonanten für die Rechtschreibung auch aus; aber beim wirklich genauen Sprechen kommen die Foneme ins Spiel: „5 vor 12″ – aber die Vase; wir jagen (gee) den Fuchs (ks) – aber die Jagd (k) und die Flucht (ch) usw. . . Sie merken wahrscheinlich: die Fonetik ist für die sprachgeschichtliche Entwicklung [für unser Thema] weniger wichtig; es ist aber gut, dass Sie das Problem der Fonetik kennengelernt haben
4. Die Lautverschiebung begann wahrscheinlich bei der gotischen Sprache (vgl. Sprachen-Nr. 19) – zwischen 400 und 800 [immer: n.Chr.], sie setzte im Westgermanischen, auch althochdeutsch genannten zwischen 600 und 1.000 fort und wurde besonders im westfriesischen und in den englischen Sprachen deutlich, und sie war abgeschlossen in der altsächsischen und der altnordischen Sprache etwa zwischen 800 und 1.100
5. Varus war ein Römischer Heerführer, der – auf dem Rückzug in das Winterquartier seiner Soldaten – von den Germanen überfallen und (fast) vernichtet wurde, allerdings nicht im Teutoburger Wald, wo heute noch ein riesiges Denkmal an diesen Sieg der Germanen erinnern sollte, sondern in einem Ort namens Kalkriese bei Bramsche, nördlich von Osnabrück, vom früher angenommenen Standort. Erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden dort die deutlichen Spuren der berühmten letzten Schlacht im Norden des langsam schrumpfenden Römischen Reiches gefunden. Heut steht dort ein beeindruckendes Museum
6. Ethnie: Bezeichnung für eine ethnische Volksgruppe, eine Gemeinschaft, die sich durch bestimmte, ganz eigene Merkmale auszeichnet [Aussehen, Gestalt, bes. aber Sitten, Bräuche, Sprache … ]
7. [Wie Anm. 2 oben:] Als Deutsche werden hier die germanischen Volksstämme/ Bevölkerungen bezeichnet, die etwa vom 5. Jahrhundert an im nordwesteuropäischen Raum sesshaft geworden waren [d.h.: die über Generationen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte in bestimmten Gebieten – in „ihrem Land“/“bei uns“ – gelebt hatten oder noch heute leben]. Heute gilt nach unserem Grundgesetz (GG) als Deutscher/als Deutsche, wer einen gültigen Personalausweis oder Reisepass besitzt
8. Nomina, Pronomina und Verben sind Bezeichnungen für bestimmte Wortarten: – vgl. Post 23!

Post 17: Geschichte und Emanzipation der Deutschen Sprache im Mittelalter

Zum Beitragsbild, einem kolorierten Holzschnitt: Ansicht der Stadt Nürnberg (14. Jht.) Bayerische Staatsbibliothek. – Dieses Bild von der Stadt Nürnberg entstand, wie auch die Abbildung 79 unten, als ein in ein großes Brett geschnitztes (geschnittenes) und spiegelverkehrt dargestelltes Relief, das wie ein großer Stempel auf ein Blatt Papier gepresst wurde. Anschließend wurde es koloriert (mit einigen Farben ausgemalt). Vorher musste die „Ansicht“ natürlich in einer genauen Bleistift- oder Federzeichnung ‚vor Ort‘ angefertigt werden. – Mehr als 100 Jahre später ließ der Verleger Merian solche Stadtansichten in Serie drucken, – bis heute begehrte Sammler-Objekte.

Sprachgeschichte, Teil 3

Die mittelhochdeutsche Zeit

Mittelhochdeutsch wurde etwa von 1050 bis zum Jahr 1350 gesprochen.

Die Gliederung des deutschen Sprachraums in Mundarten (Dialekte) ist hauptsächlich das Ergebnis der 2. Lautverschiebung, die sich über 300 Jahre ausdehnte. Danach unterscheidet man drei große Gruppen:

Oberdeutsch  – ………. Alemannisch, Bayrisch, Österreichisch und Oberfränkisch

Mitteldeutsch unterteilt sich in

Westmitteldeutsch  –  Rhein- u. Mittelfränkisch; und

Ostmitteldeutsch  –  Thüringisch, Obersächsisch und Schlesisch

Niederdeutsch  –  Niederfränkisch, Westfälisch und Niedersächsisch

Zur Begriffsklärung dieser Fachtermini: Hochdeutsch ist ein (übergeordneter) Begriff, der die oben aufgezählten landschaftlichen Mundarten zusammenfasst, Während das Althochdeutsche (Post 16) sich allgemein (oder zusammenfassend) auf die gesamt-germanische Sprache bezog, wird für die folgende Sprach-Entwicklungsstufe, das  Mittelhochdeutsche, in vier große Mundarten-Bereiche unterschieden: Oberdeutsch für die Gebirgsländer, mitteldeutsch – nach Osten oder Westen getrennt – für die Mittelgebirge (oder dort gelegene Landschaften) und niederdeutsch in die flachen Landschaften Deutschlands (nördlich des Mains und vom Nordrhein bis zur Nordseeküste. Den Übergang vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen kennzeichnen dann wiederum allgemein zu beobachtende lautliche Veränderungen. Es gab zwar immer noch keine einheitliche hochdeutsche Sprache, aber sie entwickelte sich in diesen drei Jahrhunderten (s. o.!), gelenkt von bewusst gestaltenden Rednern und professionellen „Schreibern“.[1] [1]Amerikaner benutzen das Wort Writer, das klingt treffender als „unser“ Wort Autor

Abb. 83: Frauenkleidung im Mittelalter (Manessische Handschrift)

Insofern bekommt das Wort „Hochsprache“ einen neuen Sinn: Es bezeichnet im Neuhochdeutschen nicht mehr die Mundarten der hochliegenden deutschen Länder (mit ihren Gebirgen), sondern steht jetzt für eine ideelle Standardsprache mit ‚gehobenem, also: hohem Niveau‘. Die ist zwar bis heute im Mündlichen nach wie vor eher nur theoretisch vorhanden, denn die mundartlichen Färbungen und Dialekte existieren weiter, und das ist auch gut so!

Immerhin hatten sich aber für das Schriftdeutsch im 17. Jahrhundert einige Sprachgesellschaften „in deutschen Landen“ gefunden, und man war sich bis 1660 über einen  gut verständlichen, aber auch anspruchsvollen Sprachstil weitgehend einig geworden, und zwar auf der Grundlage ostmitteldeutscher Mundarten (Thüringisch, Obersächsisch, Böhmisch, Schlesisch), die gewissermaßen einen Kompromiss zwischen dem (alten)niederdeutschen und dem oberdeutschen Sprachraum darstellten. Aber da hatte sich schließlich längst auch das Lutherdeutsch als Leitbild für unsere Schriftsprache durchgesetzt. Dazu lesen Sie im Post 18 mehr. –

Sie können sich anhand dieser irritierenden Begrifflichkeit sicher gut vorstellen, dass  die sprachlichen Unterschiede zwischen „dem“ Deutschen und seinen „verwandten“ Nachbarsprachen (in Österreich und der Schweiz) bis zum 9. Jahrhundert noch viel deutlicher als heute hörbar gewesen sind.[2] [2]Allein aus dem Mittelhochdeutschen werden sich beizeiten abweichende österreichische und Schweizer ‚Klänge‘ eingestellt haben, die skandinavischen und überhaupt alle Muttersprachen zeichnen sich nicht nur durch ihr eigenes Vokabular (den Wortschatz) aus, sondern durch die spezielle Sprachmelodie, die Dynamik der Aussprache (Betonung bzw. Vernachlässigung von Silben und Buchstaben – vgl.Fonetik im Post 16) und viele andere Merkmale Inzwischen hatte sich schon  die nächste Welle der Sprach-Veränderung aufgestaut: denn während z. B. das Lateinische und das Griechische die „indogermanischen“ Konsonanten weitgehend beibehielten, erfuhr das Germanische im 11. und 12. Jahrhundert (allmählich) einen lautgesetzlichen Wandel. Das Englische und das Niederdeutsche (Friesich und Plattdeutsch) dagegen konservieren bis heute die „germanischen“ Konsonanten, während sich gerade diese klanglich  zum Hochdeutschen hin verändern: Betrachten Sie dazu den Kommentar unter der folgenden Tabelle.

Die zweite Lautverschiebung

Insgesamt ergeben sich folgende Lautgesetze: Der Vergleich von alten, indogermanisch[3] [3]Bei meiner Beschäftigung mit dem Jacob-Artikel (siehe Einleitung/Post 1) fiel mir der veraltete Begriff „indogermanisch“ anstelle von „indoeuropäisch“ wieder auf; ich nehme an, dass der Autor (Jacob) hier keine Verwirrung stiften wollte: In dem oben sinngemäß zitierten Absatz (Thema: Zweite Lautverschiebung) geht es genau um die Völkerwanderung, die ich zu Beginn des Posts angesprochen habe: Einige Volksgruppen hatten ihre angestammten Gebiete verlassen, andere waren geblieben ... herzuleitenden Wörtern aus germanischen Sprachen mit stammverwandten Wörtern aus nicht-germanischen Sprachen macht deutlich, dass sich spätestens in dem oben genannten Zeitraum eine Volksgruppe von der Gemeinschaft der Indogermanen abgesetzt haben muss – entweder, indem diese Gruppe abwanderte, oder indem sie an ihrem angestammten Wohnsitz blieb, während andere ihre indogermanische Heimat verließen[4] [4]und die Insel-englischen Sprachen haben wieder andere Klangwege beschritten. . . –

In dieser (letzten) Tabelle werden verschiedene Sprachen aus der indoeuropäischen Sprachfeld ‚Familie‘ verglichen:

*Indogerm. Latein Griech. *German. Englisch Deutsch
1 *pəter pater πατήρ patḗr *fađer father Vater
2 *bhratar frater phratér *brōþer brother Bruder
3 *kerd cord- kard- *χertōn heart Herz
4 *dheub . . *deup deep tief
5 *ed ed ed *itana eat essen
6 *sed sed . *sitana sit sitzen
7 *ego ego ego *ek I ich
8 *bher fer- pher- *bairana bear gebären
9 *udhar uber thar *udar udder Euter
10 *wegh veh . *wega- weigh wiegen
Kommentar – rechts als weitere Spalte zu lesen:
Zeile 1: aus p wird f / v
Zeile 2: aus t/th wird d
Zeile 3: aus k/x wird h
Zeile 4: aus b/p wird f
Zeile 5: aus d/t wird s/ss
Zeile 6: aus d/t wird tz/z
Zeile 7: aus g/k wird ch
Zeile 8: aus bh/f wird b
Zeile 9: aus dh/d wird t
Zeile 10: aus gh wird g

Die zweite Lautverschiebung bildete gewissermaßen einen Abschluss in der Entwicklung der (ersten) Deutschen Sprache. –

Aber die Weltgeschichte und die Geschichte der indoeuropäischen Sprachen zeigen uns, dass nichts einen Abschluss hat; denn die Zeit läuft weiter. Alle Sprachen dieser Welt entwickeln sich ständig und unaufhaltsam weiter, weil sie zu den jetzt (und irgendwo) lebenden Menschen gehören.

Während also in der hier beobachteten Zeit die slawischen Sprachen an der östlichen Ostsee  erst heimisch werden (1200 n.Chr.  … – vgl. Posts 4 und 13!), hat die Geschichte Europas längst den Blick zurück in die Vergangenheit gerichtet und festgestellt, dass wir (eigentlich) schon seit Jahrhunderten im Mittelalter leben[5] [5]Für die Geschichtswissenschaft beginnt das Mittelalter bereits um 300 n.Chr. mit den Ende der Antike (vgl. Post 3!), also mit dem Niedergang des Römischen Weltreiches. Und es endet mit den Entdeckungen der Neuen Welt, etwa um 1500. – Eine derart grobe Zeiteinteilung läuft nicht nur vielen anderen Fachwissenschaften, z. B. der Kunstwissenschaft, sondern auch unserem Thema – Geschichte der Muttersprachen Europas – zuwider. Die Völkerwanderung und die Verlagerung der ‚Großmacht-Verhältnisse‘ auf das Byzantinische Reich bis ins 8. Jahrhundert hinein erscheinen mir als zu bedeutend, beide Ereignisse nur als Vorstufe zum Mittelalter zu betrachten. – Ich halte es mit jenen Historikern, die diese Zeit – zwischen 800 und 1.100 n.Chr. als Frühmittelalter, 1.100 bis 1.500 als Hochmittelalter und 1.500 bis 1.700 als Spätmittelalter oder auch als Frühe Neuzeit bezeichnen. Immerhin habe ich im Post 12 (romanische Sprachen)  schon einmal auf das Mittelalter hingewiesen; dies waren meine Stichwörter: „Feudalismus (Herrschermacht von Kirchen- und Landesfürsten  – und Armut bei allen Untertanen) / viele Städtegründungen / Schisma[6] [6]Schon einmal – 1054 (im Frühmittelalter) – hatte es eine Glaubensspaltung gegeben, als nämlich das neue Oströmische Reich dem Papst in Rom (der Metropole des alten Weströmischen Reiches) die Oberherrschaft über alle Christen beanspruchte; es erhielt jedoch nur die Macht über „seine“ Gläubigen, in seinem Reich. Seit der Zeit – um 1050 – gibt es („in der Ostkirche“) die orthodoxen Christen. Diese Trennung ist als morgenländisches Schisma in die Geschichte eingegangen / unüberschaubar viele kleine Staaten in Europa (und Zitat:) dazwischen, in Mitteleuropa – zwischen Nord- und Ostsee und der Adriaküste lag das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, ein Bündnis von mehr als dreihundert Kleinstaaten, deren Entwicklung zu Deutschen Ländern und schließlich zu einem Deutschland sich noch über 450 Jahre hinziehen sollte (Posts 14 – 16).“

Wir sind nun „mitten“ im Post 17, bei der mittelhochdeutschen Sprache. Zur Erforschung der Sprache habe ich mich oben noch einmal geäußert, und nun möchte ich auf den kulturellen Beitrag der Sprache und auf ihr befreiendes Potential[7] [7]Potential (auch: Potenzial) ist eine verborgene Leistungsfähigkeit, die entdeckt und trainiert werden kann, die aber auch mitunter überraschend zutage tritt und sich entfaltet: in der physischen (körperlichen) oder in der geistigen Umwelt, in Menschen, ihren Ideen oder bei Tieren. – Größere Zusammenhänge zu dem Begriff Kultur: Post 25. für diese Zeit verweisen. 

Freie Städte verhandeln und handeln

Bis zum Jahr 1.000 hatten sich im deutschsprachigen Raum mehr als 3.000 Städte gegründet. Dazu gehörte in jedem einzelnen Fall immer mehr als eine Stadtmauer, nämlich: Rathaus, Kirche(n), Marktplatz, Bürgerhäuser, Ackerbauern, Gasthäuser und Herbergen für die reisenden Händler, Handwerker und eine Verwaltung, die den Bürgern und Inwohnern Schutz garantierte, die einen Nachtwächter, ein Siechenhaus, eine gerechte Handwerkerbestückung (in Zünften) organisierte, die das Stadtrecht beim Landesherren verhandelte und auch die Steuern eintrieb und verrechnete, die auch für

Abb. 84: Mittelalterliche Stadt, Illustration aus: Planet Schule

Ordnung auf dem Wochenmarkt und auf Stadtfesten sorgte und auf das Einhalten aller verordneten und beschlossenen Rechte achtete bzw. Rechts-verletzungen gerichtlich ahndete. Wahrscheinlich ist noch viel mehr zu bedenken und zu beachten gewesen. Aber immerhin hieß es im Mittelalter allerorten: „Stadtluft macht frei!“ Denn das Leben war allemal besser zu ertragen als die Frondienste in der Landwirtschaft oder beim Burgherrn. –

Zwischen den Städten entwickelten sich Handel und Gewerbe. Nicht nur die Kaufleute und die Gasthäuser profitierten davon, auch die Pferdehalter, die Wagenbauer und andere Handwerker. Alle kamen und gingen: Stadtleben.

Diese Aspekte von Stadt müssen (in mehr als 1.000 Deutschen Städten – Kleinstädte mit Marktrecht, Freie Städte, Hansestädte, Reichsstädte)  bedacht – – und besprochen werden, von 1000mal mehr Menschen als auf jedem der rund 250 Adelshöfe im Land. Da wuchs eine Generation von intelligenten Denkern, Planern und Verwaltern heran!

Machtkämpfe innerhalb und außerhalb der Kirche

In der Zeit von 1378 bis 1417 kam es zum sogenannten „abendländischen Schisma, zum 2. Trennungskampf unter den Christen:  Mehrere Bischöfe (Kirchenfürsten) erhoben Anspruch auf das Papsttum. Nicht nur in Rom, sondern auch in Avignon residierten Päpste und Gegenpäpste gleichzeitig. Dort konnte noch Einigung erzielt werden.

In dieses „Zeitalter der Glaubensspaltung“ fiel auch noch die Reformation. Sie nahm ihren Anfang im Jahr 1517 (im Post 18) und führte zu den Bauernkriegen von 1525 und schließlich zum 30jährigen Krieg, der zwischen 1618 und 1648 ganz Mitteleuropa bewegte und verwüstete.

Die Machtkämpfe hatten demnach auf die Landesfürsten und Könige übergegriffen, weil immer noch (seit dem Augsburger Religionsfrieden – 1555) die alte Regel galt: Cuius regio, eius religio (aus dem Lateinischen übersetzt: wessen Gebiet, dessen Religion); danach bestimmte jeder Landesherr den Glauben aller seiner Untertanen. Erst durch den Westfälischen Frieden von 1648 wurde dieses Unrecht gegen die Menschlichkeit ab- und die Glaubensfreiheit angeschafft.

Abb. 85: Kloster Seligenthal nach Wening-Wikipedia.jpg

Schulische Bildung

(Zitat vom Post 16🙂 Im 11. und 12. Jahrhundert waren christlicher Glaube und Bildung mit der Ausbreitung des Christentums untrennbar miteinander verbunden gewesen – bis zur Entwicklung der Städte. Demzufolge war die mittelalterliche Schule zunächst immer auch eine kirchliche Schule gewesen. Bereits im frühen Mittelalter entstanden ganze Schullandschaften mit Klosterschulen, Domschulen und Stiftschulen. 

Schon Karl der Große hatte dafür gesorgt, dass mehr Schulen an bischöflichen Kirchen und in Klöstern gegründet wurden, wo vor Allem die Heilige Schrift gelesen und abgeschrieben werden durfte, und auf die wichtigsten Wissenschaften.  In den berühmtesten Klosterschulen des Landes wurden junge Menschen ausgebildet, die in den Verwaltungen der Güter, der Städte, beim Schiffbau gefragt waren. Und die Mönche in den Klöstern besonders viel Wert auch auf Bildung der Bevölkerung. Die Landwirtschaft wurde durch neue Anbau-Methoden deutlich verbessert, die Ernteerträge wuchsen, die Bauern konnten auf den Märkten in den zahlreichen Städten ihre Produkte verkaufen – und in der Stadt einkaufen.

Ähnliche Verordnungen, wie Kaiser Karl der Große sie für sein Reich durchsetze, ließ auch der Papst für die gesamte Kirche umsetzen. Ein Beispiel: Papst Eugenius II. verfügte im Jahre 826 von Rom aus:

„Wir vernehmen, dass an einige Orten keine Lehrer sich befinden und der Unterricht vernachlässigt wird. Darum befehlen wir, dass an allen Bischofssitzen und den ihnen unterstellten Pfarrgemeinden, sowie an anderen Orten Lehrer angestellt werden, die in den freien Künsten und den Heilslehren fleißig Unterricht erteilen.[8] [8]Natürlich stehen die großen Nachbarstaaten nicht hinter diesem Entwicklungsstand zurück, aber für die vielen Deutschen (noch ohne Nation) war in dieser Zeit des Mittelalters eine entscheidende Bewegung entstanden: sie empfanden sich vielleicht zum ersten Mal  als ein Volk,  das sich ‚gefunden‘ hatte, – auch durch die gemeinsame Schriftsprache

Abb. 86: Wissenschaft in Schulen

Die Klosterschulen wurden in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts noch fast ausschließlich von den Benediktinern unterhalten. Es wurden sieben ‚klassische‘ Wissenschaften (Trivium und Quadrivium) als Inbegriff aller höheren Gelehrsamkeit gelehrt, die sieben freien Künste[9] [9]Inhalt des Unterrichts waren zwei Kurse: das Trivium und das Quadrivium. Diese Aufteilung hatte sich schon in den letzten Zügen des Römischen Reiches ausgebildet, sie folgte einem ursprünglich griechischen  Konzept (nach den sieben Wissenschaften lateinische Grammatik, Dialektik (Logik), Rhetorik (Redekunst) und Musik, dann: Arithmetik, Geometrie und Naturkunde, Astrologie und Astronomie, die aber nur von „frei Geborenen“ erlernt wurden. Außer solchen höheren Unterrichtsanstalten gab es auch schon damals Pfarrschulen, in denen die Kinder umsonst unterrichtet und erzogen wurden.[10] [10]Der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung betrug während des gesamten Mittelalters … etwa 90 Prozent. Die Bauern gehörten zum dritten Stand, der die Basis für den Reichtum des ersten und zweiten Standes, die Geistlichkeit (den Klerus) und ‚den‘  Adel, erarbeitete und für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sorgte. Obwohl die Bauern diese gesellschaftlich wichtige Aufgabe erfüllten, war ihr Ansehen niedrig. … Die Rechte der Bauern hingen weitgehend davon ab, welchen Status sie innerhalb ihres Standes innehatten. So gab es die freien, die halbfreien und die unfreien Bauern. Für Halbfreie und Unfreie bedeutete das Rechts- und Wirtschaftssystem … , dass sie sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich und sozial von ihren Grundherren abhängig waren. (Quelle: https://www.leben-im-mittelalter.net/alltag-im-mittelalter/arbeit-und-berufe/bauern.html)

Lesen Sie diese abstrakten Begriffe noch einmal nach, dann können Sie meine Formulierung von der Emanzipation der deutschen Sprache (vielleicht) akzeptieren.

Den kulturellen Wendepunkt in dieser immer noch beschaulichen Welt des Mittelalters brachte die

Erfindung des Buchdrucks.

Das Frühe Neuhochdeutsch

Die Anfänge der Geschichte des Buchdrucks sind in China, Babylon und Rom zu finden. Es waren zumeist einzelne Papiere, die als Ganzes aus einer dicken Holzplatte geschnitzt und dann „abgedruckt“ wurden. So wurden auch ganze Bücher hergestellt,  Blatt für Blatt . . .

Weiterentwickelt hat dieses Verfahren der Mainzer Johannes Gutenberg, der um 1450 die austauschbaren Lettern (Buchstaben für den späteren, spiegelverkehrten Abdruck ) einführte. So breitete sich die Kunst des Buchdrucks bald in ganz Europa und schließlich in der ganzen Welt aus. Eine der bekanntesten Buchdruckereien war die Frankfurter Werkstatt, die Gutenberg eingerichtet hatte.

In jener Zeit standen den „Holzdruckern“ verschiedene Kanzleisprachen zur Auswahl. Johannes Gutenberg revolutionierte mit seiner Erfindung, Texte halbmaschinell zu drucken, indem er lose Buchstabenklötze (Blei-Lettern) auf einem „Setzschiff“ (eine Winkelleiste) zu einer Textzeile aneinanderreihte – spiegelverkehrt natürlich – und diese, Zeile für Zeile zu einer Druckseite zusammensetzte. Jede Seite wurde dann „per Hand“ abgedruckt. Die Lettern mussten einzeln in Blei gegossen und nach Gebrauch für den nächsten Text wieder (in „ihre“ Kästen) einsortiert werden, der Handdruck erfolgte zunächst wie ein (großer) Stempeldruck, bald aber über massive Walzen, die mit Kurbeln und Muskelkraft über den Stempel und das darunter liegende weißen Papier gerollt wurden; – alles war schwere und schwierige Arbeit, Fehler waren – bei einem so großen Arbeitsaufwand – tunlichst zu vermeiden.  Aber das Buchdrucker-Handwerk boomte, gedruckte Texte aller Art eroberten rasend schnell die Welt, viele Menschen lernten lesen, unsere Gesellschaft erfuhr eine literarische Zivilisation ohnegleichen!

Die Druckerpresse hatte ermöglicht, innerhalb von nur Wochen Texte in hunderten von Exemplaren herzustellen, wofür früher, hätten Mönche sie mit der Hand geschrieben, Jahrzehnte nötig gewesen wären! Hatte es zuvor für die meisten Menschen keinen Sinn gehabt, überhaupt lesen zu lernen, da es kaum etwas zu lesen gab, so war mit einem Male die geschriebene Sprache breiten Bevölkerungsschichten zugänglich: Gedruckte Bücher, Flugschriften und Kirchenlieder wurden zu den ersten Massenmedien der Geschichte.

Und genau in diese aufregende Zeit hinein kam Luthers Kritik an den alten religiösen Ritualen der katholischen Kirche, kam die Bibel für alle – in deutscher Sprache! Wegen der enormen Horizonterweiterung, welche die europäische Gesellschaft dadurch erfuhr, darf die Erfindung des Druckens als epochales Ereignis gelten, als eines der Scheidemomente zwischen Mittelalter und Neuzeit, gleichrangig neben der Reformation und der Entdeckung Amerikas. [s.u.: 8. Zwischenbemerkung]

Abb. 87: Eine Seite aus der Gutenberg-Bibel

Martin Luther bediente sich der Meißner Kanzleisprache, die sich aus der ost-mitteldeutschen Mundart entwickelt hatte. Durch seine volksnahe Sprachneigung und seine Ausdruckskraft gestaltete er diesen Dialekt zu einer lebendigen Schriftsprache. – Die meisten Neuerungen, die hier notiert werden, entwickelten (und entwickeln) sich sehr ungleichmäßig, zeitlich stark versetzt und in manchen Dialekten auch nur eingeschränkt. Darum bezeichnet man  diese lange Phase des Übergangs weiterhin bis 1650 als Frühneuhochdeutsch, trotz der Turbulenzen in der Zeitgeschichte – siehe oben!

Gedruckte Texte (Blätter, Heftchen) eroberten nun auch die Schulen. Zum Beispiel gab es in evangelischen  Landesteilen Luthers kleinen Katechismus, der sich bis in meine Schulzeit gehalten hat. Im Konfirmanden-Unterricht lernten wir Luthers überarbeitetes „Lernbuch“ kennen.[13]

Die achte Zwischenbemerkung:

Wirtschaftliche Erfolge und die zahlrechen Entdecker-Abenteuer  verbinden sich mit dem wissenschaftlichem Fortschritt und verschieben die Machtmonopole Europas: Spanien und Portugal (und nach ihnen Holland und England) übernehmen die See- und Handelsmonopole der arabischen und norditalienischen (griechischen!) Großkaufleute der frühen Jahrhunderte n.Chr., zumal die Eroberung des weströmischen Reiches durch die Türken  und die folgende Vertreibung aller byzantinischen Kunst und Gelehrsamkeit diesen materiellen Niedergang noch verstärkt hatten. So traten die gesellschaftlichen Einstellungen und die Hinwendung zu den Menschen und zur Natur – statt ausschließlich zu Gott – noch stärker in den Vordergrund. Humanismus wird diese Gedankenwelt genannt[11] [11]Humanismus, eine Geistesbewegung, die im Italien des 14. Jahrhunderts ihrer Ausgang nahm. Sie richtete am Bildungsideal der „alten“ Griechen aus: der Mensch und seine Erziehung wird in den Mittelpunkt aller Werte gerückt (noch heute genießen  die Humanistischen Gymnasien mit den Fächern Griechisch, Latein und den Naturwissenschaften in Deutschland besonderes Ansehen. Berühmte Humanisten der damaligen Zeit waren auch Vorbilder und Freunde von Martin Luther , und mit der Weltanschauung der Renaissance (das bedeutet Wiedergeburt des griechischen Ideals der natürlichen Schönheit [und Ästhetik])  setzte allmählich die Loslösung des Lebens von der Kirche ein (Säkularisierung / Verweltlichung). Die Bild-Künste des 15. Und des 16. Jahrhunderts ließen bei den flämischen und den deutschen Künstlern das neue Weltbild förmlich erblühen, – zusammen mit einer Bereicherung der Geisteswelt, die nur in wechselseitiger Befruchtung zur Entwicklung der Sprachen möglich (und denkbar) war.

Albrecht Altdorfer, 1522: Landschaft – Albrecht Dürer, 1498: Selbstbildnis – 1503: Das große Rasenstück

Abbildungen 88, 89, 90: Hinwendung zu Natur und Mensch statt nur zur Biblischen Geschichte

 

 

Albrecht Altdorfer (1480 – 1538), Regensburg Landschafts-Maler und Kupferstecher  der Renaissance.

Das 16. Jahrhundert gilt in der Geschichtswissenschaft als Beginn der Neueren Geschichte. (nach Ploetz)

–  –  –  –  –  –  –  –  

Das späte Mittelhochdeutsch

Welche Veränderungen traten im Sprechen des Spätmittelhochdeutschen und dieser Zeit ein, was unterscheidet unser Gegenwartsdeutsch im Wesentlichen sprachlich vom ausklingenden Mittelalter? – Anders als bei den früheren Lautverschiebungen handelt es sich hauptsächlich um Wechsel im Vokalsystem. Die meisten ahd./mhd. Kurzvokale wurden zu Langvokalen gedehnt, aus „leben“ (gesprochen wie „lebben“) wird nhd. „lêben“ (mit langem e), „varen“ wird zu „fahren“, wobei hier das h die neue Länge anzeigt; in das Wort „Friede“ ist ein e als Längenzeichen für das i eingeführt, nachdem das mhd. „fride“ gedehnt worden war. Umgekehrt wurden an anderen Stelle alte Langvokale verkürzt. Auffälliger noch sind [12] [12]Monophthongierungen und Diphthongierungen Ein Monophtong ist ein (einfacher) Vokal: a – e – i – o – u, ein Diphtong wird aus zwei Vokallauten gebildet („Doppellaut“): a+e = ä; e+i = ei  usw. -: Im ersten Fall wird aus einem Zweifach-Laut (z.B. uo, üe) ein einzelner (u, ü), während im gegensätzlichen Fall sich z.B. ein langes einzelnes î in eine Verbindung aus zwei Vokalen verwandelt: ei oder ai, eu usw.

Doch auch im Konsonantismus sind einige Modifizierungen zu bemerken, die sich allerdings nur zum Teil auch schriftlich niedergeschlagen haben. Im Mhd. sagte man tatsächlich „spi(e)len“ und „stad“ (Stadt), deshalb wurden die Wörter so geschrieben. Diese Schreibung ist geblieben, obwohl wir heute „schpielen“ und „Schtadt“ sprechen:

Der lautliche Wechsel von s zu sch wurde frühmittelhochdeutsch auch ins Schriftliche eingeführt, so dass wir heute „schlafen“, „schmecken“, „Schnee“, „schwimmen“ sprechen und so auch schreiben (engl.: sleep, plattd. smecken, engl. snow, swim). Die Neuerungen in der Grammatik sind eher geringfügig:  Beim Verb ist  in der 3. Person Plural das t weggefallen („sie slafent“ > „sie schlafen“); die meisten anderen Formen waren schon beim Übergang vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen aufgeben. Im Kasussystem hat nur noch der Dativ sein altes e verloren („dem manne“ > „dem Mann“), und der Genitiv scheint als solcher allmählich in Vergessenheit zu geraten, aber das ist eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte, noch nicht des frühen Neuhochdeutschen.

Wie zu allen Zeiten, so drangen auch während der Periode des Neuhochdeutschen viele neue Wörter ein. Mit dem Niedergang der ritterlichen Gesellschaft ging der Einfluss des Französischen zunächst zurück.  Dafür wurde in der Renaissance das Lateinische wieder stärker (Der Dichter Andreas Greif nennt sich „Gryphius“, der Arzt Theophrast von Hohenheim „Paracelsus“). Indem zum ersten Mal auch ein Bewusstsein für „richtiges Schreiben“ aufkam, setzte sich allmählich die Interpunktion (Zeichensetzung) durch, und Substantive wurden inzwischen auch mit Großbuchstaben am Anfang geschrieben. Ein sehr weites Feld ist auch das Thema der Bedeutungsveränderung von Begriffen: Das Wort „hübsch„, abgeleitet vom hochmittelalterlichen „hövesch“ (höfisch, den Idealen der ritterlichen Kultur entsprechend), bedeutete bald nur noch „schön aussehend„. Umgekehrt weitete sich die „Ursache„, zunächst nur „Anlass für einen Streit“ meinend, zu dem heutigen allgemeinen „Beweggrund“ aus. Besonders zahlreich sind die Beispiele für Bedeutungsverschlechterung: So war die „dîerne“ (Dirne) noch im Mittelhochdeutschen einfach nur ein junges Mädchen. Diese Bedeutung hat sie übrigens bis heute im bayerischen und niederdeutschen Dialekt behalten, während das Wort im Hochdeutschen mit „Prostituierte“ gleichbedeutend ist.

Unsere Sprachgeschichte nähert sich im folgenden Post 18 dem Hochdeutschen, wie wir es heute (noch) kennen.

 

Anmerkungen

[1] Amerikaner benutzen das Wort Writer, das klingt treffender als „unser“ Wort Autor

[2]  Allein aus dem Mittelhochdeutschen werden sich beizeiten abweichende österreichische und Schweizer ‚Klänge‘ eingestellt haben, die skandinavischen und überhaupt alle Muttersprachen zeichnen sich nicht nur durch ihr eigenes Vokabular (den Wortschatz) aus, sondern durch die spezielle Sprachmelodie, die Dynamik der Aussprache (Betonung bzw. Vernachlässigung von Silben) und viele andere Merkmale

[3]  Bei meiner Beschäftigung mit dem Jacob-Artikel (siehe Einleitung/Post 1) fiel mir der veraltete Begriff „indogermanisch“ anstelle von „indoeuropäisch“ wieder auf; ich nehme an, dass der Autor (Jacob) hier keine Verwirrung stiften wollte: In dem oben sinngemäß zitierten Absatz (Thema: Zweite Lautverschiebung) geht es genau um die Völkerwanderung, die ich zu Beginn des Posts angesprochen habe: Einige Volksgruppen hatten ihre angestammten Gebiete verlassen, andere waren geblieben ..

[4]. . . und die Insel-englischen Sprachen haben wieder andere Klangwege beschritten

[5]  Für die Geschichtswissenschaft beginnt das Mittelalter bereits um 300 n.Chr. mit den Ende der Antike (vgl. Post 3!), also mit dem Niedergang des Römischen Weltreiches. Und es endet mit den Entdeckungen der Neuen Welt, etwa um 1500. – Eine derart grobe Zeiteinteilung läuft nicht nur vielen anderen Fachwissenschaften, z. B. der Kunstwissenschaft, sondern auch unserem Thema – Geschichte der Muttersprachen Europas – zuwider. Die Völkerwanderung und die Verlagerung der ‚Großmacht-Verhältnisse‘ auf das Byzantinische Reich bis ins 8. Jahrhundert hinein erscheinen mir als zu bedeutend, beide Ereignisse nur als Vorstufe zum Mittelalter zu betrachten. – Ich halte es mit jenen Historikern, die diese Zeit – zwischen 800 und 1.100 n.Chr. als Frühmittelalter, 1.100 bis 1.500 als Hochmittelalter und 1.500 bis 1.700 als Spätmittelalter oder auch als Frühe Neuzeit bezeichnen.

[6]  Schon einmal – 1054 (im Frühmittelalter) – hatte es eine Glaubensspaltung gegeben, als nämlich das dominante neue Oströmische Reich dem Papst in Rom (der Metropole des alten Weströmischen Reiches) die Oberherrschaft über alle Christen beanspruchte, er erhielt jedoch nur die Macht über „seine“ Gläubigen, in seinem Reich. Die Trennung ist als morgenländisches Schisma in die Geschichte eingegangen

[7] Potential (auch: Potenzial) ist eine verborgene Leistungsfähigkeit, die entdeckt und trainiert werden kann, die aber auch mitunter überraschend zutage tritt und sich entfaltet: in der physischen (körperlichen) oder in der geistigen Umwelt, in Menschen, ihren Ideen oder bei Tieren. – Größere Zusammenhänge zu dem Begriff Kultur: Post 25.

[8] Natürlich stehen die großen Nachbarstaaten nicht hinter diesem Entwicklungsstand zurück, aber für die vielen Deutschen (noch ohne Nation) war in dieser Zeit des Mittelalters eine entscheidende Bewegung entstanden: sie empfanden sich vielleicht zum ersten Mal  als ein Volk,  das sich ‚gefunden‘ hatte, – auch durch die gemeinsame Schriftsprache.

[9]  Inhalt des Unterrichts waren zwei Kurse: das Trivium und das Quadrivium. Diese Aufteilung hatte sich schon in den letzten Zügen des Römischen Reiches ausgebildet, sie folgte einem ursprünglich griechischen  Konzept (nach den sieben Wissenschaften lateinische Grammatik, Dialektik (Logik), Rhetorik (Redekunst) und Musik, dann: Arithmetik, Geometrie und Naturkunde, Astrologie und Astronomie

[10] Der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung betrug während des gesamten Mittelalters … etwa 90 Prozent. Die Bauern gehörten zum dritten Stand, der die Basis für den Reichtum des ersten und zweiten Standes, die Geistlichkeit (den Klerus) und ‚den‘  Adel, erarbeitete und für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sorgte. Obwohl die Bauern diese gesellschaftlich wichtige Aufgabe erfüllten, war ihr Ansehen niedrig. … Die Rechte der Bauern hingen weitgehend davon ab, welchen Status sie innerhalb ihres Standes innehatten. So gab es die freien, die halbfreien und die unfreien Bauern. Für Halbfreie und Unfreie bedeutete das Rechts- und Wirtschaftssystem … , dass sie sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich und sozial von ihren Grundherren abhängig waren. (Quelle: https://www.leben-im-mittelalter.net/alltag-im-mittelalter/arbeit-und-berufe/bauern.html)

[11] Humanismus, eine Geistesbewegung, die im Italien des 14. Jahrhunderts ihrer Ausgang nahm. Sie richtete am Bildungsideal der „alten“ Griechen aus: der Mensch und seine Erziehung wird in den Mittelpunkt aller Werte gerückt (noch heute genießen  die Humanistischen Gymnasien mit den Fächern Griechisch, Latein und den Naturwissenschaften in Deutschland besonderes Ansehen. Berühmte Humanisten der damaligen Zeit waren auch Vorbilder und Freunde von Martin Luther.

[12] Monophthongierungen und Diphthongierungen Ein Monophtong ist ein (einfacher) Vokal: a – e – i – o – u, ein Diphtong wird aus zwei Vokallauten gebildet („Doppellaut“): a+e = ä; e+i = ei  usw. – 

[13] Katechismus:

Die neunte Zwischenbemerkung

Katechismus ist ein altes griechisches Wort, frei ‚übersetzt‘ Unterrichtsbuch, das auch die ‚Lateiner‘ übernommen hatten und das dann im frühen Christentum als Anfangsunterricht für Taufe und Christenlehre galt. Im Wesentlichen standen darin die zehn Gebote, die bis heute die Ethik- und Moral-Regeln des ganzen Christentums und wahrscheinlich auch aller Gläubigen dieser Welt prägen oder gar bestimmen. Ich gebe hier die aktuelle Fassung der 10 Gebote (des Katechismus) wieder, wie die evangelischen und die katholischen Kirchen sie verbreiten (Wikipedia); das ist auch der Wortlaut der 10 Gebote von Luthers   „kleinem Katechismus„, der nicht etwa Luthers ‚Erfindung‘ war, sondern dem Tanach, dem ältesten Heiligen Buch der Juden, als Papyrus-Funde (etwa 750 Jahre v.Chr.) beigefügt wurden. [Wikipedia:] Die Zehn Gebote, auch Zehn Worte (hebräisch עשרת הדיברות aseret ha-dibberot) oder Dekalog (altgriechisch δεκάλογος dekálogos) genannt, sind eine Reihe von Geboten und Verboten (hebr. Mitzwot) des Gottes Israels, JHWH (Jaweh), aus dem Tanach. Sie fassen .. das Verhalten [des Gottes] den Mitmenschen gegenüber zusammen. Sie haben im Judentum und Christentum zentralen Rang für die theologische Ethik und haben die Kirchen- und Kulturgeschichte Europas sowie des außereuropäischen Westens mitgeprägt. [Zitatende]

Ich meine: Humanismus ist eine urchristliche Weltanschauung. Dazu gehören auch noch das Gebet „Vater unser“ und das „Glaubensbekenntnis“ der Christen in der Ökumene (der Gesamtheit aller Christen): Zitat:

Grundlage der christlichen Ethik

Einzelne Gebote kennen viele aus dem Religionsunterricht: Du sollst nicht töten. Oder: Du sollst Mutter und Vater ehren. Nach biblischer Überlieferung hat Gott die Zehn Gebote dem Propheten Mose auf dem Berg Sinai übergeben. Sie sind im Alten Testament überliefert. Die Gebote regeln die Haltung des Menschen zu Gott und zu den Mitmenschen.

Das erste Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

Das zweite Gebot
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.

Das dritte Gebot
Du sollst den Feiertag heiligen.

Das vierte Gebot
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.

Das fünfte Gebot
Du sollst nicht töten.

Das sechste Gebot
Du sollst nicht ehebrechen.

Das siebte Gebot
Du sollst nicht stehlen.

Das achte Gebot
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.

Das neunte Gebot
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.

Das zehnte Gebot
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.

Hinweis:
Bei der Zählung der Gebote gibt es im Judentum und in den christlichen Kirchen unterschiedliche Traditionen. Die hier wiedergegebene Fassung folgt der lutherischen und römisch-katholischen Tradition. Eine andere Zählung ergibt sich dort, wo das Bilderverbot – „Du sollst dir kein Bildnis machen“ – als zweites Gebot aufgeführt wird, so in der anglikanischen, reformierten und orthodoxen Tradition. Dort werden dann „neuntes“ und „zehntes“ Gebot als ein Gebot verstanden.

–  –   –  –  –  –

Das erste Gebot, nur das erste Gebot betont die zentrale, alles bestimmende Macht unserer/der Welt: Gott. Alle monotheistischen Religionen richten ihren Glauben an (nur) einen Gott: das Christentum mit etwa 2,3 Mrd. Anhängern (aller Konfessionen), der Islam mit etwa 1,6 Mrd. Anhän-gern, der Hinduismus (etwa 940 Mio. Anhänger), der Buddhismus (etwa 460 Mio. Anhänger) und das Judentum mit seinen etwa 15 Mio. Anhängern. (Monotheismus bedeutet: es gibt nur einen Herrscher der Welt und nicht viele Götter (= Polytheismus). –

Bei Durchsicht dieser Gebote müssen Sie feststellen, dass die Erwähnung von Gott zu Beginn eher einer Quellenangabe ähnelt als einem nur religiösen Bekenntnis (wenn es das vielleicht auch wirklich ist!), denn alle anderen ‚Gebote‘ richten sich auf unser (humanes!) Verhalten zu „den anderen Menschen“. Und damit stellen sie genau die humanistischen Werte und Normen unserer Gesellschaft und des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland dar.

Diese Werte und Normen (= der christliche [und jüdische] Katechismus) führen direkt zur demokratischen Verfassung der freiheitlichen Staaten unserer Welt, die den religiösen Glauben von der Regierung der Staaten trennt, die sich aber gleichzeitig unter das Dach des Christentums und des Humanismus stellt.

Anmerkungen   [ + ]

1. Amerikaner benutzen das Wort Writer, das klingt treffender als „unser“ Wort Autor
2. Allein aus dem Mittelhochdeutschen werden sich beizeiten abweichende österreichische und Schweizer ‚Klänge‘ eingestellt haben, die skandinavischen und überhaupt alle Muttersprachen zeichnen sich nicht nur durch ihr eigenes Vokabular (den Wortschatz) aus, sondern durch die spezielle Sprachmelodie, die Dynamik der Aussprache (Betonung bzw. Vernachlässigung von Silben und Buchstaben – vgl.Fonetik im Post 16) und viele andere Merkmale
3. Bei meiner Beschäftigung mit dem Jacob-Artikel (siehe Einleitung/Post 1) fiel mir der veraltete Begriff „indogermanisch“ anstelle von „indoeuropäisch“ wieder auf; ich nehme an, dass der Autor (Jacob) hier keine Verwirrung stiften wollte: In dem oben sinngemäß zitierten Absatz (Thema: Zweite Lautverschiebung) geht es genau um die Völkerwanderung, die ich zu Beginn des Posts angesprochen habe: Einige Volksgruppen hatten ihre angestammten Gebiete verlassen, andere waren geblieben ...
4. und die Insel-englischen Sprachen haben wieder andere Klangwege beschritten
5. Für die Geschichtswissenschaft beginnt das Mittelalter bereits um 300 n.Chr. mit den Ende der Antike (vgl. Post 3!), also mit dem Niedergang des Römischen Weltreiches. Und es endet mit den Entdeckungen der Neuen Welt, etwa um 1500. – Eine derart grobe Zeiteinteilung läuft nicht nur vielen anderen Fachwissenschaften, z. B. der Kunstwissenschaft, sondern auch unserem Thema – Geschichte der Muttersprachen Europas – zuwider. Die Völkerwanderung und die Verlagerung der ‚Großmacht-Verhältnisse‘ auf das Byzantinische Reich bis ins 8. Jahrhundert hinein erscheinen mir als zu bedeutend, beide Ereignisse nur als Vorstufe zum Mittelalter zu betrachten. – Ich halte es mit jenen Historikern, die diese Zeit – zwischen 800 und 1.100 n.Chr. als Frühmittelalter, 1.100 bis 1.500 als Hochmittelalter und 1.500 bis 1.700 als Spätmittelalter oder auch als Frühe Neuzeit bezeichnen
6. Schon einmal – 1054 (im Frühmittelalter) – hatte es eine Glaubensspaltung gegeben, als nämlich das neue Oströmische Reich dem Papst in Rom (der Metropole des alten Weströmischen Reiches) die Oberherrschaft über alle Christen beanspruchte; es erhielt jedoch nur die Macht über „seine“ Gläubigen, in seinem Reich. Seit der Zeit – um 1050 – gibt es („in der Ostkirche“) die orthodoxen Christen. Diese Trennung ist als morgenländisches Schisma in die Geschichte eingegangen
7. Potential (auch: Potenzial) ist eine verborgene Leistungsfähigkeit, die entdeckt und trainiert werden kann, die aber auch mitunter überraschend zutage tritt und sich entfaltet: in der physischen (körperlichen) oder in der geistigen Umwelt, in Menschen, ihren Ideen oder bei Tieren. – Größere Zusammenhänge zu dem Begriff Kultur: Post 25.
8. Natürlich stehen die großen Nachbarstaaten nicht hinter diesem Entwicklungsstand zurück, aber für die vielen Deutschen (noch ohne Nation) war in dieser Zeit des Mittelalters eine entscheidende Bewegung entstanden: sie empfanden sich vielleicht zum ersten Mal  als ein Volk,  das sich ‚gefunden‘ hatte, – auch durch die gemeinsame Schriftsprache
9. Inhalt des Unterrichts waren zwei Kurse: das Trivium und das Quadrivium. Diese Aufteilung hatte sich schon in den letzten Zügen des Römischen Reiches ausgebildet, sie folgte einem ursprünglich griechischen  Konzept (nach den sieben Wissenschaften lateinische Grammatik, Dialektik (Logik), Rhetorik (Redekunst) und Musik, dann: Arithmetik, Geometrie und Naturkunde, Astrologie und Astronomie
10. Der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung betrug während des gesamten Mittelalters … etwa 90 Prozent. Die Bauern gehörten zum dritten Stand, der die Basis für den Reichtum des ersten und zweiten Standes, die Geistlichkeit (den Klerus) und ‚den‘  Adel, erarbeitete und für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sorgte. Obwohl die Bauern diese gesellschaftlich wichtige Aufgabe erfüllten, war ihr Ansehen niedrig. … Die Rechte der Bauern hingen weitgehend davon ab, welchen Status sie innerhalb ihres Standes innehatten. So gab es die freien, die halbfreien und die unfreien Bauern. Für Halbfreie und Unfreie bedeutete das Rechts- und Wirtschaftssystem … , dass sie sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich und sozial von ihren Grundherren abhängig waren. (Quelle: https://www.leben-im-mittelalter.net/alltag-im-mittelalter/arbeit-und-berufe/bauern.html)
11. Humanismus, eine Geistesbewegung, die im Italien des 14. Jahrhunderts ihrer Ausgang nahm. Sie richtete am Bildungsideal der „alten“ Griechen aus: der Mensch und seine Erziehung wird in den Mittelpunkt aller Werte gerückt (noch heute genießen  die Humanistischen Gymnasien mit den Fächern Griechisch, Latein und den Naturwissenschaften in Deutschland besonderes Ansehen. Berühmte Humanisten der damaligen Zeit waren auch Vorbilder und Freunde von Martin Luther
12. Monophthongierungen und Diphthongierungen Ein Monophtong ist ein (einfacher) Vokal: a – e – i – o – u, ein Diphtong wird aus zwei Vokallauten gebildet („Doppellaut“): a+e = ä; e+i = ei  usw. -

18: Vom Lutherdeutsch zum Hochdeutschen

Zum Beitragsbild:

Hans Holbein der Jüngere: Die Gesandten. Ölmalerei um 1533, gemalt in London. Abgebildet sind zwei Brüder einer französischen Adelsfamilie  (de Selve), die sich „dienstlich“ in London treffen; der eine (links) ist als Kaufmann unterwegs, der andere, ein junger Bischof, in kirchlicher Mission. [Ich vermute, weil die englische (anglikanische) Kirche sich von der römisch-katholischen Kirche distanzierte.) – Das Bild wird auch „Das Weltzimmer“ genannt, weil der Maler hier alle neuen technischen Geräte aufgebaut hat, die das Hochmittelalter seit kurzem besaß (vgl. Post 17!). Besonders interessant ist der weiß-schwarze „Teppich“ zwischen den beiden Männern. Es handelt sich um einen verzerrt dargestellten Totenschädel (eine Anamorphose), – ein damals verbreiteter Hinweis auf die Sterblichkeit aller Menschen, – eines der zahlreichen Zeichen der christlichen Malerei für die Vergänglichkeit unserer Welt.

Post 18: Vom Lutherdeutsch zum Hochdeutschen

Sprachgeschichte, Teil 4

Ein Grund für den selten benutzten  Begriff „spätmittelalterlich“ ist die Dominanz des Namens Martin Luther, die das 16. Jahrhundert beherrschte.

Darum wird der Beginn des Lutherdeutschen auch (ein wenig vorschnell) angesetzt, nicht zuletzt, weil das Erscheinen gedruckter Texte und besonders der Bibelübersetzung in die deutsche Sprache, und dann auch noch in eine neue Form der Deutschen Sprache den allgemein gemächlichen Fortgang historischer Ereignisse überlagert: Man spricht seit der Erscheinung seiner Bibel (-Übersetzung) nach 1534 immer häufiger von Luthers Sprache, vom  Lutherdeutsch.  

Abb. 91: Martin Luther, Reformator-Lutherbild zum Lutherjahr

Martin Luther[1] [1]* 10. November 1483 in Eisleben, Grafschaft Mansfeld; † 18. Februar 1546 ebenda, nach dem diese Phase der Deutschen Sprache benannt wird, hat (vor 500 Jahren) seinen Protest gegen bestimmte Auswüchse der damaligen katholischen Kirche (und gegen die Machtansprüche des Papsttums über ‚alle‘ Menschen) in einer politisch höchst unruhigen Zeit ausgelöst. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wurde von den europäischen Großmächten Frankreich und Schweden bedroht, außerdem waren auch alle sieben Deutschen Fürstenfamilien untereinander zerstritten[2] [2]Durch Heiraten und Erbschaften hatten im Laufe von einigen hundert Jahren diese (uralten) „hochadligen“ Familien-Clans im deutschsprachigen Raum viele, oft verstreut liegende Landgebiete in Besitz genommen: das  Haus Habsburg – das Haus Hohenzollern – das Wettinische Haus – das Haus Wittelsbach, außerdem oldenburgische, holsteinische und westfälische Adelshäuser; und dann waren da noch 95 Freie Reichsstädte. Die oben genannten Adelshäuser (so werden die ‚Familien‘ des Hochadels noch heute genannt) waren  sich nur einig im Kampf gegen den Reichtum und gegen die Landbesitztümer des Papstes und seiner deutschen Bischöfe.

In diesem Post 18 werden drei Jahrhunderte der Deutschen Sprachgeschichte durchstreift

Das 16. Jahrhundert

1534 erschien die erste Bibel, von Martin Luther in die Deutsche Sprache übersetzt. Für die Entstehung des Neuhochdeutschen hatte die Bibelübersetzung Martin Luthers eine hervorragende Rolle gespielt.

Indem Luther sich die kursächsische Kanzleisprache zunutze machte, die wegen ihrer weiten Verbreitung im Osten als eine Art „Durchschnittssprache“ fungierte, und  sie  durch  seine persönliche, höchst originelle Sprachkunst bereicherte, verhalf er ihr zu gesamtdeutscher Verbreitung. So war sein Werk zwar längst nicht die erste deutsche Fassung der heiligen Schrift, weil sie aber praktisch überall im Lande verstanden wurde, war sie die weitaus erfolgreichste. In ganz Deutschland waren um die Mitte des 16. Jahrhunderts rund 100.000 Exemplare einer wittenbergischen Ausgabe der Lutherbibel im Umlauf. Ihre Sprache wirkte über den hochdeutschen Raum hinaus: Als billig zu kaufendes Buch drang sie auch nach Norddeutschland vor und half bei der schleichenden Verdrängung des Niederdeutschen mit. Wegen seines stilistischen Gebrauchs des Deutschen ist Martin Luther unbestritten als Schöpfer, als „Vater“ der deutschen Sprache zu bezeichnen. Er war natürlich des Lateinischen mächtig (wie alle Priester), aber er sprach auch fließend griechisch; nur für die hebräisch überlieferten Bibeltexte bat er Gelehrte (wie Philipp Melanchthon) um Hilfe. Und er rang mit geeigneten Formulierungen in „seiner“ deutschen Sprache. Hier ein Beispiel aus der Zeit zwischen 1521 und 1531, wo Luther um die schriftsprachliche Gestaltung eines Bibel-Psalms rang (aus dem Apostolischen Glaubensbekenntnis, Vers 12):

Althochdeutsch: 

Gilaubiu   in    got     fater    almachtigon

  scepphion  himmilis     enti     erda

Mittelhochdeutsch:

Ich geloube  an   got    vater      almechtigen

schephaer   himmels    unde der erde

Neuhochdeutsch/in der Lutherbibel:

Ich glaube  an  Gott, den Vater,    den allmächtigen  Schöpfer

des Himmels und der Erde

Das Ostmitteldeutsche festigte Luthers Autorität und wurde zur Grundlage einheitlicher Sprachregelungen. Obwohl Luther selber aus dem nordthüringischen Raum stammte und dort wirkte, setzte er nicht einfach seinen heimischen Dialekt bei der Übersetzung um, sondern bemühte sich gezielt um eine möglichst ausgleichende Sprache und volkstümliche Ausdrucksweise.

Und die Menschen gewöhnten sich an Schreibweisen, die ihrem eigenen Dialekt durchaus widersprechen konnten. Druckschriften waren von Anfang an nicht nur Kulturgut, sondern vor allem auch eine Handelsware. Schließlich lag es im geschäftlichen Interesse jeden Verlegers, dass die Texte von möglichst großen Bevölkerungsschichten, in möglichst vielen deutschen Landschaften gelesen wurden. In Konkurrenz zur süddeutsch geprägten kaiserlichen Kanzleisprache, die von Maximilian I. gefördert wurde, bemühte man sich deshalb zunehmend um ein gemeinverständliches Deutsch. Hier ein weiteres Beispiel seiner Bemühungen um beste sprachliche Lösungen: Der Beginn eines Gebetes war: „Herr Gott ..

  Handschriftlich 1521 und 1524:      

… Dass wir unser Tage zählen,    so tu uns kund;

So wollen wir kommen      mit weisem Herzen.

Erste Druckfassung 1524:             

… Lass uns wissen    die Zahl unserer Tage,

  dass wir eingehen    mit weisem Herzen.

Revidierte Fassung 1531 (bis heute gilt:) 

… lehre uns bedenken,   dass wir sterben müssen,      

                auf dass wir klug werden.“    [Lutherbibel von 2017]    

Dass nun, von 1534 an, sehr viele lesekundige Deutsche dieselben Texte lasen, hatte natürlich auch auf die sich heranbildende neuhochdeutsche Sprache große Auswirkungen: Was sich im hohen Mittelalter innerhalb einer kleinen, sehr elitären Literaturszene angedeutet hatte, konnte nun auf stetig sich verbreiternder Front durchbrechen – die Entstehung einer einheitlichen Sprach- und Schriftnorm. Der Wortsinn von „Hochsprache“ hatte sich längst verschoben, der Begriff steht jetzt für eine ideelle Standardsprache. Auch für bestimmte Ausdrucksformen und Schreibregeln wurde damit der Grundstein gelegt: Innerhalb einer Generation gewöhnten sich die Menschen an gedruckte Texte im deutschen Sprachraum, – und an das Lutherdeutsch, an dem der Autor sein Leben lang gefeilt und es so  populär gemacht hatte – im besten Sinne des Wortes.

Abb. 92: Die erste vollständige Bibelübersetzung von Martin Luther 1534, Druck Hans Lufft in Wittenberg, Titelholzschnitt von Meister MS 

Innerhalb von 10 Jahren waren rund 430 verschiedene Auflagen oder Teilauflagen von seiner Bibel erschienen.

Noch in einer weiteren Hinsicht war Luthers Wirken für die deutsche Sprache bedeutsam: Im Zuge der Reformation gab er der protestantischen Kirche vor, dass die Gottesdienste nicht mehr auf lateinisch, sondern auf Deutsch abgehalten werden sollten. Und er schuf viele neue Kirchenlieder in deutscher Sprache, die noch heute in jedem  evangelischen  Gesangbuch zu finden sind.  Wie  vieles  andere  wurde der Wechsel vom Lateinischen zum Deutschen bald von den Katholiken nachgemacht, und manche Lieder von Luther singt man heute auch in katholischen Kirchen. Sogar ökumenische Gottesdienste werden häufiger gefeiert.[3] [3]Ökumene ist die Gesamtheit der Christen, im engeren Sinne versteht man darunter die Gemeinsamkeit der beiden großen Konfessionen  (Katholiken und Protestanten)  –  Konfession:  Menschen, die sich gemeinsam zu einer bestimmten Glaubensrichtung zusammenfinden, gehören damit zu einer Konfession, deren Glaubensrichtlinien als Regelwerk oder „Bekenntnis“ schriftlich festgelegt ist. Konfessionen sind grundsätzlich nicht verpflichtend. Die christlichen Konfessionen (und es gibt viele) sind sich (inzwischen) einig in einem Verhaltens-Katalog ethischer, sozialer und christlich-menschenfreundlicher Werte, die sich auch im Grundgesetz der Deutschen und im Völkerrecht wiederfinden.

Abb. 93: Martin Luther, Mönch

Schon zu Luthers Lebzeiten, schon vor ’seiner‘ Reformation hatte es immer wieder blutige Aufstände der verarmten Landbewohner (Halbbauern, Viertelbauern und Tagelöhner und noch ärmere Menschen) gegeben, die gegen die Ausbeutung und Frondienste durch die Landesherren rebellierten. So hatte es z.B. im Jahr 1555 ein Friedensbeschluss (in Augsburg) gegeben, der aber die gegenseitigen Verfolgungen nicht stoppen konnte. –

Kriege um Macht und Glaube

Das 17. Jahrhundert

Die Armut der Bevölkerung war erschreckend. Schließlich kam es auch zwischen den Mächtigen zum offenen Krieg um die religiöse Einstellung[4] [4](Aus Wikipedia:) Der Dreißigjährige Krieg [von 1618 bis 1648] war ein Konflikt um die Vorherrschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in Europa und zugleich ein grausamer Religionskrieg. In ihm entluden sich auf europäischer Ebene der habsburgisch-französische Gegensatz und auf Reichsebene derjenige zwischen Kaiser und Katholischer Liga einerseits und Protestantischer Union andererseits. Gemeinsam mit ihren jeweiligen Verbündeten im Reich trugen die habsburgischen Mächte Österreich und Spanien ihre Interessenkonflikte mit Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden aus. Infolgedessen verbanden sich eine Reihe weiterer Konflikte mit dem Dreißigjährigen Krieg: der Achtzigjährige Krieg (1568–1648) zwischen den Niederlanden und Spanien, der Französisch-Spanische Krieg (1635–1659) und der Torstenssonkrieg (1643–1645) zwischen Schweden und Dänemark. Der Westfälische Friede, 1648 in den Städten Münster und Osnabrück beschlossen und ein Jahr später in Nürnberg besiegelt, machte dem Morden ein Ende und ließ das geschundene Deutsche Land endlich zu Atem kommen,  der für uns wie ein Kampf  Jeder gegen Jeden wirken musste. Der Hass auf „die Anderen“ wuchs, bis es zu einem mitteleuropäischen Gemetzel kam, an dem alle Staaten beteiligt waren – Frankreich, Österreich, Böhmen, Schweden. Mittendrin (vgl.: Post 17 Machtkämpfe …) und am härtesten  betroffen die deutsche Bevölkerung von mehreren hundert deutschen Kleinstaaten: Der 30jährige Krieg verwüstete das Land, ermordete und brandschatzte die Bevölkerung.

Abb. 94: The_Hanging_by_Jaques_Callot.jpg

Die Menschen litten unter den Grausamkeiten, den Foltern und dem Morden der kreuz und quer umherstreifenden Söldnertruppen, mehr als 60% aller einheimischen Bewohner wurden umgebracht.

[Diese Karte soll Ihnen lediglich die zersplitterte Besitzlage der deutschen Länder zeigen, wie sie nach dem Westfälischen Friedensbeschluss 1648/49 von den politischen Mächten die ‚neuen‘ Landbesitz-Verhältnisse festlegt worden war: Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation bestand aus mehr als 300 Kleinstaaten und dazu noch über 90 Reichsstädte. So begann die Zeit des Barock in „Deutschland[5] [5]Barock ist die Kunstrichtung des 17. Und 18. Jh. politisch das Zeitalter des Absolutismus, der beginnenden Industrie-Arbeit und der Gegenreformation [Verfolgung der Protestanten in Südwest-Europa – französische Protestanten (Hugenotten) flohen nach Preußen]

Abb. 95: Karte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (mit roten Grenzlinien eingefasst), dazu gehörten alle nicht hellbeige-farbigen Länder

Der endgültige Durchbruch zu jener Sprachstufe, die man Neuhochdeutsch nennt, erfolgte im 17. Jahrhundert. Spätestens für die Texte aus der Barockzeit brauchen wir keine Wörterbücher mehr, um sie zu verstehen. Wenn man davon absieht, dass wegen fehlender Rechtschreibregeln dieselben Wörter immer noch verschieden aussehen konnten und bei manchen Autoren Ausdrücke aus ihrem Dialekt vorkamen, stellt man fest, dass sich  am  lautlichen  Zustand  der  deutschen Sprache seit 1650 nicht mehr viel verändert hat. Dagegen wird der Wortschatz in der Blütezeit des Barock (etwa von 1650 an) enorm bereichert worden, vor  allem  durch  freie  Übertragung französischer und lateinischer Begriffe ins Deutsche, aber auch durch erfinderische Neubildungen aus deutschen Wörtern.

Abb. 96: Barockkirche in Bayern
Abb. 97: Schloss Versailles bei Paris – 450px-Vue_aérienne_du_domaine_de_ Versailles_par_ToucanWings…

Beides, das Streben nach einer lautlich einheitlichen Hochsprache und die Bereinigung von Fremdwörtern, ist Dichtern wie Martin Opitz (1597 – 1639), Friedrich von Logau, Paul Fleming, Philipp von Zesen und Andreas Gryphius (1616 – 1664)[6] zu verdanken, die sich die Pflege der deutschen Sprache ausdrücklich zur Aufgabe gemacht hatten.

http://file1.npage.de/005332/54/bilder/standepyramide.png –                                                     Abb. 98: Die gesellschaftliche Stellung im absolutistischen Zeitalter

Der oder das Barock fällt in das Zeitalter des Absolutismus, der absolut herrschenden Landesherren. „Der Staat bin ich“ – das war das Machtwort des Sonnenkönigs in Frankreich (L’état c’est moi), und so hielten es auch alle kleinen Könige im deutschsprachigen Raum – s. Abb. 91.

Die zehnte Zwischenbemerkung

In diesem Modell der gesellschaftlichen Stände –  Abb. 92 – lesen Sie unten links: Bauer und Kind  und rechts: Bürger, Soldat und Narr; immerhin steht der Tod im Mittelpunkt, ein damals bekanntes Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens. Der christliche Glaube beherrschte das tägliche Leben (und Denken) der  besonders der einfachen, ‚armen Leute‘. –

Neben den reichen Kaufleuten, die die naturnahe Renaissancekunst so schätzten, traten nun auch die Fürsten und Könige als Kunstförderer auf: Die Bildkunst des Barock eroberte weitere neue Motive, auch Mystisches und Fantastisches entstand in der Bildwelt  des Manierismus. Zudem verlangten nun (nach den Meistern der Malerei und der Bildhauerei) auch die Schauspieler und Musiker zunehmend als Hofdichter und Hofkapellmeister ihre gesellschaftliche Anerkennung. Und die erhielten Sie, denn die prunkvollen Barock-Schlösser, die alle großen (und kleinen) Herrscher überall in Europa erbauen ließen, mussten mit prächtigen Konzerten, Theatern und Spielen für die Hofgesellschaften ausgestattet werden. Der Staat – und das war immer ein absoluter Herrscher – hatte alle Macht. Und die Untertanen waren –  wie in den Jahrhunderten zuvor – die Leidtragenden.

Ganz langsam veränderte sich jedoch die allgemeine wirtschaftliche und religiöse Notlage in Deutschland und in Europa.  Philosophen und Staatsmänner entwarfen eine durch den Staat zu schaffende und von ihm zu überwachende Ordnung.                

Die geistige Bewegung, die sich im deutschen und mitteleuropäischen Raum immer stärker bemerkbar machte und die inzwischen unter dem Begriff der Aufklärung bekannt ist, begann mit der Reformation und steht ganz im Zeichen eines Denkens, das um das Wohl aller Menschen, um die Menschlichkeit kreist. (Im Post 17 / Anm. 10 hat dieses Denken schon begonnen – mit der Renaissance) Seit dem 19. Jahrhundert nennt man diesen Zeitgeist  Humanismus. Er bestimmt bis heute das politische und ethische Denken aller Demokraten. [6] [6]Humanismus war schon in der spätmittelalterlichen Ästhetik der Renaissance-Kunst spürbar (Vgl. 7. Zwischenbemerkung in Anm. 10/Post 17), die mit dem Wissens-Zuwachs der Neuzeit einsetzte (Entdeckungen/Erde als Kugel, Erkenntnisse der Naturwissenschaften). Endlich, am Ende des 18. Jahrhunderts, deuteten sich Verbindungen dieser frühen Geisteshaltung [„zu mehr Menschlichkeit“ als einer staatsbürgerlichen Tugend] mit der Idee auch einer entsprechenden Verpflichtung vonseiten „des Staates“ an.  – Aber diese Entwicklung schritt sehr langsam voran, wie alle gesellschaftlichen Veränderungen sich anscheinend nur im Schneckentempo vollziehen können. Immerhin: Im 18. Jahrhundert machte sich – in Maßen! – ein politisches Umdenken bemerkbar. „Das Gedankengut der Französischen Revolution (1789) wird zum Leitbild in Europa“ (Ploetz).  Ganz so ideal scheint die öffentliche Staats- und Gemeindeverwaltung jedoch  auch heute noch nicht (immer) zu denken; denn die Verführung, staatliche Macht ausüben zu können, befällt nicht nur maßlose Staatsführer, sondern auch manche unbedeutenden Frauen und Männer, die im öffentlichen Dienst stehen oder an Schreibtischen sitzen.

Genau aus diesem Grunde hatte schon Luther gezweifelt und seine Einstellung zum Glauben an Gott nicht mit ‚Glauben an König, Kaiser und Papst‘ geteilt. In den Deutschen Ländern, auch in Mittel- und Nordeuropa hatte der Protestantismus Befürworter und Anhänger gefunden, der Westfälische Friedensbeschluss hatte die Einrichtung protestantischer Kirchenkreise/-Gemeinden ausdrücklich gestattet, und in Deutschland gelten diese Bestimmungen bis heute.

In Frankreich und Südeuropa wurden Protestanten unterdrückt und verfolgt, aus dem Lande verwiesen; besonders der Preußische Staat (auch absolutistisch regiert) nahm Hugenotten und Juden gern auf und genoss seinen internationalen Ruf als Land, wo „jeder nach seinem Glauben, auf seine Art leben könne. (Chacun à son gôutFranzösisch natürlich, denn „bei Hofe“ sprach man nur französisch (= jeder nach seinem Geschmack).

 Auch durch diese Zuzüge ’neuer‘ Einwanderer (sogar aus vielen streng katholisch gebliebenen Ländern wie dem Rheinland, Frankreich, Brabant (dem heutigen Belgien), aber auch aus  Bayern und Böhmen) profitierten besonders in  die preußischen (hier: oben in der Abbildung 91: die blauen) Gebiete des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, das noch bis 1806 bestand.[7] [7]Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war über 800 Jahre ein Staatenbündnis, das in Mitteleuropa trotz vieler Kleinkriege für eine gewisse Ausgewogenheit zwischen den aufstrebenden Großmächten in West-, Ost und Nordeuropa sorgen konnte, dem Freiheitsbedürfnis einiger Staaten (Österreich, Italien, Burgund) und letztlich dem „Kaiser von Frankreich, Napoleon“ nachgeben musste und sich 1806 auflöste. –  Danach wurde der Deutsche Bund gegründet. (Post 19)
–  –  –  –  –   –  –  –   –  –  –  – 
 
Abb. 99: Die Ernst-August-Universität Göttingen (1815  1866)

Die Deutsche Sprache wurde durch diese „Schübe“ französischer und lateinischer Begriffe ins Deutsche, aber auch durch erfinderische Neubildungen aus deutschen Wörtern belebt und in ihrem Wortschatz bereichert, nicht immer zur Freude bedeutender deutscher Dichter und Literaten. Beides, das Streben nach einer lautlich einheitlichen Hochsprache und der Schutz vor unkontrollierter Häufung von Fremdwörtern, ist Dichtern wie Martin Opitz (1597 – 1639, Dichter und Literatur-Theoretiker), Friedrich von Logau (1614 – 1655, Sinngedichte) – und …  

Anders sein und anders scheinen,

Anders reden, anders meinen,

Alles loben, alles tragen,

Allen heucheln, stets behagen,

Allem Winde Segel geben,

Bös’ und Guten dienstbar leben,

Alles Tun und alles Tichten  (Dichten)

Bloß auf eignen Nutzen richten:

Wer sich dessen will befleißen,

Kann politisch heuer heißen.

… und Andreas Gryphius (1616 – 1664)

zu verdanken, die sich die Pflege

der deutschen Sprache ausdrücklich zur Aufgabe gemacht hatten:

      Abend

Der schnelle Tag ist hin          die Nacht schwingt jhre fahn

Vnd führt die Sternen auff.               Der Menschen müde scharen

Verlassen feld vnd werck                 Wo Thier vnd Vögel waren

Trawrt jtzt die Einsamkeit.              Wie ist die zeit verthan!

Der port naht mehr vnd mehr sich zu der glieder Kahn.

Gleich wie diß licht verfiel               so wird in wenig Jahren

Ich/ du/ vnd was man hat                 vnd was man siht/ hinfahren.

Diß Leben kömmt mir vor               alß eine renne bahn.

Laß höchster Gott mich doch          nicht auff dem Laufplatz gleiten

Laß mich nicht ach/ nicht pracht    nicht lust/ nicht angst verleiten.

Dein ewig heller glantz                    sey vor vnd neben mir

Laß/ wenn der müde Leib                entschläfft/ die Seele wachen

Vnd wenn der letzte Tag wird         mit mir abend machen

So reiß mich auß dem thal               der Finsterniß zu Dir.

Andreas Gryphius, aus seiner Sammlung Das zweite Buch

Die oben angedeutete Veränderung in der Staatsführung folgte im Grunde nur der fortschreitenden Entwicklung der Geistes- und der Naturwissenschaften, die auch die Künste und die Architektur beflügelte. Über  das Jahrhunderte alte Heilige Römische Reich Deutscher Nation war der Zeitgeist schon hinweggefegt.

Das 18. Jahrhundert

Allerdings hatte schon bald nach dem verheerenden Ausgang des 30-jährigen Krieges eine Gegenbewegung eingesetzt, die wieder gehäuft französisches Wortgut einführte: Fürsten nannten ihre Schlösser Sanssouci, Monrepos oder Solitude. Friedrich d. Gr. von Preußen meinte mit Voltaire, die deutsche Sprache sei nur für Pferde und Soldaten geeignet. Indirekt hatte der französische Einfluss jedoch eine positive Nebenwirkung: Man bemühte sich im 18. Jahrhundert auch das Niveau der Franzosen zu erreichen, eine einheitliche Schriftsprache mit festen Schreibregeln zu besitzen. So gewann im Deutschen das Schriftliche langsam die Oberhand über die Mündlichkeit, Schriftdeutsch wurde Standard: „Sprich,  wie  du  schreibst!“ Diese Forderung war schon 1641 von Justus Schottel in der „Teutschen Sprachkunst“ erhoben worden, sie setzte sich aber erst in der Zeit des Theater- und Sprachlehrers Gottsched (1700 – 1766) nachhaltig durch. Immerhin wurde in Preußen 1763 die allgemeine Schulpflicht für Kinder vom 5. bis zum 13./14. Lebensjahr eingeführt.[8] [8]Die Orthographie war allerdings bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht klar geregelt. Erst seit 1901 (Rechtschreibreform und Herausgabe des „Duden„) besitzen wir endlich eindeutige Rechtschreibregeln, die außer für Deutschland auch für die Schweiz und Österreich gelten. 

Besonders gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde das geistige Leben zunehmend von jenen Planern – und von Komponisten und Schriftstellern mitbestimmt, die nicht aus Adelshäusern stammten, sondern in den meisten Fällen ihrer sozialen Herkunft nach aus angesehenen  Handwerker- oder Bürgerfamilien und dem freiheitlichen Geist und dem unkonventionellen Denken unbefangener folgen konnten[9] [9]unkonventionell: eine Konvention ist eine (aus der Vergangenheit) überlieferte, oft auch traditionelle Verhaltensweise, die kritische Geister gern hinterfragen und möglichst auch ‚verbessern‘ wollen; Die Menschen sträuben sich gegen (allzu viele) Konventionen, indem sie sich dagegen stemmen, – sich unkonventionell verhalten: Beispiele für ein aufgeklärtes Denken über Staat, Kirche und Gesellschaft.

Geisteswissenschaftlich entwickelte sich diese Aufklärung zunächst im mitteleuropäischen Raum ein: Die Universitäten in Königsberg, Potsdam und Berlin (Preußen!), in Krakau und in Prag waren die Zentren, und alles  Diskutieren fand in hochdeutscher Sprache statt. Der Begriff Aufklärung, heute auch für das „Aufklären“ von beliebigen Sachverhalten und über beliebige Probleme verwendet, bezeichnete die um das Jahr 1700 einsetzende Entwicklung, einzig durch rationales Denken alle den Fortschritt behindernden Strukturen zu überwinden.

Insgesamt erlebte Deutschland im 18. Jahrhundert die Blütezeit seiner klassischen Dichter und Denker: Johann Sebastian Bach, 1685 – 1750, weltberühmter deutscher Komponist, Kantor sowie Orgel- und Cembalovirtuose des Barock, in seiner Hauptschaffensperiode war er Thomaskantor zu Leipzig – – Georg Friedrich Händel, 1685 – 1779, deutsch-britischer Komponist des Barock; sein Hauptwerk umfasst 42 Opern und 25 Oratorien [das sind Orchesterwerke mit eingeschobenen, von Solisten oder einem Chor gesprochenen Texten], darunter Messias und andere Kirchenmusikwerke – – Immanuel Kant, 1724 – 1804, deutscher Philosoph der Aufklärung, einer der bedeutendsten Vertreter der abendländischen Philosophie, lebte, lehrte und starb in Königsberg  – –  Johann Joachim Winkelmann, 1717 – 1768, europaweit berühmter Architekt, Kunstwissenschaftler, Begründer der wissenschaftlichen Archäologie und der Kunstgeschichte, der sich gegen den pompösen Barock sträubte und die klassische Schönheit der schlichten griechischen Kunst verehrte; er gilt als der Begründer des Klassizismus im deutschsprachigen Raum  – –  Johann Wolfgang von Goethe, 1749 – 1832, 1782 geadelt, deutscher Dichter (Dramatiker – Faust / Romane und Gedichte) und Naturforscher, der mit seinem (größten) Werk, der Farbenlehre das System der Pigmentfarben entwickelte, das für unsere Gegenwart bedeutsamer ist als die Lichtfarben im Netz  – –  Johann Christoph Friedrich von Schiller, 1789 – 1805, geadelt 1802, Arzt, Dichter, Philosoph und Historiker, einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker, Lyriker und Essayisten und Schreiber wissenschaftlicher Aufsätze  – – Johann Gottfried von Herder, 1744 – 1803, geadelt 1802, Theologe, Dichter, Übersetzer, der Geschichts- und der Kulturphilosoph der Weimarer Klassik  – – Wolfgang Amadeus Mozart, 1756 – 91, weltberühmter Komponist und Musiker der Weimarer Klassik und viele andere.

Auch in der Baukunst konnte Deutschland gegenüber den Nachbarnationen bestehen, die Frauenkirche und der Zwinger in Dresden sind wohl die berühmtesten Barock-Bauwerke jener Zeit, gegen Ende des Jahrhunderts bezog Friedrich d. Gr. (s. o.) sein Schloss Sanssouci in Potsdam, das glänzte schon im spätbarocken Stil des Rokoko, wie überhaupt die deutsche Kunst erst wieder mit der Malerei der Romantik in die Riege der internationalen Bildkunst zurückkehrte.

Abb. 100: Casper David Friedrich, Maler der Deutschen Romantik

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Abb. 101: Der strickende Wachtposten

Carl Spitzweg, Der strickende Wachposten, Detail, 1855, Öl auf Leinwand, 21,6 x 39,2 cm (Museum Georg Schäfer, Schweinfurt, Inv. 2286

Merke: Zu allen Zeiten haben Künstler nicht nur ein ausgeprägtes Gefühl für „den Geist ihrer Zeit / ihrer Gesellschaft“ besessen, sondern auch die intelligente Kritikfähigkeit, ihrer Zeit und die Gesellschaft das (Fehl-)Verhalten vor Augen zu führen. Manchmal gelang solche „Aufklärung“, – oft genug ging es dem „bösen“ Künstler an den Kragen, und er musste ’sein‘ Vaterland verlassen . . .

 

 

Anmerkungen:

[1]  Martin Luther * 10. November 1483 in Eisleben, Grafschaft Mansfeld; † 18. Februar 1546 ebenda

[2]  Durch Heiraten und Erbschaften hatten im Laufe von einigen hundert Jahren diese (uralten) „hochadligen“ Familien-Clans im deutschsprachigen Raum viele, oft verstreut liegende Landgebiete in Besitz genommen: das  Haus Habsburg – das Haus Hohenzollern – das Wettinische Haus – das Haus Wittelsbach, außerdem oldenburgische, holsteinische und westfälische Adelshäuser; und dann waren da noch 95 Freie Reichsstädte. Die oben genannten Adelshäuser (so werden die ‚Familien‘ des Hochadels noch heute genannt) waren  sich nur einig im Kampf gegen den Reichtum und gegen die Landbesitztümer des Papstes und seiner deutschen Bischöfe

[3]  Ökumene ist die Gesamtheit der Christen, im engeren Sinne versteht man darunter die Gemeinsamkeit der beiden großen Konfessionen  (Katholiken und Protestanten)  –  Konfession:  Menschen, die sich gemeinsam zu einer bestimmten Glaubensrichtung zusammenfinden, gehören damit zu einer Konfession, deren Glaubensrichtlinien als Regelwerk oder „Bekenntnis“ schriftlich festgelegt ist. Konfessionen sind grundsätzlich nicht verpflichtend. Die christlichen Konfessionen (und es gibt viele) sind sich (inzwischen) einig in einem Verhaltens-Katalog ethischer, sozialer und christlich-menschenfreundlicher Werte, die sich auch im Grundgesetz der Deutschen und im Völkerrecht wiederfinden.

[4]  (Aus Wikipedia:) Der Dreißigjährige Krieg [von 1618 bis 1648] war ein Konflikt um die Vorherrschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in Europa und zugleich ein grausamer Religionskrieg. In ihm entluden sich auf europäischer Ebene der habsburgisch-französische Gegensatz und auf Reichsebene derjenige zwischen Kaiser und Katholischer Liga einerseits und Protestantischer Union andererseits. Gemeinsam mit ihren jeweiligen Verbündeten im Reich trugen die habsburgischen Mächte Österreich und Spanien ihre Interessenkonflikte mit Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden aus. Infolgedessen verbanden sich eine Reihe weiterer Konflikte mit dem Dreißigjährigen Krieg: der Achtzigjährige Krieg (1568–1648) zwischen den Niederlanden und Spanien, der Französisch-Spanische Krieg (1635–1659) und der Torstenssonkrieg (1643–1645) zwischen Schweden und Dänemark. Der Westfälische Friede, 1648 in den Städten Münster und Osnabrück beschlossen und ein Jahr später in Nürnberg besiegelt, machte dem Morden ein Ende und ließ das geschundene Deutsche Land endlich zu Atem kommen.

[5] Barock ist die Kunstrichtung des 17. Und 18. Jh. politisch das Zeitalter des Absolutismus, der beginnenden Industrie-Arbeit und der Gegenreformation (Verfolgung der Protestanten in Südwest-Europa – frz.‘ Protestanten flohen nach Preußen)

[6]  Humanismus war schon in der spätmittelalterlichen Ästhetik der Renaissance-Kunst spürbar (Vgl. 7. Zwischenbemerkung in Anm. 10/Post 17), die mit dem Wissens-Zuwachs der Neuzeit einsetzte (Entdeckungen/Erde als Kugel, Erkenntnisse der Naturwissenschaften . . )  und  sich nun (im 18. Jh.) mit den Tugenden der Idee von staatsbürgerlichen Tugenden verbindet.   –   Ganz so ideal verläuft die öffentliche Staats- und Gemeindeverwaltung jedoch  auch heute noch nicht (immer); denn die Verführung, staatliche Macht ausüben zu können, befällt nicht nur maßlose Staatsführer, sondern auch unbedeutende Frauen und Männer, die im öffentlichen Dienst stehen oder am Schreibtisch sitzen.

[7] Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war über 800 Jahre ein Staatenbündnis, das in Mitteleuropa trotz vieler Kleinkriege für eine gewisse Ausgewogenheit zwischen den aufstrebenden Großmächten in West-, Ost und Nordeuropa sorgen konnte, dem Freiheitsbedürfnis einiger Staaten (Österreich, Italien, Burgund) und letztlich dem „Kaiser von Frankreich, Napoleon“ nachgeben musste und sich 1806 auflöste.

[8]  Die Orthographie war allerdings bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht klar geregelt. Erst seit 1901 (Rechtschreibreform und Herausgabe des „Duden„) besitzen wir endlich eindeutige Rechtschreibregeln, die außer für Deutschland auch für die Schweiz und Österreich gelten.

[9] unkonventionell: eine Konvention ist eine (aus der Vergangenheit) überlieferte, oft auch traditionelle Verhaltensweise, die kritische Geister gern hinterfragen und möglichst auch ‚verbessern‘ wollen; Die Menschen sträuben sich gegen (allzu viele) Konventionen, indem sie sich dagegen stemmen, – sich unkonventionell verhalten

[10] Oratorium (lat.) heißt Bethaus; Oratorien sind Orchesterwerke, die auch mit Sologesängen, Sprechrollen (und Chorgesängen) angereichert sind und dadurch dramatisch wirken und sich dem Gesamtkunstwerk annähern

[11]  Johann Sebastian Bach, 1685 – 1750, weltberühmter deutscher Komponist, Kantor sowie Orgel- und Cembalovirtuose des Barock. In seiner Hauptschaffensperiode war er Thomaskantor zu Leipzig  –   Georg Friedrich Händel, 1685 – 1759, deutsch-britischer Komponist des Barock. Sein Hauptwerk umfasst 42 Opern und 25 Oratorien – darunter Messias und andere Kirchenmusikwerke  –   Immanuel Kant,  1724 – 1804, deutscher Philosoph der Aufklärung. Kant zählt zu den bedeutendsten Vertretern der abendländischen Philosophie, lebte, lehrte und starb in Königsberg  –  Johann Joachim Winckelmann, 1717 –  1768, europaweit berühmter Architekt und Kunstwissenschaftler der Aufklärung,  Begründer der wissenschaftlichen Archäologie und der Kunstgeschichte, der sich gegen den pompösen Zierat in der Kunst des Barock sträubte und die klassische Schönheit der griechischen Kunst verehrte er gilt als geistiger Begründer des Klassizismus im deutschsprachigen Raum  –  Johann Wolfgang von Goethe, 1749  –  1832; 1782 geadelt, deutscher Dichter und Naturforscher. Er gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung. Für Kunsterzieher wichtig: Goethe entdeckte die Komplementärfarben und damit den bis heute geltenden Farbkreis der Spektralfarben, der bei allen Pigmentfarben (Materialfarben) immer noch wichtiger sind als die Lichtfarben im Netz  –   Johann Christoph Friedrich von Schiller, 1759 – 1805; 1802 geadelt, Arzt, Dichter, Philosoph und Historiker. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker, Lyriker und Essayisten  –  Johann Gottfried von Herder, 1744 – 1803, geadelt 1802, war ein deutscher Dichter, Übersetzer, Theologe sowie Geschichts- und Kultur-Philosoph der Weimarer Klassik.   –   Wolfgang Amadeus Mozart, 1756 – 91, weltberühmter Salzburger Musiker und Komponist der Wiener Klassik.

 

 

 

 

 

Anmerkungen   [ + ]

1. * 10. November 1483 in Eisleben, Grafschaft Mansfeld; † 18. Februar 1546 ebenda
2. Durch Heiraten und Erbschaften hatten im Laufe von einigen hundert Jahren diese (uralten) „hochadligen“ Familien-Clans im deutschsprachigen Raum viele, oft verstreut liegende Landgebiete in Besitz genommen: das  Haus Habsburg – das Haus Hohenzollern – das Wettinische Haus – das Haus Wittelsbach, außerdem oldenburgische, holsteinische und westfälische Adelshäuser; und dann waren da noch 95 Freie Reichsstädte. Die oben genannten Adelshäuser (so werden die ‚Familien‘ des Hochadels noch heute genannt) waren  sich nur einig im Kampf gegen den Reichtum und gegen die Landbesitztümer des Papstes und seiner deutschen Bischöfe
3. Ökumene ist die Gesamtheit der Christen, im engeren Sinne versteht man darunter die Gemeinsamkeit der beiden großen Konfessionen  (Katholiken und Protestanten)  –  Konfession:  Menschen, die sich gemeinsam zu einer bestimmten Glaubensrichtung zusammenfinden, gehören damit zu einer Konfession, deren Glaubensrichtlinien als Regelwerk oder „Bekenntnis“ schriftlich festgelegt ist. Konfessionen sind grundsätzlich nicht verpflichtend. Die christlichen Konfessionen (und es gibt viele) sind sich (inzwischen) einig in einem Verhaltens-Katalog ethischer, sozialer und christlich-menschenfreundlicher Werte, die sich auch im Grundgesetz der Deutschen und im Völkerrecht wiederfinden.
4. (Aus Wikipedia:) Der Dreißigjährige Krieg [von 1618 bis 1648] war ein Konflikt um die Vorherrschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in Europa und zugleich ein grausamer Religionskrieg. In ihm entluden sich auf europäischer Ebene der habsburgisch-französische Gegensatz und auf Reichsebene derjenige zwischen Kaiser und Katholischer Liga einerseits und Protestantischer Union andererseits. Gemeinsam mit ihren jeweiligen Verbündeten im Reich trugen die habsburgischen Mächte Österreich und Spanien ihre Interessenkonflikte mit Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden aus. Infolgedessen verbanden sich eine Reihe weiterer Konflikte mit dem Dreißigjährigen Krieg: der Achtzigjährige Krieg (1568–1648) zwischen den Niederlanden und Spanien, der Französisch-Spanische Krieg (1635–1659) und der Torstenssonkrieg (1643–1645) zwischen Schweden und Dänemark. Der Westfälische Friede, 1648 in den Städten Münster und Osnabrück beschlossen und ein Jahr später in Nürnberg besiegelt, machte dem Morden ein Ende und ließ das geschundene Deutsche Land endlich zu Atem kommen
5. Barock ist die Kunstrichtung des 17. Und 18. Jh. politisch das Zeitalter des Absolutismus, der beginnenden Industrie-Arbeit und der Gegenreformation [Verfolgung der Protestanten in Südwest-Europa – französische Protestanten (Hugenotten) flohen nach Preußen]
6. Humanismus war schon in der spätmittelalterlichen Ästhetik der Renaissance-Kunst spürbar (Vgl. 7. Zwischenbemerkung in Anm. 10/Post 17), die mit dem Wissens-Zuwachs der Neuzeit einsetzte (Entdeckungen/Erde als Kugel, Erkenntnisse der Naturwissenschaften). Endlich, am Ende des 18. Jahrhunderts, deuteten sich Verbindungen dieser frühen Geisteshaltung [„zu mehr Menschlichkeit“ als einer staatsbürgerlichen Tugend] mit der Idee auch einer entsprechenden Verpflichtung vonseiten „des Staates“ an.  – Aber diese Entwicklung schritt sehr langsam voran, wie alle gesellschaftlichen Veränderungen sich anscheinend nur im Schneckentempo vollziehen können. Immerhin: Im 18. Jahrhundert machte sich – in Maßen! – ein politisches Umdenken bemerkbar. „Das Gedankengut der Französischen Revolution (1789) wird zum Leitbild in Europa“ (Ploetz).  Ganz so ideal scheint die öffentliche Staats- und Gemeindeverwaltung jedoch  auch heute noch nicht (immer) zu denken; denn die Verführung, staatliche Macht ausüben zu können, befällt nicht nur maßlose Staatsführer, sondern auch manche unbedeutenden Frauen und Männer, die im öffentlichen Dienst stehen oder an Schreibtischen sitzen.
7. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war über 800 Jahre ein Staatenbündnis, das in Mitteleuropa trotz vieler Kleinkriege für eine gewisse Ausgewogenheit zwischen den aufstrebenden Großmächten in West-, Ost und Nordeuropa sorgen konnte, dem Freiheitsbedürfnis einiger Staaten (Österreich, Italien, Burgund) und letztlich dem „Kaiser von Frankreich, Napoleon“ nachgeben musste und sich 1806 auflöste.
8. Die Orthographie war allerdings bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht klar geregelt. Erst seit 1901 (Rechtschreibreform und Herausgabe des „Duden„) besitzen wir endlich eindeutige Rechtschreibregeln, die außer für Deutschland auch für die Schweiz und Österreich gelten.
9. unkonventionell: eine Konvention ist eine (aus der Vergangenheit) überlieferte, oft auch traditionelle Verhaltensweise, die kritische Geister gern hinterfragen und möglichst auch ‚verbessern‘ wollen; Die Menschen sträuben sich gegen (allzu viele) Konventionen, indem sie sich dagegen stemmen, – sich unkonventionell verhalten

19: Deutsch im 19. Jahrhundert

 

Eisenwalzwerk, Ölgemälde von Adolph von Menzel, 1875

Adolph von Menzel – pgFVPI1J1YGXZA at Google Cultural Institute, zoom level maximum

Adolph von Menzel (* 8. Dezember 1815, † 9. Februar 1905 in Berlin), geadelt 1898, war Maler, Zeichner und Illustrator. Er gilt als der bedeutendste deutsche Realist des 19. Jahrhunderts. Sein Werk ist außerordentlich vielfältig; bekannt und zu Lebzeiten hoch geehrt wurde er vor allem wegen seiner historisierenden Darstellungen aus dem Leben Friedrichs des Großen.

Sprachgeschichte, Teil 5

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Post 19: Deutsch im  19. Jahrhundert

Der Vormärz: Deutschland lernt das Schriftdeutsch

Das 19. Jahrhundert begann (auch für unser Thema ‚Deutsche Sprache‘) mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahr 1806. – Von da an verlagerte sich das politische Gewicht innerhalb Deutschlands nach Norden. Brandenburg-Preußen wurde zur Vormacht im „kleindeutschen“ Verband der (verbliebenen) Länder.

Dadurch verlor Luthers weithin verbreitete mitteldeutsche (sächsische) Kanzleisprache ihre normierende Kraft. Der Anspruch, das „reinste Hochdeutsch“ zu sprechen, ging auf die ehemals niederdeutschen Gebiete über, die ich von hier an die norddeutschen Länder nenne. Deren eigene „Mundart“ – das Plattdeutsche – war weiter vom Schriftdeutschen entfernt gewesen als die ober- und mitteldeutschen Dialekte, aus denen der hochdeutsche Standard ja hervorgegangen war. Die Niederdeutschen (Norddeutschen) hatten das „Buchdeutsch“ quasi wie eine Fremdsprache schulmäßig lernen müssen[2] [2]Diese befremdliche, zumindest gewagte Aussage kann ich aus eigenem Erleben bestätigen: Als ‚Flüchtling‘ aus dem Preußischen Osten – 1945 bis 2010 offizielle Bezeichnung meines Status, ab 1965 in ‚Vertriebener‘ gemäßigt – bin ich in einer „rein“ bäuerlichen Gesellschaft aufgewachsen, in der die Umgangssprache ausschließlich „Oldenburger Platt“ war. Besonders die Kinder hatten dort vor ihrem 6. oder 7. Lebensjahr kaum eine Berührung mit der hochdeutschen Sprache gehabt, sie lernten hochdeutsch erst allmählich (schriftlich und mündlich!) in ihrer Schulzeit; die Erwachsenen hatten durch Rundfunk-Sendungen und weitere ‚Kommunikationskreise‘ zwar größere Erfahrungen mit Hochdeutsch, pflegten jedoch in den Dörfern/unter sich und erst recht in ihren Familien nachdrücklich ihr Plattdeutsch [Süd-Oldenburger Platt]. Daraus folgte bis in die Gegenwart, dass sie fast ganz ohne mundartliche Einsprengsel Deutsch sprechen, während man alemannischen, sächsischen oder bayerischen Sprechern trotz deren Bemühens beim mündliche Gebrauch der Schriftsprache oft ihre regionale Herkunft immer anhört.[3] [3][Landes-Slogan Baden-Württembergs: „Wir können alles außer Hochdeutsch“] – Mit Recht wird gesagt, dass die in Niedersachsen gesprochene Sprache heute das repräsentiert, was wir eine hochdeutsche Standardsprache nennen, wie sie auch in den 1898 getroffenen Ausspracheregeln für das hochdeutsche Theater und in Österreich und der Schweiz anerkannt werden. -

Abb. 103 Der Deutsche Bund

Der Deutsche Bund, ein 1815[4] [4]Im Deutschen Bund waren alle Königreiche des „alten Reiches“ vereinigt: Preußen, Hannover, Sachsen, Bayern, Holstein, Mecklenburg, Oldenburg, Hessen, Baden, Württemberg, Dänemark, die Niederlande und das Kaiserreich Österreich geschlossenes Bündnis von neunzehn staatlichen Zollgebieten, löste sich schon nach 50 Jahren wieder auf.[5] [5]Laut Präambel (Vorwort) der Bundesakte hatten sich die Fürsten zu einem „beständigen Bund“ vereint, der Bund hatte lediglich die Aufgabe, die innere und äußere Sicherheit der Gliedstaaten zu gewährleisten Die Bundesakte, ein Ergebnis des Wiener Kongresses war kaum mehr als ein Sicherheitsbündnis gegen andere europäische Staaten , darum hatten sich auch Preußen, Österreich, Dänemark und die Niederlande angeschlossen, wobei sie lediglich für „ihre“ Landgebiete im deutschsprachigen Reich standen (siehe Karte rechts). 1817 wurde das erste Wartburgfest veranstaltet. Dort fanden sich Politiker und Studenten, die (von Anfang an) vorhatten, einen Bundesstaat – und kein „Staaten“-Bündnis  – anzustreben. Es kam also in der Folge zu den zahlreichen ‚kleinen‘ Revolutionen und Aufständen, ohne weitreichende Folgen (außer vielleicht, dass erste europäische Einigungsgedanken in mitteleuropäischen Staatsgebilden auftauchten …).

Nach der Niederlage Napoleons I.  stellten sich wieder die alten, monarchischen Herrschaftsverhältnisse ein. Dagegen formierte sich jedoch während der „Märzrevolution“, 1848 (und 1849), bürgerlicher, vor allem auch studentischer Widerstand, der eine demokratische Grundordnung in einem vereinten Bundesstaat durchsetzen wollte. 1848 war europaweit ein Jahr bürgerlich-revolutionärer Erhebungen gegen die Restauration und deren politische und soziale Strukturen. Angefacht von der französischen Februarrevolution, griff die revolutionäre Stimmung auf die Staaten des Deutschen Bundes und weitere Reiche über.[6] [6]Restauration (Wiederherstellung ‚des Alten‘) wird diese als gute alte (und vor allem: romantische) Zeit genannt. Aber sie entwickelte sich zur Geburtsstunde demokratischen Handelns

Abb. 104: Hambacher Fest – Burschenschaftsgeschichte.de

Wartburgfest ist der Name mehrerer, zumeist studentischer Versammlungen, die alljährlich jeweils auf der Wartburg bei Eisenach in Thüringen stattfanden (in Luthers früherer Zuflucht). Am bekanntesten ist das erste Wartburgfest von 1817: Anlässlich des 300. Jahrestages des Beginns der Reformation und des 4. Jahrestages der Völkerschlacht bei Leipzig trafen sich Studenten beinahe aller evangelischen deutschen Universitäten am 18. Oktober 1817 auf der Wartburg.[7] [7]Die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 war die Entscheidungsschlacht der Befreiungskriege („Befreiung“ von Napoleon). Dabei kämpften die Truppen der Verbündeten Russland, Preußen, Österreich und Schweden gegen die Truppen Napoleon Bonapartes – Die Versuche der deutschen ‚Bürger‘, einen demokratischen Staat zu errichten, kamen jedoch nur stockend voran. Dennoch waren die Jahre des Vormärz gesellschaftlich-kulturell und auch – die Deutsche Hochsprache betreffend – eine bewegte Zeit:

Was oben über die Bereicherung des Wortschatzes bereits im 17. Jahrhundert gesagt war, hatte sich im 18. Jahrhundert noch einmal deutlich verstärkt. Der Historiker Ulrich Wehler[8] [8]H. U. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte / Von 1700 – 1990 (5 Bde.), München, Bd. 2, S. 504 ff kritisierte jedoch die schleppende Entwicklung der Universitäten in dieser Zeit, die dem Bedarf nach Bildung vonseiten einer ständig anwachsenden Leserschaft deutlich entgegen stand. So blieb die bestimmende gesellschaftliche Haltung dem Zeitgeist des Biedermeier verhaftet[9] [9]Biedermeier: ironischer Name für diese Epoche – vom Ende des Wiener Kongresses 1815 bis zur bürgerlichen Revolution 1848 in den Ländern des Deutschen Bundes – der auch für die Malerei und die Innenarchitektur galt: Zeichen einer rückwärts gerichteten, auf Beschaulichkeit und Ordnung bedachten Zeit, die eine romantisch verklärende Literatur feierte: Roman, Novelle und Poesie – häufig aus der Sicht eines ‚Poeten aus seinem Elfenbeinturm‘, waren die Stoffe der Belletristik [der Unterhaltungs-Literatur]; doch immerhin zeichnete sich dieses (äußerlich) beschauliche Gesellschaftsbild durch eine stetig anwachsende Leselust aus: Nicht nur, dass großes Interesse an den sich schnell verbreitenden Reiseberichten und Naturschilderungen bestand, auch Fachliteratur für den bürgerlichen und ländlichen Haushalt wurde gern erworben, so dass sich sogar erste entstehende journalistische Berufsbilder zeigten. – Dagegen war die Gruppe der Dichter und Schriftsteller, die zum Jungen Deutschland gehörten,  die eher die  Wartburgfeste und eine  realistische Weltsicht vorzogen, also die Gruppe der ‚Rebellen‘ gegen den romantischen Trend, relativ überschaubar.[10] [10]Jungdeutsche Autoren waren neben Heinrich Heine mit dem Lyrikband Buch der Lieder. Der wohl bedeutendste Text seiner Reisebericht-Sammlung war Die Harzreise (1826), die nach Heines Wanderung durch den Harz im Sommer 1824 entstand. Als Dramatiker trat Christian Dietrich Grabbe hervor. In seinem bekanntestem Werk, Napoleon oder Die hundert Tage, das 1831 erschien, legte Grabbe wichtige Grundsteine für die Entwicklung des epischen Dramas. Der heute sehr geschätzte Georg Büchner wurde von seinen Zeitgenossen kaum beachtet. 1835 erschien das erste soziale Drama der deutschen Literatur, Dantons Tod; Karl Georg Büchner, 1813 – 1837, Mediziner und Revolutionär – sein Drama Woyzeck, wurde erst 1902 uraufgeführt Auch Schulen und Hochschulen, wie wir sie heute in der Bundesrepublik Deutschland kennen, entwickelten sich erst (allmählich) durch die Verbreitung des Buchdrucks und die Entstehung von Nationalstaaten im Europa des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Weil Deutschland bis zur Reichsgründung (1870) aus vielen Einzelstaaten bestand, war diese Entwicklung aus zwei Gründen sehr uneinheitlich;[11] [11]Schulpolitik blieb auch nach der Reichsgründung Ländersache wie auch in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik Deutschland. So blieben die föderalen Strukturen bis heute erhalten – und mit ihnen deutliche konfessionelle Landesschwerpunkte, die sich erst in der 2. Hälfte des 20 Jahrhunderts auflösten: Katholiken besonders im Süden, Protestanten im (preußischen) Norden Deutschlands denn zum Einen sank die Rate der Analphabeten zwischen 1815 und 1848 allein in Preußen von knapp 60 % auf 20 % der Bevölkerung.[12] [12]Wehler  (s.o.) hat Statistiken militärischer Erfassungsbehörden verglichen und festgestellt, dass in England, Frankreich und Österreich um 1850 noch 40 % bis 45 % aller jungen Männer Analphabeten waren; – Wehler dazu: „Wegen der konfessionsgeschichtlichen … Tradition verwundert es nicht, dass bei dieser Ausbreitung einer grundlegenden Kulturtechnik die protestantischen Regionen und Staaten weit vorn .. lagen,…. Neben den Erziehungsimpulsen der Aufklärung spielte der protestantische Imperativ, zumindest die Heilige Schrift lesen zu können, spielte die spezifisch evangelische Schriftkultur noch immer eine ausschlaggebende Rolle“ [ebd. S. 521] Und hier stellte der Historiker (Wehler) ausdrücklich fest, dass diese Steigerung der Volksbildungsrate deutlich vor der industriellen Revolution eingetreten war, der rapide Anstieg der Schwerindustrie (Beitragsbild!)  also nicht so hinderlich gewirkt hatte, wie (gern) behauptet wird. Wehler: „Die relativ früh durchgesetzte elementare Beherrschung von Lesen, Schreiben und Rechnen tat mehr für die Modernisierung der Wirtschaft als umgekehrt;“ zum Andern ist der Lesebedarf in der Bevölkerung auch abhängig von der generalisierten Konfession der Bundestaaten bzw. (nach 1871) der Bundesländer des Deutschen Reiches. –

Bleibt ein Blick auf die faktische Verbreitung der Leselust:

1. Die mit dem Druck auch belletristischer Texte stetig steigende Beliebtheit von (privaten) Lesekreisen in Städtischen Gesellschaften (= Unterhaltungs-Literatur) ließ mit dem Anstieg von Buchhandlungen und kommerziellen Leihbibliotheken in Deutschland nach; im Vormärz hatten sich schon zwischen 1500 und 2000 dieser Geschäfte etabliert, in den großen Metropolen waren es über 100, in München nur 44 und in Wien 2; außerdem entstanden Journal-Leseinstitute,  bis heute als  Lesezirkel  bekannte Verleihfirmen von Periodika (regelmäßig erscheinende illustrierte Zeitschriften).

Abb. 105: Brockhaus Enzyklopädie

2. Eine Aufstellung des Lesestoffes erfasst alle Kategorien und literarischen Gattungen, die bis heute noch aktuell sind: Verbreitung von Presse-Erzeugnissen aller Art (also Zeitungen und Zeitschriften), Kalender, Volksbücher, Groschenhefte und andere Schriften, aber natürlich auch alle Romane (einzeln oder als Gesamtausgaben), Wörterbücher und Lexika (1808 gab F. A. Brockhaus sein erstes Conservations-Lexicon heraus, 2014 wurde dieses Standardwerks mit seiner 21. Auflage – ‚Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden‘ – eingestellt[13].

3. Die Arbeiter-Bildungsvereine des 19. Jahrhunderts und die vorzüglich ausgestatteten öffentlichen Bibliotheken damals und heute sind beste Belege für das ausgeprägte Leseverhalten der Deutschen. –

Abb. 106: Die erste Deutsche Nationalversammlung tagt in der Frankfurter Paulskirche …

Die Revolution auf Berlins Straßen 1848 wurde niedergeschlagen, …

 

… und die Erste Deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche scheiterte an den anhaltenden Widerständen des Österreichischen Kaiserreichs und des Preußischen Königreiches, und erst nach dem Deutschen Krieg 1866 und dem Deutsch-französischen Krieg 1870/71[14] [13]Preußen [mit dem Deutschen Bund und mit Österreich] gegen Frankreich (Kapitulation Frankreichs, Verhaftung Napoleons III., Frankreich wurde eine Republik wurde eine politische Neuordnung der Staaten Europas erzielt – außer für Nordamerika[15]. [14]In England regierte von 1714 bis 1901 „das Haus Hannover“; in Frankreich übernahm nach den blutigen Revolutionen der selbsterwählte Kaiser Napoleon die Macht; 1776 befreiten sich 13 nordamerikanische Staaten vom Englischen Königshof [Unabhängigkeitserklärung]

Abb. 107: Wahlaufruf im Kölner Stadt-Anzeiger 1881: „Mitbürger! Wähler der 3. Classe!“

Es wurde ein Dreiklassenwahlrecht eingeführt, damit die Vorherrschaft der Besitzenden  gesichert blieb. Dieses undemokratische Wahlrecht war in Preußen bis 1918 in Kraft[16]. [15]Das Dreiklassen-Wahlrecht, um dessen „gerechte“ Lösung lange gerungen wurde, stellt sich nach unserem heutigen Verständnis als blanker Hohn einer gerechten Wahl dar: Wählen durften nur Männer vom 25. Lebensjahr an, wenn sie weder vorbestraft noch Sozialhilfe-Empfänger noch aktive Soldaten waren. Das Land war in 180 Wahlbezirke(-Kreise) aufgeteilt. In jedem Kreis wurden die  Wähler in drei Klassen (Abteilungen) eingeteilt: Zur 1. Abt. gehörten nur die Wähler, die (zusammen) ein Drittel aller gezahlten Steuern (in diesem Wahlbezirk) bezahlt hatten; für die 2. Abt. waren dann alle Wähler zugelassen, die (zusammengerechnet) das 2. Drittel dieses Steueraufkommens gezahlt hatten; die übrigen Wähler gehörten der 3. Abt. an. – Jede Abteilung entschied somit über 16 Wahlmänner entschieden, die die (eigentlichen!) Abgeordnetenwahlen bestritten [wie noch heute in den USA]. Konkret – aus der Summe der Steuern errechnet – bestimmten über „ihre“ 16 Wahlmänner aus der 1. Abt. 4% der wahlberechtigten Männer – das waren immer sehr wenige (mitunter nur 1 bis 3 Wähler mit sehr hohen Steuerzahlungen, die über 16 Wahlmänner entschieden, aus der 2. Abt. waren es 16% und aus der 3. Abt. sogar 80% aller wahlberechtigten Männer, die ebenfalls „ihre “ 16 Wahlmänner  benennen ‚durften‘, in den Abgeordnetenwahlen waren fortschrittliche Stimmen von vornherein in der Minderheit

Am 18. Januar 1871 wurde im Schloss Versailles das Deutsche Reich gegründet. Der Preußische König Wilhelm I. erhielt den Titel Deutscher Kaiser; er war das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches von 1871 bis 1918.[17] [16]

Das Protokoll der 1. Demokratisierung Deutschlands:

  • Die Februarrevolution 1848 in Frankreich führte in den deutschen Staaten zur Märzrevolution. In Österreich kam es zu Straßenkämpfen.
  • Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. gestattete auf Druck der Bevölkerung die Ausarbeitung einer Verfassung und gestand den Bürgern Versammlungs- und Pressefreiheit zu.
  • Am 28. März 1849 wurde die Verfassung der Frankfurter Paulskirche verabschiedet, sie bildete später eine Grundlage für die Weimarer Verfassung (Post 20) und nach 1945 für das Grundgesetz unserer Bundesrepublik Deutschland. Später wurde ein allgemeines Wahlrecht, nach der Novemberrevolution von 1918 sogar (!) das Frauenwahlrecht vereinbart. –
  • Viele inzwischen gemachte Zugeständnisse wurden auch wieder abgeschafft, aber 1860 entstanden in Deutschland neue Parteien und Gewerkschaften. [1863 gründete Ferdinand Lassalle den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein, der sich 1875 mit der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands vereinigte,  der bis heute bestehenden Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).]

1862 wurde Otto von Bismarck zum Ministerpräsidenten ernannt, was zu einer Stärkung des Preußischen Königs (Wilhelm I.) gegenüber dem Parlament führte. Es kam zu Spannungen und 1870 zum Deutsch-Französischen Krieg. Preußen konnte alle deutschen Staaten und die europäischen Großmächte auf seine Seite ziehen und Frankreich unter Napoleons III. 1871 zur Kapitulation zwingen.

  •  – Damit war die Restauration besiegelt.[18] [17]Bismarck, „der eiserne Kanzler“, bekämpfte hartnäckig fortschrittliche Tendenzen in Richtung einer Sozialdemokratie, versuchte aber auch durch eine gemäßigte Sozialgesetzgebung einer drohenden Radikalisierung der Arbeiter entgegenzuwirken. Grundlage waren die Verfassung des Deutschen Bundes vom 16. April 1871 In der Zeit des Deutschen Kaiserreichs gab es drei Amtsträger: Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. bis Nov. 1918. – 1883: Krankenversicherung, – 1884: Unfallversicherung  –  1889: eine Rentenversicherung

Fazit und elfte Zwischenbemerkung:

Deutschland war im 19. Jahrhundert von liberalen[19] [18]liberal: freiheitlich, selbstverantwortlich; sozialistisch: auf die Vormachtstellung und Eigenverantwortlichkeit der Gesellschaft bedacht (Ferdinand Lassalle), die Steigerung ist kommunistisch (nach Karl Marx), die alle Staatsgüter (Macht und materiellen Besitz jeder Art) als dem “Volk“ gehörend bezeichnet, nationalen und sozialistischen Geisteshaltungen und von der rasanten Entwicklung der Naturwissenschaften, der Technik und der Industrialisierung gekennzeichnet, was zu starkem Wachstum der Großstädte und gleichzeitig zu krasser Verarmung ganzer Gesellschaftsschichten führte. Die prägende kulturelle Haltung des Bürgertums war der Biedermeier, in der Literatur war es die Romantik und in der Bildenden Kunst der beginnende Realismus.  –  Unsere Sprache erlebte einen überwältigenden Anstieg von Fachbegriffen in allen Bereichen des Privatlebens und der Arbeitswelt. Die damit einhergehende Erweiterung der Naturwissenschaften, vor allem auch der Medizin und der Psychologie und der Ausbildung im Handwerk, in der Pädagogik und in der Landschafts- und der Stadtplanung (Architektur) bereicherte nicht nur das Vokabular der Fachwelt, sondern über die (ebenfalls erheblich verbreiterte) Journal- und Fachliteratur auch die wachsenden Kreise der lesenden Bevölkerung.[20] [19]Es gilt eine negative Entwicklung im Arbeitsleben der Gesellschaft  anzumerken: Neben der Schwerindustrie (Kohle- und Erzabbau und  Arbeit in Eisenwerken wie im Beitragsbild dargestellt) hatte  sich eine Verlagsarbeits-Industrie explosionsartig in Deutschland (und England und Frankreich) verbreitet, die mir lange Zeit als „Heimarbeit“ bekannt war, was ein sehr verharmlosender Ausdruck ist. Wie der Buch-Verleger, der seine Produkte, die literarischen Texte, von privaten Autoren (von Schriftstellern) geliefert bekommt und sie dann nach persönlicher Einschätzung für „verkäuflich“ erklärt und dann in einer bestimmten Auflage ‚verlegt‘ – in den Buchhandel bringt, so lässt auch ein Großindustrieller bestimmte Stückwaren in Heimarbeit und von Privatleuten herstellen: Kleinmöbel zusammenbauen, Stoffe für Textilien weben, färben, nähen, Haushaltswaren für Küchen, Wohn- und Schlafgelegenheiten und Vieles mehr von Familien zu Hause anfertigen und bezahlt diese oft mühsame Arbeit mit Hungerlöhnen. – Durch die Verlagsarbeit, bei der oft die Kleinsten der Familien helfen mussten, entwickelte sich die große gesellschaftliche Gruppe der notleidenden Arbeiter, die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in allen europäischen Industriegebieten als verarmte Unterschicht der Gesellschaft, als Proletariat zu finden war und den Kampf des Kommunismus gegen die Bourgeoisie (das Bürgertum) entfachte.

Mit dem Abschluss des 19. Jahrhunderts unserer Kultur- und Sprachgeschichte ist mir diese letzte Zwischenbemerkung zu dem letzten und besonders zu den kommenden Abschnitten wichtig: Die differenzierten Ergänzungen meiner Ausführungen zum sprachgeschichtlichen Verlauf des Deutschen – auch in den zahlreichen Fußnoten (!) – scheint mir unverzichtbar.

Wir haben mit dem Lutherdeutsch ein Entwicklungsniveau erreicht, das keine weiteren gravierenden, formalen Veränderungen der Sprache und des Sprechens erwarten lässt; wir finden uns – endlich – in einem geschlossenen nationalen Sprachraum, an dem (auch sprachgeschichtlich) einige unserer engen Nachbarstaaten teilhaben.

Dennoch lebt unsere Sprache (wie alle anderen Muttersprachen); denn schon die „alten Griechen“ kannten die philosophische Lebensformel Panta rhei. Die Gesellschaft verändert sich ständig und mit ihr die Sprache, auch das Hochdeutsch!  Lesen Sie nur das Gedicht Abend aus dem 17. Jahrhundert (Post 18!): ähnliche Probleme mit der Ausdrucks- bzw. der Schreibweise haben auch Texte aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Allerdings erscheinen mir weiterhin alle wesentlichen Ereignisse unserer Geschichte auch Auswirkungen auf die Veränderungen unserer Sprache zuhaben. Und darum werden sich die letzten Kapitel der Geschichte der deutschen Sprache (bis Post 25) gezwungenermaßen mit allen noch folgenden Entwicklungen und Veränderungen befassen.

 

 

Anmerkungen

[1]   Napoleon Bonaparte, geb. 1769 auf Korsika, machte schnell eine militärische Karriere in Paris, beteiligte sich aktiv an der französischen Revolution von 1789 –  Liberté – Egalité – Fraternité  (FREIHEIT – GLEICHHEIT – BRÜDERLICHKEIT bzw. Gechwisterlichkeit), war  inzwischen zum Kaiser der Franzosen gekrönt, er schlug die russisch-österreichischen Truppen bei Austerlitz und die preußische Armee bei Jena und Auerstedt, zwang Spaniens König zur Abdankung, besetzte Holland und die deutsche Nordseeküste. 1812 stand er mit einem Vielvölkerheer vor Moskau, wo seine Armee jedoch fast völlig vernichtet wurde. Ein Jahr später wurde er von Preußen, Russland, Österreich, Großbritannien und Schweden in der Völkerschlacht bei Leipzig endgültig besiegt, kehrte aber 1815 noch einmal auf die europäische Bühne zurück und wurde in der Schlacht bei Waterloo von England (dessen General: „Ich wollt‘ es wäre Nacht oder die Preußen kämen!“) und den Preußen noch einmal vernichtend geschlagen. Napoleon wurde schließlich auf die Insel Helena verbannt und starb dort 1821.

[2]  Diese befremdliche, zumindest gewagte Aussage kann ich aus eigenem Erleben bestätigen: Als ‚Flüchtling‘ aus dem Preußischen Osten – 1945 bis 2010 offizielle Bezeichnung meines Status, ab 1965 in ‚Vertriebener‘ gemäßigt – bin ich in einer „rein“ bäuerlichen Gesellschaft aufgewachsen, in der die Umgangssprache ausschließlich „Oldenburger Platt“ war. Besonders die Kinder hatten vor ihrem 6. oder 7. Lebensjahr keine Berührung mit der hochdeutschen Sprache gehabt, sie lernten hochdeutsch erst allmählich (schriftlich und mündlich!) in ihrer Schulzeit; die Erwachsenen hatten durch Rundfunk-Sendungen und weitere ‚Kommunikationskreise‘ zwar größere Erfahrungen mit Hochdeutsch, pflegten jedoch in den Dörfern/unter sich und erst recht in ihren Familien nachdrücklich ihr Plattdeutsch [Süd-Oldenburger Platt].

[3]  [Landes-Slogan Baden-Württembergs: „Wir können alles außer Hochdeutsch“] – Mit Recht wird gesagt, dass die in Niedersachsen gesprochene Sprache heute das repräsentiert, was wir eine hochdeutsche Standardsprache nennen, wie sie auch in den 1898 getroffenen Ausspracheregeln für das hochdeutsche Theater und in Österreich und der Schweiz anerkannt werden. –

[4]  Im Deutschen Bund waren alle Königreiche des „alten Reiches“ vereinigt: Preußen, Hannover, Sachsen, Bayern, Holstein, Mecklenburg, Oldenburg, Hessen, Baden, Württemberg, Dänemark, der Niederlande und das Kaiserreich Österreich

[5]  Laut Präambel (Vorwort) der Bundesakte hatten sich die Fürsten zu einem „beständigen Bund“ vereint, der Bund hatte lediglich die Aufgabe, die innere und äußere Sicherheit der Gliedstaaten zu gewährleisten

[6] Restauration (Wiederherstellung ‚des Alten‘) wird diese als gute alte (und vor allem: romantische) Zeit genannt. Aber sie entwickelte sich zur Geburtsstunde demokratischen Handelns

[7] Die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 war die Entscheidungsschlacht der Befreiungskriege (von Napoleon). Dabei kämpften die Truppen der Verbündeten Russland, Preußen, Österreich und Schweden gegen die Truppen Napoleon Bonapartes.

[8] H. U. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte / Von 1700 – 1990 (5 Bde.), München, Bd. 2, S. 504 ff

[9]  Biedermeier: ironischer Name für diese Epoche – vom Ende des Wiener Kongresses 1815 bis zur bürgerlichen Revolution 1848 in den Ländern des Deutschen Bundes – der auch für die Malerei und die Innenarchitektur galt: Zeichen einer rückwärts gerichteten, auf Beschaulichkeit und Ordnung bedachten Zeit, die eine romantisch verklärende Literatur feierte: Roman, Novelle und Poesie – häufig aus der Sicht eines ‚Poeten aus seinem Elfenbeinturm‘, waren die Stoffe der Belletristik (der Unterhaltungs-Literatur)

[10]  Jungdeutsche Autoren waren neben Heinrich Heine mit dem Lyrikband Buch der Lieder. Der wohl bedeutendste Text seiner Reisebericht-Sammlung war Die Harzreise (1826), die nach Heines Wanderung durch den Harz im Sommer 1824 entstand. Als Dramatiker trat Christian Dietrich Grabbe hervor. In seinem bekanntestem Werk, Napoleon oder Die hundert Tage, das 1831 erschien, legte Grabbe wichtige Grundsteine für die Entwicklung des epischen Dramas. Der heute sehr geschätzte Georg Büchner wurde von seinen Zeitgenossen kaum beachtet. 1835 erschien das erste soziale Drama der deutschen Literatur, Dantons Tod; Karl Georg Büchner, 1813 – 1837, Mediziner und Revolutionär – sein Drama Woyzeck, wurde erst 1902 uraufgeführt

[11] Schulpolitik blieb auch nach der Reichsgründung Ländersache wie auch in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik Deutschland. So blieben die föderalen Strukturen bis heute erhalten – und mit ihnen deutliche konfessionelle Landesschwerpunkte, die sich erst in der 2. Hälfte des 20 Jahrhunderts auflösten: Katholiken besonders im Süden, Protestanten im (preußischen) Norden Deutschlands

[12]  Wehler  (s.o.) hat Statistiken militärischer Erfassungsbehörden verglichen und festgestellt, dass in England, Frankreich und Österreich um 1850 noch 40 % bis 45 % aller jungen Männer Analphabeten waren; – Wehler dazu: „Wegen der konfessionsgeschichtlichen … Tradition verwundert es nicht, dass bei dieser Ausbreitung einer grundlegenden Kulturtechnik die protestantischen Regionen und Staaten weit vorn .. lagen,…. Neben den Erziehungsimpulsen der Aufklärung spielte der protestantische Imperativ, zumindest die Heilige Schrift lesen zu können, spielte die spezifisch evangelische Schriftkultur noch immer eine ausschlaggebende Rolle“ (ebd. S. 521)

[13]  Neben Meyers Konversations-Lexikon (in 15 Bänden) war der Brockhaus das Standardwerk.  – Ich benutze „ihn“ (23 Bde.) noch heute

[14]  .. zwischen Preußen (mit dem Deutschen Bund) und Osterreich und Frankreich (Kapitulation Frankreichs, Verhaftung Napoleons III., Frankreich wurde eine Republik)

[15]  In England regierte von 1714 bis 1901 „das Haus Hannover“; in Frankreich übernahm nach den blutigen Revolutionen der selbsterwählte Kaiser Napoleon die Macht; 1776 befreiten sich 13 nordamerikanische Staaten vom Englischen Königshof [Amerikanische Unabhängigkeitserklärung]

[16]  Das Dreiklassen-Wahlrecht, um dessen „gerechte“ Lösung lange gerungen wurde, stellt sich nach unserem heutigen Verständnis als blanker Hohn einer gerechten Wahl dar: Wählen durften nur Männer vom 25. Lebensjahr an, wenn sie weder vorbestraft noch Sozialhilfe-Empfänger noch aktive Soldaten waren. Das Land war in 180 Wahlbezirke(-Kreise) aufgeteilt. In jedem Kreis wurden die  Wähler in drei Klassen (Abteilungen) eingeteilt: Zur 1. Abt. gehörten nur die Wähler, die (zusammen) ein Drittel aller gezahlten Steuern (in diesem Wahlbezirk) bezahlt hatten; für die 2. Abt. waren dann alle Wähler zugelassen, die (zusammengerechnet) das 2. Drittel dieses Steueraufkommens gezahlt hatten; die übrigen Wähler gehörten der 3. Abt. an. – Jede Abteilung entschied somit über 16 Wahlmänner entschieden, die die (eigentlichen!) Abgeordnetenwahlen bestritten [wie noch heute in den USA]. Konkret – aus der Summe der Steuern errechnet – bestimmten über „ihre“ 16 Wahlmänner aus der 1. Abt. 4% der wahlberechtigten Männer – das waren immer sehr wenige (mitunter nur 1 bis 3 Wähler mit sehr hohen Steuerzahlungen, die über 16 Wahlmänner entschieden, aus der 2. Abt. waren es 16% und aus der 3. Abt. sogar 80% aller wahlberechtigten Männer, die ebenfalls „ihre “ 16 Wahlmänner  benennen ‚durften‘, in den Abgeordnetenwahlen waren fortschrittliche Stimmen von vornherein in der Minderheit.

[17] Das Protokoll der 1. Demokratisierung Deutschlands:

  • Die Februarrevolution 1848 in Frankreich führte in den deutschen Staaten zur Märzrevolution. In Österreich kam es zu Straßenkämpfen.
  • Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. gestattete auf Druck der Bevölkerung die Ausarbeitung einer Verfassung und gestand den Bürgern Versammlungs- und Pressefreiheit zu.
  • Am 28. März 1849 wurde die Verfassung der Frankfurter Paulskirche verabschiedet, sie bildete später eine Grundlage für die Weimarer Verfassung (Post 20) und nach 1945 für das Grundgesetz unserer Bundesrepublik Deutschland. Später wurde ein allgemeines Wahlrecht, nach der Novemberrevolution von 1918 sogar (!) das Frauenwahlrecht vereinbart. –
  • Viele inzwischen gemachte Zugeständnisse wurden auch wieder abgeschafft, aber 1860 entstanden in Deutschland neue Parteien und Gewerkschaften. [1863 gründete Ferdinand Lassalle den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein, der sich 1875 mit der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands vereinigte,  der bis heute bestehenden Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).]
  • 1862 wurde Otto von Bismarck zum Ministerpräsidenten ernannt, was zu einer Stärkung des Preußischen Königs (Wilhelm I.) gegenüber dem Parlament führte. Es kam zu Spannungen und 1870 zum Deutsch-Französischen Krieg. Preußen konnte alle deutschen Staaten und die europäischen Großmächte auf seine Seite ziehen und Frankreich unter Napoleons III. 1871 zur Kapitulation zwingen.

[18]  Grundlage waren die Verfassung des Deutschen Bundes vom 16. April 1871 In der Zeit des Deutschen Kaiserreichs gab es drei Amtsträger: Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. bis Nov. 1918. – 1883: Krankenversicherung, – 1884: Unfallversicherung  –  1889: eine Rentenversicherung

[19]  liberal: freiheitlich, selbstverantwortlich; sozialistisch: auf die Vormachtstellung und Eigenverantwortlichkeit der Gesellschaft bedacht (Ferdinand Lassalle), die Steigerung ist kommunistisch (nach Karl Marx), die alle Staatsgüter (Macht und materiellen Besitz jeder Art) als dem “Volk“ gehörend bezeichnet

[20]  Es gilt eine negative Entwicklung im Arbeitsleben der Gesellschaft  anzumerken: Neben der Schwerindustrie (Kohle- und Erzabbau und  Arbeit in Eisenwerken wie im Beitragsbild dargestellt) hatte  sich eine Verlagsarbeits-Industrie explosionsartig in Deutschland (und England und Frankreich) verbreitet, die mir lange Zeit als „Heimarbeit“ bekannt war, was ein sehr verharmlosender Ausdruck ist. Wie der Buch-Verleger, der seine Produkte, die literarischen Texte, von privaten Autoren (von Schriftstellern) geliefert bekommt und sie dann nach persönlicher Einschätzung für „verkäuflich“ erklärt und dann in einer bestimmten Auflage ‚verlegt‘ – in den Buchhandel bringt, so lässt auch ein Großindustrieller bestimmte Stückwaren in Heimarbeit und von Privatleuten herstellen: Kleinmöbel zusammenbauen, Stoffe für Textilien weben, färben, nähen, Haushaltswaren für Küchen, Wohn- und Schlafgelegenheiten und Vieles mehr von Familien zu Hause anfertigen und bezahlt diese oft mühsame Arbeit mit Hungerlöhnen. – Durch die Verlagsarbeit, bei der oft die Kleinsten der Familien helfen mussten, entwickelte sich die große gesellschaftliche Gruppe der notleidenden Arbeiter, die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in allen europäischen Industriegebieten als verarmte Unterschicht der Gesellschaft, als Proletariat zu finden war und den Kampf des Kommunismus gegen die Bourgeoisie (das Bürgertum) entfachte

 

Anmerkungen   [ + ]

1. Napoleon Bonaparte, geb. 1769 auf Korsika, machte schnell eine militärische Karriere in Paris, beteiligte sich aktiv an der französischen Revolution von 1789 –  Liberté – Egalité – Fraternité  (FREIHEIT – GLEICHHEIT – BRÜDERLICHKEIT bzw. Gechwisterlichkeit), war  inzwischen zum Kaiser der Franzosen gekrönt, er schlug die russisch-österreichischen Truppen bei Austerlitz und die preußische Armee bei Jena und Auerstedt, zwang Spaniens König zur Abdankung, besetzte Holland und die deutsche Nordseeküste. 1812 stand er mit einem Vielvölkerheer vor Moskau, wo seine Armee jedoch fast völlig vernichtet wurde. Ein Jahr später wurde er von Preußen, Russland, Österreich, Großbritannien und Schweden in der Völkerschlacht bei Leipzig endgültig besiegt, kehrte aber 1815 noch einmal auf die europäische Bühne zurück und wurde in der Schlacht bei Waterloo von England (dessen General: „Ich wollt‘ es wäre Nacht oder die Preußen kämen!“) und den Preußen noch einmal vernichtend geschlagen. Napoleon wurde schließlich auf die Insel Helena verbannt und starb dort 1821.
2. Diese befremdliche, zumindest gewagte Aussage kann ich aus eigenem Erleben bestätigen: Als ‚Flüchtling‘ aus dem Preußischen Osten – 1945 bis 2010 offizielle Bezeichnung meines Status, ab 1965 in ‚Vertriebener‘ gemäßigt – bin ich in einer „rein“ bäuerlichen Gesellschaft aufgewachsen, in der die Umgangssprache ausschließlich „Oldenburger Platt“ war. Besonders die Kinder hatten dort vor ihrem 6. oder 7. Lebensjahr kaum eine Berührung mit der hochdeutschen Sprache gehabt, sie lernten hochdeutsch erst allmählich (schriftlich und mündlich!) in ihrer Schulzeit; die Erwachsenen hatten durch Rundfunk-Sendungen und weitere ‚Kommunikationskreise‘ zwar größere Erfahrungen mit Hochdeutsch, pflegten jedoch in den Dörfern/unter sich und erst recht in ihren Familien nachdrücklich ihr Plattdeutsch [Süd-Oldenburger Platt]
3. [Landes-Slogan Baden-Württembergs: „Wir können alles außer Hochdeutsch“] – Mit Recht wird gesagt, dass die in Niedersachsen gesprochene Sprache heute das repräsentiert, was wir eine hochdeutsche Standardsprache nennen, wie sie auch in den 1898 getroffenen Ausspracheregeln für das hochdeutsche Theater und in Österreich und der Schweiz anerkannt werden. -
4. Im Deutschen Bund waren alle Königreiche des „alten Reiches“ vereinigt: Preußen, Hannover, Sachsen, Bayern, Holstein, Mecklenburg, Oldenburg, Hessen, Baden, Württemberg, Dänemark, die Niederlande und das Kaiserreich Österreich
5. Laut Präambel (Vorwort) der Bundesakte hatten sich die Fürsten zu einem „beständigen Bund“ vereint, der Bund hatte lediglich die Aufgabe, die innere und äußere Sicherheit der Gliedstaaten zu gewährleisten
6. Restauration (Wiederherstellung ‚des Alten‘) wird diese als gute alte (und vor allem: romantische) Zeit genannt. Aber sie entwickelte sich zur Geburtsstunde demokratischen Handelns
7. Die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 war die Entscheidungsschlacht der Befreiungskriege („Befreiung“ von Napoleon). Dabei kämpften die Truppen der Verbündeten Russland, Preußen, Österreich und Schweden gegen die Truppen Napoleon Bonapartes
8. H. U. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte / Von 1700 – 1990 (5 Bde.), München, Bd. 2, S. 504 ff
9. Biedermeier: ironischer Name für diese Epoche – vom Ende des Wiener Kongresses 1815 bis zur bürgerlichen Revolution 1848 in den Ländern des Deutschen Bundes – der auch für die Malerei und die Innenarchitektur galt: Zeichen einer rückwärts gerichteten, auf Beschaulichkeit und Ordnung bedachten Zeit, die eine romantisch verklärende Literatur feierte: Roman, Novelle und Poesie – häufig aus der Sicht eines ‚Poeten aus seinem Elfenbeinturm‘, waren die Stoffe der Belletristik [der Unterhaltungs-Literatur]
10. Jungdeutsche Autoren waren neben Heinrich Heine mit dem Lyrikband Buch der Lieder. Der wohl bedeutendste Text seiner Reisebericht-Sammlung war Die Harzreise (1826), die nach Heines Wanderung durch den Harz im Sommer 1824 entstand. Als Dramatiker trat Christian Dietrich Grabbe hervor. In seinem bekanntestem Werk, Napoleon oder Die hundert Tage, das 1831 erschien, legte Grabbe wichtige Grundsteine für die Entwicklung des epischen Dramas. Der heute sehr geschätzte Georg Büchner wurde von seinen Zeitgenossen kaum beachtet. 1835 erschien das erste soziale Drama der deutschen Literatur, Dantons Tod; Karl Georg Büchner, 1813 – 1837, Mediziner und Revolutionär – sein Drama Woyzeck, wurde erst 1902 uraufgeführt
11. Schulpolitik blieb auch nach der Reichsgründung Ländersache wie auch in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik Deutschland. So blieben die föderalen Strukturen bis heute erhalten – und mit ihnen deutliche konfessionelle Landesschwerpunkte, die sich erst in der 2. Hälfte des 20 Jahrhunderts auflösten: Katholiken besonders im Süden, Protestanten im (preußischen) Norden Deutschlands
12. Wehler  (s.o.) hat Statistiken militärischer Erfassungsbehörden verglichen und festgestellt, dass in England, Frankreich und Österreich um 1850 noch 40 % bis 45 % aller jungen Männer Analphabeten waren; – Wehler dazu: „Wegen der konfessionsgeschichtlichen … Tradition verwundert es nicht, dass bei dieser Ausbreitung einer grundlegenden Kulturtechnik die protestantischen Regionen und Staaten weit vorn .. lagen,…. Neben den Erziehungsimpulsen der Aufklärung spielte der protestantische Imperativ, zumindest die Heilige Schrift lesen zu können, spielte die spezifisch evangelische Schriftkultur noch immer eine ausschlaggebende Rolle“ [ebd. S. 521]
13. Preußen [mit dem Deutschen Bund und mit Österreich] gegen Frankreich (Kapitulation Frankreichs, Verhaftung Napoleons III., Frankreich wurde eine Republik
14. In England regierte von 1714 bis 1901 „das Haus Hannover“; in Frankreich übernahm nach den blutigen Revolutionen der selbsterwählte Kaiser Napoleon die Macht; 1776 befreiten sich 13 nordamerikanische Staaten vom Englischen Königshof [Unabhängigkeitserklärung]
15. Das Dreiklassen-Wahlrecht, um dessen „gerechte“ Lösung lange gerungen wurde, stellt sich nach unserem heutigen Verständnis als blanker Hohn einer gerechten Wahl dar: Wählen durften nur Männer vom 25. Lebensjahr an, wenn sie weder vorbestraft noch Sozialhilfe-Empfänger noch aktive Soldaten waren. Das Land war in 180 Wahlbezirke(-Kreise) aufgeteilt. In jedem Kreis wurden die  Wähler in drei Klassen (Abteilungen) eingeteilt: Zur 1. Abt. gehörten nur die Wähler, die (zusammen) ein Drittel aller gezahlten Steuern (in diesem Wahlbezirk) bezahlt hatten; für die 2. Abt. waren dann alle Wähler zugelassen, die (zusammengerechnet) das 2. Drittel dieses Steueraufkommens gezahlt hatten; die übrigen Wähler gehörten der 3. Abt. an. – Jede Abteilung entschied somit über 16 Wahlmänner entschieden, die die (eigentlichen!) Abgeordnetenwahlen bestritten [wie noch heute in den USA]. Konkret – aus der Summe der Steuern errechnet – bestimmten über „ihre“ 16 Wahlmänner aus der 1. Abt. 4% der wahlberechtigten Männer – das waren immer sehr wenige (mitunter nur 1 bis 3 Wähler mit sehr hohen Steuerzahlungen, die über 16 Wahlmänner entschieden, aus der 2. Abt. waren es 16% und aus der 3. Abt. sogar 80% aller wahlberechtigten Männer, die ebenfalls „ihre “ 16 Wahlmänner  benennen ‚durften‘, in den Abgeordnetenwahlen waren fortschrittliche Stimmen von vornherein in der Minderheit
16.

Das Protokoll der 1. Demokratisierung Deutschlands:

  • Die Februarrevolution 1848 in Frankreich führte in den deutschen Staaten zur Märzrevolution. In Österreich kam es zu Straßenkämpfen.
  • Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. gestattete auf Druck der Bevölkerung die Ausarbeitung einer Verfassung und gestand den Bürgern Versammlungs- und Pressefreiheit zu.
  • Am 28. März 1849 wurde die Verfassung der Frankfurter Paulskirche verabschiedet, sie bildete später eine Grundlage für die Weimarer Verfassung (Post 20) und nach 1945 für das Grundgesetz unserer Bundesrepublik Deutschland. Später wurde ein allgemeines Wahlrecht, nach der Novemberrevolution von 1918 sogar (!) das Frauenwahlrecht vereinbart. –
  • Viele inzwischen gemachte Zugeständnisse wurden auch wieder abgeschafft, aber 1860 entstanden in Deutschland neue Parteien und Gewerkschaften. [1863 gründete Ferdinand Lassalle den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein, der sich 1875 mit der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands vereinigte,  der bis heute bestehenden Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).]

1862 wurde Otto von Bismarck zum Ministerpräsidenten ernannt, was zu einer Stärkung des Preußischen Königs (Wilhelm I.) gegenüber dem Parlament führte. Es kam zu Spannungen und 1870 zum Deutsch-Französischen Krieg. Preußen konnte alle deutschen Staaten und die europäischen Großmächte auf seine Seite ziehen und Frankreich unter Napoleons III. 1871 zur Kapitulation zwingen.

17. Bismarck, „der eiserne Kanzler“, bekämpfte hartnäckig fortschrittliche Tendenzen in Richtung einer Sozialdemokratie, versuchte aber auch durch eine gemäßigte Sozialgesetzgebung einer drohenden Radikalisierung der Arbeiter entgegenzuwirken. Grundlage waren die Verfassung des Deutschen Bundes vom 16. April 1871 In der Zeit des Deutschen Kaiserreichs gab es drei Amtsträger: Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. bis Nov. 1918. – 1883: Krankenversicherung, – 1884: Unfallversicherung  –  1889: eine Rentenversicherung
18. liberal: freiheitlich, selbstverantwortlich; sozialistisch: auf die Vormachtstellung und Eigenverantwortlichkeit der Gesellschaft bedacht (Ferdinand Lassalle), die Steigerung ist kommunistisch (nach Karl Marx), die alle Staatsgüter (Macht und materiellen Besitz jeder Art) als dem “Volk“ gehörend bezeichnet
19. Es gilt eine negative Entwicklung im Arbeitsleben der Gesellschaft  anzumerken: Neben der Schwerindustrie (Kohle- und Erzabbau und  Arbeit in Eisenwerken wie im Beitragsbild dargestellt) hatte  sich eine Verlagsarbeits-Industrie explosionsartig in Deutschland (und England und Frankreich) verbreitet, die mir lange Zeit als „Heimarbeit“ bekannt war, was ein sehr verharmlosender Ausdruck ist. Wie der Buch-Verleger, der seine Produkte, die literarischen Texte, von privaten Autoren (von Schriftstellern) geliefert bekommt und sie dann nach persönlicher Einschätzung für „verkäuflich“ erklärt und dann in einer bestimmten Auflage ‚verlegt‘ – in den Buchhandel bringt, so lässt auch ein Großindustrieller bestimmte Stückwaren in Heimarbeit und von Privatleuten herstellen: Kleinmöbel zusammenbauen, Stoffe für Textilien weben, färben, nähen, Haushaltswaren für Küchen, Wohn- und Schlafgelegenheiten und Vieles mehr von Familien zu Hause anfertigen und bezahlt diese oft mühsame Arbeit mit Hungerlöhnen. – Durch die Verlagsarbeit, bei der oft die Kleinsten der Familien helfen mussten, entwickelte sich die große gesellschaftliche Gruppe der notleidenden Arbeiter, die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in allen europäischen Industriegebieten als verarmte Unterschicht der Gesellschaft, als Proletariat zu finden war und den Kampf des Kommunismus gegen die Bourgeoisie (das Bürgertum) entfachte.
besonders feine footnotes