Post 16: Vom Germanischen zum Althochdeutschen

Abb. 74: Marc-Aurel-Säule in Rom, errichtet zw. 160 und 190 n.Chr., ca. 40 m hoch

Anmerkung zum Beitragsbild: Germanische Ratsversammlung, Zeichnung eines Reliefabschnitts aus der Mark-Aurel-Säule in Rom – Anmerkung zu Bild-Quellen in der Geschichtswissenschaft: [1] [1]Eine Sicherungs-Wiederholung vom vorigen Post 15: Die Sprachwissenschaft ist Teil der Geschichtswissenschaft, und alle Geschichtswissenschaft ist eine Kultur- und damit eine Geisteswissenschaft, die sich mit der Geschichte von Menschen und menschlichen Gemeinschaften beschäftigt (mehr dazu im Post 25: Sprachkunst). Merkwürdig ist aber, dass diese Geisteswissenschaft über Jahrzehnte Bilder nicht als historische Quellen anerkannte! Insbesondere die Sprachwissenschaft misstraute dieser nonverbalen Überlieferung aus unserer Vergangenheit, weil sie Bildern – allen Bildern eine zu  subjektive  Betrachtungsweise der dargestellten Bildinhalte unterstellte. Als wenn Textschreiber (Autoren) grundsätzlich objektiver über Gesehenes berichten würden als die Autoren, die Bilder herstellen. Ein wirklich dummer Fehler, finde ich.

Sprachgeschichte – Teil 2

Die Entstehung der germanischen Sprache wird auf den Anfang des 2. Jahrtausends v.Chr. zurückgeführt (Post 11). Da aus dieser Zeit keine konkreten Quellen vorliegen, wird diese „Sprach-Zeit“ (erste Entwicklungen) um das Jahr 1.000 v.Chr. datiert, es ist die erste von drei Perioden in diesem

Post 16: 

Die urgermanische Zeit (1.100 bis 450 v.Chr.),

dann folgen die germanische Zeit, von 450 v. bis 750 n.Chr.

und schließlich die althochdeutsche Zeit, die man von 750 bis 1050 n.Chr. rechnet.

1. Die  Urgermanische  Zeit

Abb. 75: Julius Caesar

Man weiß nicht nur kaum etwas über die Sprache der Germanen; man weiß überhaupt zu wenig über die Germanen: Das Zeitalter nennt man „Eisenzeit“; man hat Werkzeuge und Waffen aus dieser Zeit gefunden (Post 3), aber erst die Römer konnten uns über „die Germanen“ berichten, weil sie (in Latein) aufschrieben, was sie beobachteten:

Der Historiker Stefan Jacob, einer der Auslöser für dieses Blog über die Sprachen (Post 1), hat u. a. auch übersetzt und zitiert, was einer der uns bekannten Römer über sie aufgeschrieben hat – so zwischen 65 und 50 v.Chr. Es war der römische Feldherr und Herrscher der Römischen Republik  Julius Caesar, und ich will Ihnen einige Auszüge aus den Aufzeichnungen zitieren, damit hier wenigstens ein paar Informationen über diese Zeit vorliegen, die die Sprachwissenschaft urgermanisch nennt (s.o.!):

(Aus dem 6. Buch, dem „Gallischen Krieg„; kursiv und schwarz gedruckter Text wurde von mit sinngemäß aus dem Original zusammengefasst. Fuhrmann)

Da wir einmal so weit gekommen sind, so scheint es hier die passende Stelle zu sein, von den Sitten  der Gallier und Germanen zu handeln, und worin diese beiden Nationen sich voneinander unterscheiden. … Bei den Germanen findet man weder Druiden, die den Gottesdienst versehen, noch geben sie sich viel mit Opfern ab. Sie haben nur solche Gottheiten, die man sieht und von denen man augenblickliche Vorteile hat … die Sonne, das Feuer, den Mond. … Ihr ganzes Leben ist zwischen Jagd und Kriegsübungen geteilt. Von Jugend an gewöhnen sie sich an Strapazen und sind auf Abhärtung bedacht. … Ackerbau betreiben sie nicht viel, ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus Milch, Käse und Fleisch. Niemand besitzt ein bestimmtes Ackerland oder eigenen Grund, sondern die Obrigkeit und die Fürsten weisen jährlich den Stämmen, den Sippen und denen, die sich sonst miteinander verbunden haben, Felder zu, soviel und wo es ihnen gefällt, und sie zwingen ihre Leute, das Jahr darauf anderswohin zu ziehen, damit über deren Arbeit am Hof und auf dem Feld keine Besitzansprüche ableiten und sie den Mächtigen oder den Ärmeren streitig machen kann statt gehorsam für die Kriegsübungen und Feldzüge für die Herrscher zu trainieren.

Den Staaten wird es zum höchsten Ruhm angerechnet, wenn alles weit und breit um sie herum verwüstet ist. Sie sehen es als tapfer an, die Unterlegenen (Nachbarn) zu vertreiben. Soin Ruhe und allein in der eigenen Sippefühlen sie sich am sichersten. In Friedenszeiten gibt es keine gemeinsame Regierung, sondern die Vornehmsten in den Provinzen und Gauen versehen bei ihren Leuten die Rechtsprechung und schlichten die Streitigkeiten. Raubzüge außerhalb der eigenen Grenzen haben bei ihnen gar nichts Anstößiges, sie sehen darin ein Mittel, die jungen Leute … vor dem Faulenzen zu bewahren. …

Statt weiterer Abbildungen von Germanen biete ich Ihnen hier drei Bilder von wichtigen germanischen Göttern an, die auch Julius Caesar oben erwähnte und die – wie viele Bücher und Bilder zu „den Germanen“ – aus dem 19. Jahrhundert stammen, als sich ein regelrechter Germanen-Kult entwickelte, der leider auch zu jener fanatisch verzerrenden Ideologie von der arischen Herrenrasse führte (eine Anhäufung verbogener wissenschaftlich nicht haltbarer Theorien zur Begründung und Rechtfertigung des politischen Handelns der Deutschen im 19. Jahrhundert), die den im frühen 20. Jahrhundert sich anbahnenden Hype zum Nationalsozialismus auslöste und schließlich Deutschland ins Verderben stürzte. (Vgl. Post 20: Die Weltkriege!)

Abbildungen 76, 77, 78

Wotan ist der oberste Gott der Germanen. Er stammt aus dem Göttergeschlecht der Asen. Ihm zur Seite stehen die Raben Hugin und Munin, sowie die Wölfe Geri und Freki. Um Weisheit und Allwissenheit zu erlangen, musste er eines seiner Augen opfern. Der englische Wochentag Wednesday (Wodans day/ Mittwoch) geht auf diesen Gott zurück.

 

 

Freya ist die germanische Göttin der Liebe und der Fruchtbarkeit. Sie stammt aus dem Göttergeschlecht der Wanen und ist nach Frigg die bedeutendste Göttin der Germanen. Unser Wochentag Freitag (Freyas Tag) geht auf diese Göttin zurück.

Ostara ist die Göttin des Frühlings. Ihr wurde das Ostarafest (Ostern) gewidmet. Laut Legende hat sie den Hasen aus einem Vogel erschaffen, was für die Tradition der Ostereier bzw. des Osterhasen sprechen würde.

 

 

Die Quellen dieser drei Abbildungen sind diese Museen: das Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, das Braunschweiger Landesmuseum Wolfenbüttel (Funkenburg-Westpreußen) -und das Lippische Landesmuseum DetmoldLiteratur: Reallexikon der germanischen Altertumskunde (Johannes Hoops)

2. Die germanische Zeit

Während der urgermanischen Zeit hatten sich die politischen Verhältnisse im „alten“ Europa deutlich verändert: Das prachtvolle Römische Reich wuchs zur damaligen Weltmacht an, ganz Mittel-, Nordwest- und Südwesteuropa war römisch und dazu fast der ganze Mittelmeerraum.

Aber mit seinem Niedergang errangen  einige Germanenstämme die führende Bedeutung: England war von den Angelsachsen erobert, die Ostgoten hatten den Balkan und ganz Italien erobert, das dreigeteilte Reich der Franken wurde aus dem Osten von den Alemannen bedrängt, im Süd-Osten des heutigen Frankreichs herrschten die Burgunder, die Westgoten hatten fast die ganze Iberische Halbinsel erobert, die Wandalen waren inzwischen in Afrika angekommen und hatten der Südküste und die Inseln des Mittelmeeres besetzt.

Dieses Stammes- und Ländergemisch soll Ihnen einen Eindruck von der enormen Veränderungen Europas und seiner Bewohner durch die Völkerwanderung vermitteln.

Einzig das Oströmische Reich konnte sich im östlichen Mittelmeerraum behaupten und eroberte bis zum Jahr 600 n.Chr. die Länder an der Adria und das heutige Italien zurück.

Etwas zeitversetzt – von dem Jahr 0 an – entwickelte sich schließlich aus dem Judentum auch das Christentum, um 200 n.Chr. entstanden in der ägyptische Wüste erste Mönchsklöster, 100 Jahre später auch im oströmischen Reich. Und im Jahr 380 wird der Christliche Glaube zur Staatsreligion im Römischen Reich erklärt. Ungefähr 900 Jahre später ist der christliche Glaube in ganz Europa und in einigen Gebieten Asiens und Afrikas verbreitet..

Was im Post 3 eine Schlagzeile war – Von Volksstämmen zu Nationen, das war für Europa eine gewaltige und sehr dynamische Epoche: die Europäer hatten viele Veränderungen erlebt. Darum können wir nun versuchen, den Übergang zum Deutschen mit der germanischen Sprache  nachzuvollziehen[2] [2]Als Deutsche werden hier die germanischen Volksstämme und Bevölkerungen bezeichnet, die etwa vom 5. Jahrhundert an in der Mitte Europas lebten und – etwas genauer – dort im nordwesteuropäischen Raum sesshaft geworden waren, d.h.: die über Generationen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte in bestimmten Gebieten – in „ihrem Land“/“bei uns“ – gelebt hatten oder noch heute leben. Vgl. dazu die Abb. 40 im Post 11. – Heute gilt nach dem Grundgesetz als Deutscher Staatsbürger/Deutsche Staatsbürgerin, wer einen gültigen Deutschen Pass oder Personalausweis besitzt:

Abb. 79: Rekonstruierter Wachturm am LIMES, nahe dem Kastell Zugmantel am Taunus, ca. um 200 n.Chr.

Die 1. Germanische Lautverschiebung ist eine auffallend regelmäßige und langsame Veränderung einiger, vor Allem einzelner  Konsonanten, wobei jede Phase nur einen einzigen Wechsel enthält. Die „Verschiebungen“ betrafen ebenso die labialen Laute – die Lippenlaute p, b, bʰ, f,  wie  die diesen entsprechenden dentalen Laute (die Laute, die mit Hilfe der Zähne gebildet werden)  t, d, dʰ, þ, aber auch die „scharfen“ velaren Laute, die mit Hilfe des Gaumens (Gaumensegels) wie k, g, gʰ, h und die gerundeten velaren Laute kʷ, gʷ, gʷʰ, HW. [3] [3]Einen Laut kann man hören; in dem Fachbegriff Phonem steckt das englische Wort Phone (für das, was hörbar ist), und der sprachwissenschaftliche Fachbegriff nimmt ‚Laut‘ hier sehr genau: Und sehr genau müssen Sie diese entsprechenden Textstellen lesen, um die hier angesprochene „Phonetik“ – Fonetik/Lehre von den Lauteneiner Sprache – zu verstehen, ganz langsam und sorgfältig Lippen (Zähne, Zunge, Gaumen usw.) kontrollierend. – Ein Fonem (neue Schreibweise lt. Duden – statt Phonem) ist die sprachwissenschaftliche Bezeichnung für die kleinste lautliche (hörbar geäußerte) Einheit – der kleinste hörbare „Klang“ eines Buchstabens, der eine Bedeutung für das entsprechende Wort (bzw. für den Buchstaben) hat. Z.B.: Gemeint ist damit nur das hörbare Element, was in einem Wort zum Klingen gebracht wird: bein | Pein – was wir sprechend artikulieren, wenn wir einen Konsonanten „pur“ (also ohne den Mitlaut beim Buchstabieren) aussprechen: nicht bee sondern b, nicht zett sondern z. Dann haben die Konsonanten keinen eigenen Sound, – um ein anderes englisches Wort zu benutzen; Konsonanten sind (fast) tonlose Geräusche, die im Mund geformt werden. Und beim richtigen Schreiben reichen Konsonanten für die Rechtschreibung auch aus; aber beim wirklich genauen Sprechen kommen die Foneme ins Spiel: „5 vor 12″ – aber die Vase; wir jagen (gee) den Fuchs (ks) – aber die Jagd (k) und die Flucht (ch) usw. . . Sie merken wahrscheinlich: die Fonetik ist für die sprachgeschichtliche Entwicklung [für unser Thema] weniger wichtig; es ist aber gut, dass Sie das Problem der Fonetik kennengelernt haben – Die erste Phase nahm dem Phonem-Repertoire (dem Klang-Repertoire) [Das Repertoire eines Sängers umfasst alle Gesangstitel, die dieser Sänger beherrscht], – die zweite Phase füllte diese Lücke aus, schuf jedoch eine neue Lücke im Phonem-Repertoire. Dieser Prozess wurde über vier verschiedene Kettenverschiebungen und in zeitversetzten Entwicklungsstufen vollzogen.[4] [4]Die Lautverschiebung begann wahrscheinlich bei der gotischen Sprache (vgl. Sprachen-Nr. 19) – zwischen 400 und 800 [immer: n.Chr.], sie setzte im Westgermanischen, auch althochdeutsch genannten zwischen 600 und 1.000 fort und wurde besonders im westfriesischen und in den englischen Sprachen deutlich, und sie war abgeschlossen in der altsächsischen und der altnordischen Sprache etwa zwischen 800 und 1.100

Das germanische Sprachgut (Dichtung, Lieder) war fast ausschließlich mündlich vorgetragen überliefert worden. Aber in dieser Zeit hatten immer mehr Germanen das Lateinische (der Römer) kennen und sprechen gelernt, und waren dabei auch der lateinischen Schrift (dem ABC) begegnet. So waren erste Schriften in altnordischer Sprache entstanden. (Was mit Runenzeichen auf vergängliches Holz oder in Stein geschrieben worden war, ist zum größten Teil verloren.)  –

Abb. 76: Abrogans, ca. 762 n.Chr. (Ausschnitt), das älteste deutsche Schriftstück, aufbewahrt in einem Kloster in St. Gallen (Schweiz)

Abb. 80: ca. 762 n.Chr. „Abrogans“ das älteste deutsche Schriftstück

Das älteste  literarische (geschriebene) Zeugnis  aus dieser Zeit ist die „Germania“ des römischen Geschichtsschreibers Tacitus.

Etwa um Christi Geburt, also um das Jahr 5 oder 10 herum, wuchs der Einfluss der römischen Kultur im deutschsprachigen Raum (Mitteldeutschland, Österreich, Schweiz) zunächst über militärische Besetzung großer Gebiete, später über gegenseitiges Kennenlernen des privaten Lebens und damit der Sprache (dem damaligen „Italisch-Latein“), besonders aber auch über den regen Handel zwischen den Römern und den Germanen und die beginnende Kultivierung der Landwirtschaft. Zu Tacitus’ Lebzeiten befand sich das römische Reich auf dem Höhepunkt seiner Macht.  Geographisch hatte es fast seine größte Ausdehnung erreicht und erlebte auch kulturell eine Blüte. Die Grenzen zu Germanien waren gezogen und weitgehend gesichert, nach der Varus-Schlacht im Jahre 9 n.Chr. wurden die römischen Offensiven schließlich eingestellt und die beiden Rheinprovinzen eingerichtet[5] [5]Varus war ein Römischer Heerführer, der – auf dem Rückzug in das Winterquartier seiner Soldaten – von den Germanen überfallen und (fast) vernichtet wurde, allerdings nicht im Teutoburger Wald, wo heute noch ein riesiges Denkmal an diesen Sieg der Germanen erinnern sollte, sondern in einem Ort namens Kalkriese bei Bramsche, nördlich von Osnabrück, vom früher angenommenen Standort. Erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden dort die deutlichen Spuren der berühmten letzten Schlacht im Norden des langsam schrumpfenden Römischen Reiches gefunden. Heut steht dort ein beeindruckendes Museum: Germania inferior (Niedergermanien) umfasste die westlich des Rheins gelegenen Teile der heutigen Niederlande und Deutschlands sowie Teile von Belgien. Die nördliche Nachbarprovinz von (Obergermanien) und lag weiter südöstlich, in Brabant (Muttersprache Nr. 27), in der Nähe eines heute bekannten gallischen Dorfes. … Die Verwaltungs-hauptstadt dieser Provinz war Köln.

Tacitus beginnt mit den Grenzen Germaniens und seinem Volk, dann wendet er sich der Beschaffenheit des Landes und schließlich den Bodenschätzen zu. Er beschreibt die Germanen als abgehärtet, ursprünglich und unvermischt mit anderen Völkern, als Urbevölkerung ihrer Heimat, da sie seinen Schilderungen nach keiner Ethnie[6] [6]Ethnie: Bezeichnung für eine ethnische Volksgruppe, eine Gemeinschaft, die sich durch bestimmte, ganz eigene Merkmale auszeichnet [Aussehen, Gestalt, bes. aber Sitten, Bräuche, Sprache … ] der bekannten damaligen Welt ähnlich seien, und er sich auch nicht vorstellen könne, dass jemand freiwillig in solch eine Region einwandern würde. Die Gastfreundschaft der Germanen wird lobend hervorgehoben, ihre Feiern, so Tacitus, dauerten oft tagelang, Hier erwähnt der Autor auch ihr einfaches Essen und das ihm unbekannte alkoholische Getränk (Met/Bier), das die Germanen im Übermaß konsumierten. Es überrascht, dass fast im selben Atemzug ihre absolute Ehrlichkeit gerühmt wird.

Abb. 81: Auszug aus Tacitus‘ Bericht über die Germanen

Noch weit vor ihrer Christianisierung  lernten die „Deutschen“ die lateinische Schrift kennen.[7] [7][Wie Anm. 2 oben:] Als Deutsche werden hier die germanischen Volksstämme/ Bevölkerungen bezeichnet, die etwa vom 5. Jahrhundert an im nordwesteuropäischen Raum sesshaft geworden waren [d.h.: die über Generationen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte in bestimmten Gebieten – in „ihrem Land“/“bei uns“ – gelebt hatten oder noch heute leben]. Heute gilt nach unserem Grundgesetz (GG) als Deutscher/als Deutsche, wer einen gültigen Personalausweis oder Reisepass besitzt  Es gibt jedoch auch einige germanische Nomina[8], die nicht aus dem Urindogermanischen ererbt werden konnten, denn es wurden keine verwandten Wörter in außergermanischen Sprachen gefunden.

Bei den nächsten Wortvergleichen werden die Veränderungen einzelner Wörter im Laufe der Jahrzehnte ihres Gebrauchs betrachtet.[8] [8]Nomina, Pronomina und Verben sind Bezeichnungen für bestimmte Wortarten: – vgl. Post 23!

    Gesamtgermanische Pronomina

Deutsch Althoch-deutsch Luxem-burgisch Nieder-ländisch Alt-sächs. Alt-engl. Engl. Alt-nordisch Gotisch Ger-manisch
ich ih ech ik ik ic I ek ik *ek
du du du . thu þu thou þú þu *þu
wer? (h)wer wen wie hwe hwa who hvat hwas *χwiz

Gesamtgermanische Verben

Deutsch Alt-hoch-deutsch Luxem-burgisch Nieder-län-disch Alt-

sächs.

Alt-

engl.

Engl. Alt-nord. Gotisch German.
essen ezzan iessen, eessen eten etan etan eat eta itan *etaną
(tragen)* beran droen baren beran beran bear bera bairan *beraną
trinken trinkan drénken drinken drinkan drincan drink drekka drigkan *drinkaną
(er weiß) wissen weiz wees weet wēt wāt . veit wait *wait

3. Die althochdeutsche Zeit

Zwischen 750 und 1050 n.Chr. hat sich aus verschiedenen germanischen Stammsprachen aufgrund der (vorangegangenen) politischen und kulturellen Ereignisse eine so genannte althochdeutsche Sprache ausgebildet, die sich von allen anderen germanischen Mundarten unterschied. Das war der Beginn der 2. Germanischen Lautverschiebung.

Indogerman.‘ b d g p t k
Germanisch p t k f Φ wie engl. th ch / h
Beispiele: „Apfel“ „zwei“ „Knie“ „viel“ „drei“ „Herz“
ohne Laut-ver-schiebung keltisch: aball

altslaw.: abluko

latein.: duo

polnisch: dwa

hethitisch: gen

latein.: genu

indogerm.: pelu

griech.: poly

griech.: treis

latein.: tres

griech.: kardia

latein.: cor

mit Laut-verschiebung engl.: apple

niederl.: appel

altsächs.: æppel

engl.: two

niederl.: twee

dänisch: to

engl.: knee

gotisch: kniu

schwed.: k

altengl.: feala

althochd.: filu

altfries.: felo

engl.: three

altsächs.: thria

gotisch: Φreis

engl.: heart

gotisch: hairto

altnord.: hjarta

Zur unteren Tabelle: Weil auch die hochdeutschen Parallelen angegeben sind, zeigt die Tabelle deutlich die Zweite Lautverschiebung vom (Ur-)Germanischen zum Hochdeutschen. Rekonstruierte erste germanische und indogermanische Formen sind blau gekennzeichnet, entsprechende Konsonanten fett gedruckt.

Während z. B. das Lateinische und das Griechische die „indogermanischen“ Konsonanten weitgehend erhalten, erfährt das Germanische einen lautgesetzlichen Wandel. Das Englische und das Niederdeutsche konservieren bis heute diese „germanischen“ Konsonanten, dagegen erfolgt beim Übergang zum Hochdeutschen eine zweite Lautverschiebung dieser Konsonantengruppe. Insgesamt ergeben sich folgende Lautgesetze. Der Vergleich von alten, indogermanisch herzuleitenden Wörtern aus germanischen Sprachen mit stammverwandten Wörtern aus nichtgermanischen Sprachen macht deutlich, dass sich spätestens in dem genannten Zeitraum eine Volksgruppe von der Gemeinschaft der Indogermanen abgesetzt haben muss – entweder, indem diese Gruppe abwanderte, oder indem sie an ihren angestammten Wohnsitzen blieb, während andere die indogermanische Heimat in verschiedene Richtungen verließen.

Im 11. und 12. Jahrhundert waren christlicher Glaube und Bildung mit der Ausbreitung des Christentums untrennbar miteinander verbunden gewesen – bis zur Entwicklung der Städte. Demzufolge war die mittelalterliche Schule zunächst immer auch eine kirchliche Schule gewesen. Bereits im frühen Mittelalter entstanden ganze Schullandschaften mit Klosterschulen, Domschulen und Stiftschulen.

Abb. 82: Schule im Mittelalter – Quelle: heimatjahrbuch-vulkaneifel.de/VT/hjb1982.78htm

Inzwischen befinden wir uns – der geschichtlichen Zeitrechnung nach – bereits im Mittelalter; denn entgegen  der (verständlichen) allgemeinen Vorstellung, dass mit dem Wort Hochdeutsch eine gewisse Endstufe der Sprachentwicklung gemeint sei, beginnt für die Sprachforschung das Althochdeutsche schon in der gesamtgermanischen Zeit, also vor dem Mittelalter, dem ich mich im nächsten Abschnitt, dem Post 17 zuwende.

 

Anmerkungen:

[1]  Eine Wiederholung vom vorigen Post 15: Die Sprachwissenschaft ist Teil der Geschichtswissenschaft, und alle Geschichtswissenschaft ist eine Kultur- und damit eine Geisteswissenschaft, die sich mit der Geschichte von Menschen und menschlichen Gemeinschaften beschäftigt (mehr dazu im Post 26: Sprachkunst). Merkwürdig ist aber, dass diese Geisteswissenschaft über Jahrzehnte Bilder nicht als historische Quellen anerkannte! Insbesondere die Sprachwissenschaft misstraute dieser non verbalen Überlieferung aus unserer Vergangenheit, weil sie den – allen – Bildern eine zu  subjektive  Betrachtungsweise der dargestellten Bildinhalte unterstellte. Als wenn Textschreiber – Autoren – grundsätzlich objektiver über Gesehenes (?) berichten würden. Ein wirklich dummer Fehler, finde ich.

[2]  Als Deutsche werden hier die germanischen Volksstämme und Bevölkerungen bezeichnet, die etwa vom 5. Jahrhundert an im nordwesteuropäischen Raum sesshaft geworden waren (d.h.: die über Generationen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte in bestimmten Gebieten – in „ihrem Land“ – gelebt hatten oder noch heute leben.

[3] Einen Laut kann man hören; in dem Fachbegriff Phonem steckt das englische Wort Phone (für das, was hörbar ist), und der sprachwissenschaftliche Fachbegriff nimmt ‚Laut‘ hier sehr genau: Und sehr genau müssen Sie diese entsprechenden Textstellen lesen, um die hier angesprochene „Phonetik“ – Fonetik/Lehre von den Lauteneiner Sprache – zu verstehen, ganz langsam und sorgfältig Lippen (Zähne, Zunge, Gaumen usw.) kontrollierend. – Ein Fonem (neue Schreibweise lt. Duden – statt Phonem) ist die sprachwissenschaftliche Bezeichnung für die kleinste lautliche (hörbar geäußerte) Einheit – der kleinste hörbare „Klang“ eines Buchstabens, der eine Bedeutung für das entsprechende Wort (bzw. für den Buchstaben) hat. Z.B.: Gemeint ist damit nur das hörbare Element, was in einem Wort zum Klingen gebracht wird: bein | Pein – was wir sprechend artikulieren, wenn wir einen Konsonanten „pur“ (also ohne den Mitlaut beim Buchstabieren) aussprechen: nicht bee sondern b, nicht zett sondern z. Dann haben die Konsonanten keinen eigenen Sound, – um ein anderes englisches Wort zu benutzen; Konsonanten sind (fast) tonlose Geräusche, die im Mund geformt werden. Und beim richtigen Schreiben reichen Konsonanten für die Rechtschreibung auch aus; aber beim wirklich genauen Sprechen kommen die Foneme ins Spiel: „5 vor 12“ – aber die Vase; wir jagen (gee) den Fuchs (ks) – aber die Jagd (k) und die Flucht (ch) usw. . . Sie merken wahrscheinlich: die Fonetik ist für die sprachgeschichtliche Entwicklung [für unser Thema] weniger wichtig; es ist aber gut, dass Sie das Problem der Fonetik kennengelernt haben

[4]  Die Lautverschiebung begann wahrscheinlich bei der gotischen Sprache (vgl. Sprachen-Nr. 19) – zwischen 400 und 800 [immer: n.Chr.], sie setzte im Westgermanischen, auch althochdeutsch genannten zwischen 600 und 1.00 fort und wurde besonders im westfriesischen und in den englischen Sprachen deutlich, und sie war abgeschlossen in der altsächsischen und der altnordischen Sprache etwa zwischen 800 und 1.100

[5]  Varus war ein Römischer Heerführer, der – auf dem Rückzug in das Winterquartier seiner Soldaten – von den Germanen überfallen und (fast) vernichtet wurde, allerdings nicht im Teutoburger Wald, wo heute noch ein riesiges Denkmal an diesen Sieg der Germanen erinnern sollte, sondern in einem Ort namens Kalkriese  bei Bramsche, nördlich von Osnabrück, vom früher angenommenen Standort. Erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden dort die deutlichen Spuren der berühmten letzten Schlacht im Norden des langsam schrumpfenden Römischen Reiches gefunden. Heut steht dort ein beeindruckendes Museum

[6] Ethnie: Bezeichnung für eine ethnische Volksgruppe, eine Gemeinschaft, die sich durch bestimmte, ganz eigene Merkmale auszeichnet (Aussehen, Gestalt, bes. aber Sitten, Bräuche, Sprache … )

[7]  (Wie Anm. 2 oben;) Als Deutsche werden hier die germanischen Volksstämme/Bevölkerungen bezeichnet, die etwa vom 5. Jahrhundert an im nordwesteuropäischen Raum sesshaft geworden waren (d.h.: die über Generationen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte in bestimmten Gebieten – in „ihrem Land“ – gelebt hatten oder noch heute leben.

[8]  Nomina, Pronomina  und Verben sind Bezeichnungen für bestimmte Wortarten: – vgl. Post 23!

 

Anmerkungen   [ + ]

1. Eine Sicherungs-Wiederholung vom vorigen Post 15: Die Sprachwissenschaft ist Teil der Geschichtswissenschaft, und alle Geschichtswissenschaft ist eine Kultur- und damit eine Geisteswissenschaft, die sich mit der Geschichte von Menschen und menschlichen Gemeinschaften beschäftigt (mehr dazu im Post 25: Sprachkunst). Merkwürdig ist aber, dass diese Geisteswissenschaft über Jahrzehnte Bilder nicht als historische Quellen anerkannte! Insbesondere die Sprachwissenschaft misstraute dieser nonverbalen Überlieferung aus unserer Vergangenheit, weil sie Bildern – allen Bildern eine zu  subjektive  Betrachtungsweise der dargestellten Bildinhalte unterstellte. Als wenn Textschreiber (Autoren) grundsätzlich objektiver über Gesehenes berichten würden als die Autoren, die Bilder herstellen. Ein wirklich dummer Fehler, finde ich.
2. Als Deutsche werden hier die germanischen Volksstämme und Bevölkerungen bezeichnet, die etwa vom 5. Jahrhundert an in der Mitte Europas lebten und – etwas genauer – dort im nordwesteuropäischen Raum sesshaft geworden waren, d.h.: die über Generationen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte in bestimmten Gebieten – in „ihrem Land“/“bei uns“ – gelebt hatten oder noch heute leben. Vgl. dazu die Abb. 40 im Post 11. – Heute gilt nach dem Grundgesetz als Deutscher Staatsbürger/Deutsche Staatsbürgerin, wer einen gültigen Deutschen Pass oder Personalausweis besitzt
3. Einen Laut kann man hören; in dem Fachbegriff Phonem steckt das englische Wort Phone (für das, was hörbar ist), und der sprachwissenschaftliche Fachbegriff nimmt ‚Laut‘ hier sehr genau: Und sehr genau müssen Sie diese entsprechenden Textstellen lesen, um die hier angesprochene „Phonetik“ – Fonetik/Lehre von den Lauteneiner Sprache – zu verstehen, ganz langsam und sorgfältig Lippen (Zähne, Zunge, Gaumen usw.) kontrollierend. – Ein Fonem (neue Schreibweise lt. Duden – statt Phonem) ist die sprachwissenschaftliche Bezeichnung für die kleinste lautliche (hörbar geäußerte) Einheit – der kleinste hörbare „Klang“ eines Buchstabens, der eine Bedeutung für das entsprechende Wort (bzw. für den Buchstaben) hat. Z.B.: Gemeint ist damit nur das hörbare Element, was in einem Wort zum Klingen gebracht wird: bein | Pein – was wir sprechend artikulieren, wenn wir einen Konsonanten „pur“ (also ohne den Mitlaut beim Buchstabieren) aussprechen: nicht bee sondern b, nicht zett sondern z. Dann haben die Konsonanten keinen eigenen Sound, – um ein anderes englisches Wort zu benutzen; Konsonanten sind (fast) tonlose Geräusche, die im Mund geformt werden. Und beim richtigen Schreiben reichen Konsonanten für die Rechtschreibung auch aus; aber beim wirklich genauen Sprechen kommen die Foneme ins Spiel: „5 vor 12″ – aber die Vase; wir jagen (gee) den Fuchs (ks) – aber die Jagd (k) und die Flucht (ch) usw. . . Sie merken wahrscheinlich: die Fonetik ist für die sprachgeschichtliche Entwicklung [für unser Thema] weniger wichtig; es ist aber gut, dass Sie das Problem der Fonetik kennengelernt haben
4. Die Lautverschiebung begann wahrscheinlich bei der gotischen Sprache (vgl. Sprachen-Nr. 19) – zwischen 400 und 800 [immer: n.Chr.], sie setzte im Westgermanischen, auch althochdeutsch genannten zwischen 600 und 1.000 fort und wurde besonders im westfriesischen und in den englischen Sprachen deutlich, und sie war abgeschlossen in der altsächsischen und der altnordischen Sprache etwa zwischen 800 und 1.100
5. Varus war ein Römischer Heerführer, der – auf dem Rückzug in das Winterquartier seiner Soldaten – von den Germanen überfallen und (fast) vernichtet wurde, allerdings nicht im Teutoburger Wald, wo heute noch ein riesiges Denkmal an diesen Sieg der Germanen erinnern sollte, sondern in einem Ort namens Kalkriese bei Bramsche, nördlich von Osnabrück, vom früher angenommenen Standort. Erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden dort die deutlichen Spuren der berühmten letzten Schlacht im Norden des langsam schrumpfenden Römischen Reiches gefunden. Heut steht dort ein beeindruckendes Museum
6. Ethnie: Bezeichnung für eine ethnische Volksgruppe, eine Gemeinschaft, die sich durch bestimmte, ganz eigene Merkmale auszeichnet [Aussehen, Gestalt, bes. aber Sitten, Bräuche, Sprache … ]
7. [Wie Anm. 2 oben:] Als Deutsche werden hier die germanischen Volksstämme/ Bevölkerungen bezeichnet, die etwa vom 5. Jahrhundert an im nordwesteuropäischen Raum sesshaft geworden waren [d.h.: die über Generationen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte in bestimmten Gebieten – in „ihrem Land“/“bei uns“ – gelebt hatten oder noch heute leben]. Heute gilt nach unserem Grundgesetz (GG) als Deutscher/als Deutsche, wer einen gültigen Personalausweis oder Reisepass besitzt
8. Nomina, Pronomina und Verben sind Bezeichnungen für bestimmte Wortarten: – vgl. Post 23!

Ein Gedanke zu „Post 16: Vom Germanischen zum Althochdeutschen“

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