Post 7: Der Sprachen-Stammbaum

Die Entstehung der Muttersprachen in Europa

 Diesen Sprachen-Stammbaum fand ich bei Wikipedia. Ich habe ihn zu einer Tabelle umgeformt und um einige Anmerkungen ergänzt („Sonderfälle“ o. ä.). Alle mir bekannten „Muttersprachen“ sind in die entsprechenden Spalten eingefügt.

Für die weitere Betrachtung können wir schon drei Merkmale der Sprachbildung und -entwicklung festhalten:

1) Ich habe die Entwicklung der Sprachen in 3 Generationen unterteilt;

2) die „frühen“ Sprachen der 2. Generation sind hier alle fett gedruckt. Und drei dieser zwölf Sprachen sind uns als autarke Sprachen[1] [1]Als autarke Sprachen bezeichne ich Sprachen, die ganz auf sich allein gestellt eine eigene Entwicklung genommen haben – siehe Post 8! überliefert. Mit der Zeit  haben auch die sich  weiter entwickelt, Sie hatten ja auch anderssprachige Nachbarn, und schließlich wurden sie mit neuen Dingen und mit neuen Wörtern bekannt. Aber diese drei älteren Volksstämme (und ein weiterer) blieben „einzig“.

3) In den Spalten unter diesen Sprachen stehen dann – als 3. Generation – alle bis heute entstandenen Muttersprachen, die sich aus dieser fett gedruckten Sprache entwickelt haben. 

Beschränken wir also auf die verbliebenen fünf europäischen Sprachgruppen, die Sie aus dem Post 3 schon kennen. Daraus entstanden bis heute im europäischen Völker- und Kulturen-Gemisch  mehr als 60 Muttersprachen – in der 3. Generation[2] [2]Als Muttersprache bezeichnet man die erste Sprache, die ein Kleinkind (in aller Regel) von seiner Mutter oder einer anderen Bezugsperson lernt. Kulturwissenschaftler gehen davon aus, dass jeder Mensch schon pränatal, also vor seiner Geburt, durch seine (familiäre) Umwelt erheblich beeinflusst wird und auf diese Weise in die heimisch-kulturelle Sprachumgebung „hineinwächst“, mit all ihren Klängen, Redewendungen und Melodien; und darüber hinaus lernt das ungeborene Kind schon viel über typische Verhaltensweisen seiner Familie und der nachbarschaftlichen Umgebung. Sprachwissenschaftler bezeichnen Menschen, die in ihrer Muttersprache kommunizieren, als Muttersprachler.

4) Dabei dürfen die verbliebenen „Sprachinseln“ ohne indoeuropäische Wurzeln und das in den Wissenschaften noch „sehr lebendige“ Latein auch nicht vergessen werden.

Post 7:  Der Sprachen-Stammbaum

1. Generation:
Indoeuropäisch
2. Generation:
Griechisch Albanisch Armenisch † Tocharisch

Keltisch

Italisch / Romanisch Germanisch Baltisch Slawisch Indisch Iranisch /Kurdisch † Anatolisch
3. Generation:
Bretonisch Gälisch Irisch Walisisch Kornisch († Latein) Italienisch  Sizilianisch Sardisch Korsisch  Spanisch Kastilisch  Katalanisch     + Andorra  Andalusisch Portugiesisch Galicisch Französisch Provenzalisch Rumänisch Rätoromanisch Friaulanisch Galloromanisch  † Gotisch Deutsch Letzeburgisch Jiddisch Friesisch Englisch Niederländisch Afrikaans Isländisch Färöisch Norwegisch Schwedisch Dänisch Schottisch Brabant Alemannisch Schwytzer D. Östrreich.‘ D. Lettisch Litauisch Russisch Weißrussisch Ukrainisch      Polnisch    Tschechisch  Slowenisch Mazedonisch Bosnisch      Bulgarisch       Serbisch     Kosowarisch    Kroatisch Kaschubisch  Slowakisch Sorbisch † Sanskrit Hardi Urdu Bengali Punjabi † Avestisch Persisch Paschtu Kurdisch † Hethitisch
† Luwisch
† Lykisch
  • Das Zeichen „“ vor einer Sprache bedeutet, dass diese Sprache heute nicht mehr „benutzt“  wird (Tocharisch und Anatolisch mit seinen drei „Nachfolgern“). Man nennt diese Sprachen „tote Sprachen“, auch einige „Folgesprachen“ sind wieder in der Vergangenheit verschwunden: das Gotische, das Sanskrit und das Avestische. Die einzige Ausnahme ist das Latein.
  • Ich werde die hier aufgeführten Sprachen in diesem KAPITEL III einzeln kurz vorstellen und bei Verweisen deren „Sprach-Nr.“  aus dieser Liste anführen, – für spätere Querbezüge nenne ich die entsprechenden Posts und die Sprach-Nr. dazu: z. B.: „Friesisch (Post 11/30)“
  • Zum Kurdischen auf  Post 14/69
Erläuterungen zum Aufbau:

Dieses Modell zur  Sprachforschung unterscheidet drei Generationen:

a) Der Stammbaum nimmt seinen Ausgang  in einer indoeuropäisch[3] [3]Die frühere Bezeichnung „indogermanisch“ und das noch ältere „indoarisch“ sind aus Gründen der political Correctness überholt, – nicht in fremdsprachigen wissenschaftlichen Texten, aber im Deutschen [auch ein Beleg für „das Leben“ einer Sprache] genannten Sprache, hier: in der 1. Generation

 b) In der2. Generationsind zwölf alte Sprachen aufgeführt, die unabhängig voneinander im Verlauf mehrerer Jahrhunderte entstanden; sie müssten eigentlich alle nebeneinander stehen! Außerdem sind sie dreifach zu unterscheiden: 1) Zwei dieser Sprachgruppen existieren inzwischen nicht mehr: Tocharisch ist seit dem 1. Jahrtausend v.Chr. zwar bekannt, archäologische Funde lassen diese Sprache schon 5.000 Jahre früher vermuten, als gesprochene Sprache ist es aber seit dem 8. Jh. n.Chr. nicht mehr überliefert. 2) Auch die Sprachen Anatolisch (4.000 v.Chr.) mit den ‚Nachfolgern‘ Luwisch, Hethitisch und Lykisch sind inzwischen „tote“ Sprachen, von ihnen sind nur Schrift-Funde aus einigen  Jahrhunderten v.Chr. überliefert. Zwei weitere bedeutsame Sprachgruppen wurden ebenfalls ausgeklammert; sie hatten nur sehr frühe Einflüsse auf die Sprachen unseres Kontinents, und sie sprengen das Thema dieses Kapitels:

1. Indisch wurde seit 5.000 Jahren im asiatischen Subkontinent gesprochen, die sogenannte indoarische Sprache (um 3000 v.Chr.) ist dort unter mehr als 100 Sprachen eine der wichtigsten Quellen für „uns“. Und das Sanskrit (1500 bis 400 v.Chr.), das als maßgebliche Nachfolgerin dieser Sprachrichtung aufgeführt ist, scheint mir eine letzte Verbindung zu der iranischen und schließlich zu den europäischen Sprachgruppen zu sein. Aus dem Sanskrit entwickelten sich die Sprachen Hindi, Urdi, Bengali und Punjabi, die heute noch in Indien gesprochen werden.

2. Auch die Iranischen Sprachen haben, dem Indischen ähnlich, mehrere Sprachfamilien vorzuweisen, das Avestische (um 1500 v.Chr.) ist inzwischen „tot“. Persisch dagegen ist seit etwa 1000 v.Chr. bekannt, ungefähr zeitgleich mit dem Paschtu, das sich bis Afghanistan verbreitete. Allerdings hat die kurdische Sprache, die sich zunächst in Zentralpersien und schließlich – ab 1920 – in Kurdistan und später in weiten Teilen der Türkei, Persiens und Syriens verbreitete, sich ihre indo-europäischen Wurzeln erhalten – in jahrhundertelanger, fremdsprachiger Nachbarschaft!  Weil heute in Deutschland (geschätzte) 600.000 eingewanderte oder geflüchtete Kurden leben, wird dieses „Sprachthema“ am Ende dieses Kapitels noch einmal aufgegriffen s. Post 14/69!

Drei von diesen zwölf alten Sprachen der 2. Generation  stehen allein, ohne nachfolgende, „neuere“ Sprachen; darum nenne ich diese Sprachen autark:  Griechisch, Albanisch und Armenisch; die griechische Sprache wird in der ersten Sprachgruppe als ‚Sonderfall‘ behandelt, weil ihr für  die europäische Sprach- und Geisteskultur eine integrierende Stellung zukommt, vergleichbar dem Lateinischen – s.u.!

c) aus den verbliebenen fünf Stamm-Sprachen  (vgl. Kap. II / Post 3!)  entwickelten sich – zu verschiedenen Zeiten – unterschiedlich viele aktuelle Sprachen; und die gehören zur „3. Generation“.

Und dann noch dies:

  • Vier in Europa gesprochene Sprachen sind ugrischer Herkunft[4] [4]Die ugrischen Sprachen kommen aus asiatischen Regionen, – aus nordwestlichen Gebieten von Sibirien, weit „hinter“ dem Ural. Entstanden sind sie zwischen 900 und 1.100 v.Chr. – vgl.: Post 11, sie haben seit mehr als 2.000 Jahren inmitten indoeuropäischer Sprachen ‚gelebt‘, klingen aber noch immer „fremd“: Finnisch, Samisch, Estnisch und Ungarisch.
  • Insgesamt sind neun Sprachen „vergangene“ Sprachen; sie werden heute nicht mehr gesprochen; sie werden in der Sprachwissenschaft als ‚tote Sprachen‚ mit einem Kreuz gekennzeichnet – s. o: .
  • Eine einzige ureuropäische Sprache ist unbekannter Herkunft, wird aber nur in Europa gesprochen: Baskisch sie ist ebenfalls  autark wie die alten indogermanischen Sprachen (oben) aus der 2. Generation
  • —Das Lateinische ist zwar auch seit 1.500 Jahren als Muttersprache  „tot“, seine kulturelle Bedeutung für die indoeuropäischen Sprachen ist – wie  beim Griechischen (Post 7) in den wissenschaftlichen Fachsprachen international unentbehrlich: die lateinischen Bezeichnungen für Fachbegriffe aller Wissenschafts-Bereiche basieren auf lateinischen Wörtern, ähnlich den zahlreichen Begriffen in der Mathematik, der Philosophie, Architektur und anderen  Geistesbereichen, die von griechischen Wörtern abgeleitet wurden.
  •  Aber mehr als 60 heute noch gesprochene Sprachen haben sich aus einer einzigen Sprache entwickelt.  Diese beeindruckende „Verzweigung“ der ersten „Stammsprache“ entstand in einem Zeitraum von nahezu 10.000 Jahren.

In der Zeit – von etwa 8.000 vor bis 1.500 n.Chr. haben sich aus der einen indoeuropäischen Sprache allein in Europa jene 56 „neueren“ Muttersprachen entwickelt, die ich in den Posts 8 bis 14 einzeln benennen möchte.

Im 1. Teil des KAPITELS II wurden im Vorgriff aus diese verwirrende Sprachen-Vielfalt bereits sieben „ursprüngliche“ Sprachgruppen und deren historisch bedingte Stammgebiete festgestellt: Alte autarke Sprachenugrische Sprachengermanische keltische(italisch-)romanische – baltisch-slawische und weitere Sprachen aus Nationen, deren Hoheitsgebiete zwar in Teilen dem europäischen Kontinent zuzuschreiben, deren Sprachwurzeln aber nicht im Indoeuropäischen zu finden sind.

Für die hier aufgelisteten europäischen sprachlichen Hauptzweige nehme ich eine Nummerierung nach ihrer wahrscheinlichen Entstehungszeit vor, wie oben angemerkt. Allerdings bin ich dabei auf zum Teil recht vage Schätzungen angewiesen, die Angaben zur Entstehung der Muttersprachen in dem entsprechenden Staat beziehen sich einerseits auf großzügig bemessene Zeiträume, andererseits gehören zu der Bevölkerung vieler Staaten auch heute noch verschiedene ethnische Gruppen[5] [5]ethnisch: einer sprachlich und kulturell einheitlichen Volksgruppe angehörend, einer Ethnie (andere Volksstämme), die sich ihre ganz eigene Kultur und auch ihre Sprache über die historische Entwicklung hinweg bis heute bewahrt haben. Ich gehe zwar nach der offiziellen Landessprache vor, nenne aber dabei auch die zugehörigen separaten Sprachgemeinschaften dieses Landes. Auch hier muss ich mitunter schätzen: Welche dieser Mundarten die ältere „im Lande“ ist, kann zumeist nicht geklärt werden. Und wie und wann (dann) die heute geltende Staatssprache entstand, konnte oft auch nicht eindeutig bestimmt werden. Mein doppelgleisiges System bringt es daher mit sich, dass (in allen folgenden Beiträgen)  häufiger Vor- und Rücksprünge in der historischen Chronologie auftreten; denn ich gebe den sieben Sprachgruppen stets den  Vorrang vor der  fortschreitenden  geschichtlichen  Zeitleiste (siehe  Legende zu der Zeichnung im Post 3).

Die ältesten, vor allem: die von ihrer Entstehung bis heute einzig gebliebenen Sprachen sind die autarken Sprachen. Mit ihnen beginne ich im folgenden Post 8.

Anmerkungen:

[1]  Als autarke Sprachen bezeichne ich Sprachen, die ganz auf sich allein gestellt eine eigene Entwicklung genommen haben – siehe Post 8!

[2] Als Muttersprache bezeichnet man die erste Sprache, die ein Kleinkind (in aller Regel) von seiner Mutter oder einer anderen Bezugsperson lernt. Kulturwissenschaftler gehen davon aus, dass jeder Mensch schon pränatal, also vor seiner Geburt, durch seine (familiäre) Umwelt erheblich beeinflusst wird und auf diese Weise in die heimisch-kulturelle Sprachumgebung „hineinwächst“, mit all ihren Klängen, Redewendungen und Melodien; und darüber hinaus lernt das ungeborene Kind schon viel über typische Verhaltensweisen seiner Familie und der nachbarschaftlichen Umgebung. Sprachwissenschaftler bezeichnen Menschen, die in ihrer Muttersprache kommunizieren, als Muttersprachler.

[3]  Die frühere Bezeichnung „indogermanisch“ und das noch ältere „indoarisch“ sind aus Gründen der political Correctness überholt, – nicht in fremdsprachigen wissenschaftlichen Texten, aber im Deutschen [auch ein Beleg für „das Leben“ einer Sprache]

[4]  Die ugrischen Sprachen kommen aus asiatischen Regionen, – aus nordwestlichen Gebieten von Sibirien, weit „hinter“ dem Ural. Entstanden sind sie zwischen 900 und 1.100 n.Chr. – vgl.: Post 11

[5]  ethnisch: einer sprachlich und kulturell einheitlichen Volksgruppe angehörend, einer Ethnie ..

Anmerkungen   [ + ]

1. Als autarke Sprachen bezeichne ich Sprachen, die ganz auf sich allein gestellt eine eigene Entwicklung genommen haben – siehe Post 8!
2. Als Muttersprache bezeichnet man die erste Sprache, die ein Kleinkind (in aller Regel) von seiner Mutter oder einer anderen Bezugsperson lernt. Kulturwissenschaftler gehen davon aus, dass jeder Mensch schon pränatal, also vor seiner Geburt, durch seine (familiäre) Umwelt erheblich beeinflusst wird und auf diese Weise in die heimisch-kulturelle Sprachumgebung „hineinwächst“, mit all ihren Klängen, Redewendungen und Melodien; und darüber hinaus lernt das ungeborene Kind schon viel über typische Verhaltensweisen seiner Familie und der nachbarschaftlichen Umgebung. Sprachwissenschaftler bezeichnen Menschen, die in ihrer Muttersprache kommunizieren, als Muttersprachler
3. Die frühere Bezeichnung „indogermanisch“ und das noch ältere „indoarisch“ sind aus Gründen der political Correctness überholt, – nicht in fremdsprachigen wissenschaftlichen Texten, aber im Deutschen [auch ein Beleg für „das Leben“ einer Sprache]
4. Die ugrischen Sprachen kommen aus asiatischen Regionen, – aus nordwestlichen Gebieten von Sibirien, weit „hinter“ dem Ural. Entstanden sind sie zwischen 900 und 1.100 v.Chr. – vgl.: Post 11
5. ethnisch: einer sprachlich und kulturell einheitlichen Volksgruppe angehörend, einer Ethnie

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